Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Erstes Buch. Erstes Hauptstück. (halbsouveraine) Staaten. Sofern indeß diese das Rechthaben in eigenem Nahmen mit Auswärtigen in Verhand- lung zu treten, und in allen den Puncten, in welchen sie durch ihre Unterwürfigkeit nicht beschränkt werden, unter einander und gegen Auswärtige auf den Fuß unabhängiger Völker sich zu betragen, sofern gehören auch diese abhängige Staaten unmittelbar zu dem Subject unsrer Wissenschaft. Unterworfene Städte, Provinzen u. s. f. eines Staats oder Staatensystems f) hingegen, sofern sie nur von diesem be- herrscht werden, und ihre auswärtige Angelegenheiten nur von diesem, oder aus dessen Auftrage von ihnen betrieben werden, gehören nur mittelbar zu dem Subject des Euro- päischen Völkerrechts, wenn ihnen auch gleich in Ansehung ihrer inneren Einrichtung und Verwaltung manches über- lassen wäre. Die Zahl der Europäischen Staaten hat seit den Zei- a) Die Abhängigkeit der catholischen Staaten von dem Pabst ist kein Einwurf wider ihre Souverainetät, sofern ihnen das ius circa sacra (im Gegensatz das iuris sacrorum) unbeschränkt zusteht. b) So ist die Republik Ragusa unabhängig, ob sie gleich den Großsultan als ihren Schutzherrn anerkennt; so waren es die kleinen Fürstenthümer Monaco, Bouillon, Henrichemont und Boisbelle, obwohl unter dem Schutz der Könige von Frankreich. c) Sofern man unter Tribut ein jährliches Lösegeld für die er- kaufte Freyheit versteht, sofern giebt es jetzt keinen Staat in Europa mehr, der im eigentlichen Sinn Tributar des andern wäre. Der sogenannte Tribut den die Fürsten der Moldau und Wallachey dem Großherrn zahlen, hat mehr die Natur einer Auflage als eines Tributs. In etwas kommen die jährlichen Geschenke, welche Frankreich, England, Spanien und nach Erſtes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck. (halbſouveraine) Staaten. Sofern indeß dieſe das Rechthaben in eigenem Nahmen mit Auswaͤrtigen in Verhand- lung zu treten, und in allen den Puncten, in welchen ſie durch ihre Unterwuͤrfigkeit nicht beſchraͤnkt werden, unter einander und gegen Auswaͤrtige auf den Fuß unabhaͤngiger Voͤlker ſich zu betragen, ſofern gehoͤren auch dieſe abhaͤngige Staaten unmittelbar zu dem Subject unſrer Wiſſenſchaft. Unterworfene Staͤdte, Provinzen u. ſ. f. eines Staats oder Staatenſyſtems f) hingegen, ſofern ſie nur von dieſem be- herrſcht werden, und ihre auswaͤrtige Angelegenheiten nur von dieſem, oder aus deſſen Auftrage von ihnen betrieben werden, gehoͤren nur mittelbar zu dem Subject des Euro- paͤiſchen Voͤlkerrechts, wenn ihnen auch gleich in Anſehung ihrer inneren Einrichtung und Verwaltung manches uͤber- laſſen waͤre. Die Zahl der Europaͤiſchen Staaten hat ſeit den Zei- a) Die Abhaͤngigkeit der catholiſchen Staaten von dem Pabſt iſt kein Einwurf wider ihre Souverainetaͤt, ſofern ihnen das ius circa ſacra (im Gegenſatz das iuris ſacrorum) unbeſchraͤnkt zuſteht. b) So iſt die Republik Raguſa unabhaͤngig, ob ſie gleich den Großſultan als ihren Schutzherrn anerkennt; ſo waren es die kleinen Fuͤrſtenthuͤmer Monaco, Bouillon, Henrichemont und Boisbelle, obwohl unter dem Schutz der Koͤnige von Frankreich. c) Sofern man unter Tribut ein jaͤhrliches Loͤſegeld fuͤr die er- kaufte Freyheit verſteht, ſofern giebt es jetzt keinen Staat in Europa mehr, der im eigentlichen Sinn Tributar des andern waͤre. Der ſogenannte Tribut den die Fuͤrſten der Moldau und Wallachey dem Großherrn zahlen, hat mehr die Natur einer Auflage als eines Tributs. 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Erſtes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
(halbſouveraine) Staaten. Sofern indeß dieſe das Recht
haben in eigenem Nahmen mit Auswaͤrtigen in Verhand-
lung zu treten, und in allen den Puncten, in welchen ſie
durch ihre Unterwuͤrfigkeit nicht beſchraͤnkt werden, unter
einander und gegen Auswaͤrtige auf den Fuß unabhaͤngiger
Voͤlker ſich zu betragen, ſofern gehoͤren auch dieſe abhaͤngige
Staaten unmittelbar zu dem Subject unſrer Wiſſenſchaft.
Unterworfene Staͤdte, Provinzen u. ſ. f. eines Staats oder
Staatenſyſtems f) hingegen, ſofern ſie nur von dieſem be-
herrſcht werden, und ihre auswaͤrtige Angelegenheiten nur
von dieſem, oder aus deſſen Auftrage von ihnen betrieben
werden, gehoͤren nur mittelbar zu dem Subject des Euro-
paͤiſchen Voͤlkerrechts, wenn ihnen auch gleich in Anſehung
ihrer inneren Einrichtung und Verwaltung manches uͤber-
laſſen waͤre.
Die Zahl der Europaͤiſchen Staaten hat ſeit den Zei-
ten der Voͤlkerwanderungen ſich unaufhoͤrlich veraͤndert; ſie
iſt bald durch die ehemahls ſo haͤufigen Theilungen, oder
durch Bildung einzelner unterworfener Theile eines Staats
zu eigenen unabhaͤngigen oder abhaͤngigen Staaten ver-
mehrt, bald durch reelle, gleiche oder ungleiche Union meh-
rerer Staaten in einen, oder durch Zerſplitterung eines
Staats vermindert worden.
a⁾ Die Abhaͤngigkeit der catholiſchen Staaten von dem Pabſt iſt
kein Einwurf wider ihre Souverainetaͤt, ſofern ihnen das ius
circa ſacra (im Gegenſatz das iuris ſacrorum) unbeſchraͤnkt zuſteht.
b⁾ So iſt die Republik Raguſa unabhaͤngig, ob ſie gleich den
Großſultan als ihren Schutzherrn anerkennt; ſo waren es die
kleinen Fuͤrſtenthuͤmer Monaco, Bouillon, Henrichemont und
Boisbelle, obwohl unter dem Schutz der Koͤnige von Frankreich.
c⁾ Sofern man unter Tribut ein jaͤhrliches Loͤſegeld fuͤr die er-
kaufte Freyheit verſteht, ſofern giebt es jetzt keinen Staat in
Europa mehr, der im eigentlichen Sinn Tributar des andern
waͤre. Der ſogenannte Tribut den die Fuͤrſten der Moldau und
Wallachey dem Großherrn zahlen, hat mehr die Natur einer
Auflage als eines Tributs. In etwas kommen die jaͤhrlichen
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