Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Gegenseitige Rechte während des Krieges. II) alle Officiere und Soldaten, deren Pflicht es ist of- unddefensive Gewalt zu üben, können so lange rechtmäßig ver- wundet und getödtet werden, als nicht erhellet, daß sie ent- weder den Willen, oder das Vermögen Gewalt zu gebrau- chen verloren haben. Sobald sie hingegen entweder 1) so schwer verwundet oder 2) so von dem Feinde umringt sind, daß sie nicht mehr Gewalt brauchen können, oder 3) sie die Waffen wegwerfen und um Quartier bitten, sobald ist der Feind vollkommen verpflichtet ihnen das Leben zu lassen, dafern nicht 1) seine eigene Sicherheit ihn daran hindert a), oder 2) er das Recht der Wiedervergeltung oder sonst Re- presalien b) üben kann, oder 3) der feindliche Unterthan Verbrechen begangen hat um deren Willen er an Leib und Le- ben gestraft werden kann; insonderheit wenn er die Kriegs- gesetze verletzet hat. In Kriegen die, wie mehrentheils die bürgerlichen In Kriegen freyer Völker ist die Ermordung der Ge- a) Vattel L. III. chap. VIII. §. 151. b) Ein merkwürdiges Beyspiel beschlossener Represalien der Art im Nordamericanischen Kriege s. in Nouv. extraord. 1783. n. 17. c) Im Anfange des Kriegs zwischen den verein. Niederländern und Spanien ließ dieses die gefangenen Niederländer unter den schreck- lichsten Martern hinrichten; das veranlaßte Represalien und bald darauf gegenseitige Verabredungen sich auf den Fuß rechtmäßiger Krieger zu behandeln. Auch in dem Kriege Großbritanniens mit seinen revoltirten Colonien in Nordamerica ward diesen U 2
Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges. II) alle Officiere und Soldaten, deren Pflicht es iſt of- unddefenſive Gewalt zu uͤben, koͤnnen ſo lange rechtmaͤßig ver- wundet und getoͤdtet werden, als nicht erhellet, daß ſie ent- weder den Willen, oder das Vermoͤgen Gewalt zu gebrau- chen verloren haben. Sobald ſie hingegen entweder 1) ſo ſchwer verwundet oder 2) ſo von dem Feinde umringt ſind, daß ſie nicht mehr Gewalt brauchen koͤnnen, oder 3) ſie die Waffen wegwerfen und um Quartier bitten, ſobald iſt der Feind vollkommen verpflichtet ihnen das Leben zu laſſen, dafern nicht 1) ſeine eigene Sicherheit ihn daran hindert a), oder 2) er das Recht der Wiedervergeltung oder ſonſt Re- preſalien b) uͤben kann, oder 3) der feindliche Unterthan Verbrechen begangen hat um deren Willen er an Leib und Le- ben geſtraft werden kann; inſonderheit wenn er die Kriegs- geſetze verletzet hat. In Kriegen die, wie mehrentheils die buͤrgerlichen In Kriegen freyer Voͤlker iſt die Ermordung der Ge- a) Vattel L. III. chap. VIII. §. 151. b) Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel beſchloſſener Repreſalien der Art im Nordamericaniſchen Kriege ſ. in Nouv. extraord. 1783. n. 17. c) Im Anfange des Kriegs zwiſchen den verein. Niederlaͤndern und Spanien ließ dieſes die gefangenen Niederlaͤnder unter den ſchreck- lichſten Martern hinrichten; das veranlaßte Repreſalien und bald darauf gegenſeitige Verabredungen ſich auf den Fuß rechtmaͤßiger Krieger zu behandeln. Auch in dem Kriege Großbritanniens mit ſeinen revoltirten Colonien in Nordamerica ward dieſen U 2
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Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
II) alle Officiere und Soldaten, deren Pflicht es iſt of- und
defenſive Gewalt zu uͤben, koͤnnen ſo lange rechtmaͤßig ver-
wundet und getoͤdtet werden, als nicht erhellet, daß ſie ent-
weder den Willen, oder das Vermoͤgen Gewalt zu gebrau-
chen verloren haben. Sobald ſie hingegen entweder 1) ſo
ſchwer verwundet oder 2) ſo von dem Feinde umringt ſind,
daß ſie nicht mehr Gewalt brauchen koͤnnen, oder 3) ſie die
Waffen wegwerfen und um Quartier bitten, ſobald iſt der
Feind vollkommen verpflichtet ihnen das Leben zu laſſen,
dafern nicht 1) ſeine eigene Sicherheit ihn daran hindert a),
oder 2) er das Recht der Wiedervergeltung oder ſonſt Re-
preſalien b) uͤben kann, oder 3) der feindliche Unterthan
Verbrechen begangen hat um deren Willen er an Leib und Le-
ben geſtraft werden kann; inſonderheit wenn er die Kriegs-
geſetze verletzet hat.
In Kriegen die, wie mehrentheils die buͤrgerlichen
Kriege, auf der einen Seite fuͤr unrechtmaͤßig erklaͤret wer-
den, glaubt man ſich zwar berechtiget dem gefangenen Feind
ohne Unterſchied das Leben zu nehmen, aber Menſchenge-
fuͤhl und Furcht vor Repreſalien veranlaßten in den mehre-
ſten Faͤllen, daß man auch hier die Behandlung rechtmaͤßi-
ger Feinde an beiden Seiten verſprach c).
In Kriegen freyer Voͤlker iſt die Ermordung der Ge-
fangenen und folglich auch die dahin abzweckende Drohung den
erſten Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts entgegen, man mag
dieſes auf Gefuͤhl, oder auf Vernunftſchluͤſſe bauen d).
a⁾ Vattel L. III. chap. VIII. §. 151.
b⁾ Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel beſchloſſener Repreſalien der Art im
Nordamericaniſchen Kriege ſ. in Nouv. extraord. 1783. n. 17.
c⁾ Im Anfange des Kriegs zwiſchen den verein. Niederlaͤndern und
Spanien ließ dieſes die gefangenen Niederlaͤnder unter den ſchreck-
lichſten Martern hinrichten; das veranlaßte Repreſalien und bald
darauf gegenſeitige Verabredungen ſich auf den Fuß rechtmaͤßiger
Krieger zu behandeln. Auch in dem Kriege Großbritanniens
mit ſeinen revoltirten Colonien in Nordamerica ward dieſen
bald
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