Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Von Verträgen. thum leicht vermeidlich, so kann der irrende zur Entschä-digung verbunden seyn. Bloße Verletzung in einem Vertrage aber ist kein a) So sind z. B. die gegenseitigen Declarationen zwischen Dänemark und Schweden 1772 in m. Recueil T. III. p. 248, zwischen Groß- britannien und Frankreich 1787. e. d. S. 103. Zwischen Groß- britannien und Spanien 1790. e. d. S. 166. Zwischen Preußen, Oesterreich und den vereinigten Niederlanden 1790. e. d. S. 170 und T. IV. S. 565. als wahre Verträge anzusehn. Je mehr man in das Detail der einzelnen Verhältnisse zweyer Staaten eindringt, je mehr wird man finden, daß ein beträchtlicher Theil des particulair Völkerrechts auf einseitige von dem an- dern Theil ausdrücklich oder stillschweigend angenommene Er- klärungen, Reverse u. s. f. beruhe. Hierauf ist wie mir scheint von den Lehrern des Völkerrechts noch nicht genug Rücksicht genommen worden. Eine eigene Form hat der Handelstractat zwischen Rußland und Oesterreich von 1785. in m. Recueil T. II. p. 620, wovon vielleicht der Grund in dem Alternationsstreit der beiden Höfe zu suchen ist. b) Puffendorff droit de la nature et des gens L. III. cap. 6. §. 6. Grotius L. II. cap. XI. n. 6. cap. XII. n. 12. Vattel L. §. c) Doch mußte Philipp V. von Spanien, als er Verzicht auf den französischen Thron leistete, auch der lesion enidente, enorme et tre enorme entsagen. S. die Renunciationsacte vom 12. Nov. 1712. in Actes et memoires de la Paix d' Utrecht P. II. p. 164. be- sonders p. 185. §. 46. D 5
Von Vertraͤgen. thum leicht vermeidlich, ſo kann der irrende zur Entſchaͤ-digung verbunden ſeyn. Bloße Verletzung in einem Vertrage aber iſt kein a) So ſind z. B. die gegenſeitigen Declarationen zwiſchen Daͤnemark und Schweden 1772 in m. Recueil T. III. p. 248, zwiſchen Groß- britannien und Frankreich 1787. e. d. S. 103. Zwiſchen Groß- britannien und Spanien 1790. e. d. S. 166. Zwiſchen Preußen, Oeſterreich und den vereinigten Niederlanden 1790. e. d. S. 170 und T. IV. S. 565. als wahre Vertraͤge anzuſehn. Je mehr man in das Detail der einzelnen Verhaͤltniſſe zweyer Staaten eindringt, je mehr wird man finden, daß ein betraͤchtlicher Theil des particulair Voͤlkerrechts auf einſeitige von dem an- dern Theil ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend angenommene Er- klaͤrungen, Reverſe u. ſ. f. beruhe. Hierauf iſt wie mir ſcheint von den Lehrern des Voͤlkerrechts noch nicht genug Ruͤckſicht genommen worden. Eine eigene Form hat der Handelstractat zwiſchen Rußland und Oeſterreich von 1785. in m. Recueil T. II. p. 620, wovon vielleicht der Grund in dem Alternationsſtreit der beiden Hoͤfe zu ſuchen iſt. b) Puffendorff droit de la nature et des gens L. III. cap. 6. §. 6. Grotius L. II. cap. XI. n. 6. cap. XII. n. 12. Vattel L. §. c) Doch mußte Philipp V. von Spanien, als er Verzicht auf den franzoͤſiſchen Thron leiſtete, auch der leſion enidente, enorme et trè énorme entſagen. S. die Renunciationsacte vom 12. Nov. 1712. in Actes et memoires de la Paix d’ Utrecht P. II. p. 164. be- ſonders p. 185. §. 46. D 5
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Von Vertraͤgen.
thum leicht vermeidlich, ſo kann der irrende zur Entſchaͤ-
digung verbunden ſeyn.
Bloße Verletzung in einem Vertrage aber iſt kein
natuͤrlicher Rechtfertigungsgrund um ſich von demſelben loß
zu ſagen, da 1) jede Nation berechtiget und verbunden iſt
die Vortheile und Nachtheile welche aus einem Vertrag
fuͤr ſie entſtehn vorher abzuwaͤgen 2) es nicht unerlaubt iſt
auch uͤberwiegende Vortheile ſich von einer andren Nation
verſprechen zu laſſen 3) in dem Naturſtande niemand be-
ſtimmen kann, wie groß die Verletzung ſeyn muͤſſe, um von
dem Vertrag abzugehn, und ob ſie wirklich vorhanden ſey;
daher verbietet auch das eigene Beſte der Voͤlker ihnen,
ſich einer Einrede zu bedienen, welche den Grund aller Ver-
traͤge, und folglich ihre eigene gegenſeitige Sicherheit un-
tergraͤbt c).
a⁾ So ſind z. B. die gegenſeitigen Declarationen zwiſchen Daͤnemark
und Schweden 1772 in m. Recueil T. III. p. 248, zwiſchen Groß-
britannien und Frankreich 1787. e. d. S. 103. Zwiſchen Groß-
britannien und Spanien 1790. e. d. S. 166. Zwiſchen Preußen,
Oeſterreich und den vereinigten Niederlanden 1790. e. d. S. 170
und T. IV. S. 565. als wahre Vertraͤge anzuſehn. Je mehr
man in das Detail der einzelnen Verhaͤltniſſe zweyer Staaten
eindringt, je mehr wird man finden, daß ein betraͤchtlicher
Theil des particulair Voͤlkerrechts auf einſeitige von dem an-
dern Theil ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend angenommene Er-
klaͤrungen, Reverſe u. ſ. f. beruhe. Hierauf iſt wie mir ſcheint
von den Lehrern des Voͤlkerrechts noch nicht genug Ruͤckſicht
genommen worden. Eine eigene Form hat der Handelstractat
zwiſchen Rußland und Oeſterreich von 1785. in m. Recueil T. II.
p. 620, wovon vielleicht der Grund in dem Alternationsſtreit
der beiden Hoͤfe zu ſuchen iſt.
b⁾ Puffendorff droit de la nature et des gens L. III. cap. 6. §. 6.
Grotius L. II. cap. XI. n. 6. cap. XII. n. 12. Vattel L. §.
c⁾ Doch mußte Philipp V. von Spanien, als er Verzicht auf den
franzoͤſiſchen Thron leiſtete, auch der leſion enidente, enorme et
trè énorme entſagen. S. die Renunciationsacte vom 12. Nov.
1712. in Actes et memoires de la Paix d’ Utrecht P. II. p. 164. be-
ſonders p. 185.
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