Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Zweytes Buch. Zweytes Hauptstück. seitig wieder aufgerufen worden; so bestehen sie unäbhän-gig von der Veränderung die sich mit der Person der Re- genten, mit der Verfassung und selbst mit der Unabhängig- keit des Staats der sie schloß zuträgt. Selbst wenn um einer andren, mit diesem Vertrage in keine Verbindung stehen- den Ursache willen zwischen den Contrahenten ein Krieg ent- steht, so zerfallen diese transitorischen Verträge nicht von selbst, obwohl nicht nur die Wirkung derselben durch den Krieg unterbrochen wird, sondern auch dem Feinde nach dem Rechte des Kriegs das Befugniß zusteht auch diese Verträge dem Feinde aufzukündigen und ihm das daraus erwachsene Recht für immer zu entziehn, wenn der Zweck des Kriegs dies erfordert. Bündnisse hingegen, wodurch ein Staat sich zu künf- a) So zerfallen z. B. die Garantien der Verfassung eines Staats, wenn dieser seine Verfassung abändert. Hatte das Bündniß aber mit der Verfassung keine Verbindung, so kann es nicht für erlöschen angesehn werden, wenn z. B. ein halb souverainer Staat unabhängig, oder ein monarchischer eine Republik wird; obwohl die vereinigten Niederländer nach erfochtener Freyheit Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. ſeitig wieder aufgerufen worden; ſo beſtehen ſie unaͤbhaͤn-gig von der Veraͤnderung die ſich mit der Perſon der Re- genten, mit der Verfaſſung und ſelbſt mit der Unabhaͤngig- keit des Staats der ſie ſchloß zutraͤgt. Selbſt wenn um einer andren, mit dieſem Vertrage in keine Verbindung ſtehen- den Urſache willen zwiſchen den Contrahenten ein Krieg ent- ſteht, ſo zerfallen dieſe tranſitoriſchen Vertraͤge nicht von ſelbſt, obwohl nicht nur die Wirkung derſelben durch den Krieg unterbrochen wird, ſondern auch dem Feinde nach dem Rechte des Kriegs das Befugniß zuſteht auch dieſe Vertraͤge dem Feinde aufzukuͤndigen und ihm das daraus erwachſene Recht fuͤr immer zu entziehn, wenn der Zweck des Kriegs dies erfordert. Buͤndniſſe hingegen, wodurch ein Staat ſich zu kuͤnf- a) So zerfallen z. B. die Garantien der Verfaſſung eines Staats, wenn dieſer ſeine Verfaſſung abaͤndert. Hatte das Buͤndniß aber mit der Verfaſſung keine Verbindung, ſo kann es nicht fuͤr erloͤſchen angeſehn werden, wenn z. B. ein halb ſouverainer Staat unabhaͤngig, oder ein monarchiſcher eine Republik wird; obwohl die vereinigten Niederlaͤnder nach erfochtener Freyheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0090" n="62"/><fw place="top" type="header">Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.</fw><lb/> ſeitig wieder aufgerufen worden; ſo beſtehen ſie unaͤbhaͤn-<lb/> gig von der Veraͤnderung die ſich mit der Perſon der Re-<lb/> genten, mit der <choice><sic>Verſaſſung</sic><corr>Verfaſſung</corr></choice> und ſelbſt mit der Unabhaͤngig-<lb/> keit des Staats der ſie ſchloß zutraͤgt. 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Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ſeitig wieder aufgerufen worden; ſo beſtehen ſie unaͤbhaͤn-
gig von der Veraͤnderung die ſich mit der Perſon der Re-
genten, mit der Verfaſſung und ſelbſt mit der Unabhaͤngig-
keit des Staats der ſie ſchloß zutraͤgt. Selbſt wenn um
einer andren, mit dieſem Vertrage in keine Verbindung ſtehen-
den Urſache willen zwiſchen den Contrahenten ein Krieg ent-
ſteht, ſo zerfallen dieſe tranſitoriſchen Vertraͤge nicht von
ſelbſt, obwohl nicht nur die Wirkung derſelben durch den
Krieg unterbrochen wird, ſondern auch dem Feinde nach dem
Rechte des Kriegs das Befugniß zuſteht auch dieſe Vertraͤge
dem Feinde aufzukuͤndigen und ihm das daraus erwachſene
Recht fuͤr immer zu entziehn, wenn der Zweck des Kriegs
dies erfordert.
Buͤndniſſe hingegen, wodurch ein Staat ſich zu kuͤnf-
tigen ſucceſſiven Praeſtationen anheiſchig macht, erloͤſchen,
auch wenn ſie fuͤr immer errichtet worden 1) wenn der Staat
der ſie ſchloß ſeine Unabhaͤngigkeit ſo verliert, daß er un-
terworfene Provinz eines andern Reichs wird, 2) wenn der
Staat ſeine bisherige Verfaſſung veraͤndert, und das Buͤnd-
niß in Hinſicht der vorigen Verfaſſung errichtet worden;
nicht aber in den uͤbrigen Faͤllen a). 3) Da die Fortdauer
der Freundſchaft weſentliche Bedingung eines jeden Buͤnd-
niſſes iſt, ſo zerfallen ſie durch einen jeden neuen Krieg,
ohne Ruͤckſicht auf den Gegenſtand deſſelben, von ſelbſt,
nur mit Ausnahme der Artikel die fuͤr dieſen Fall errichtet
worden b); um ſo mehr iſt alſo jeder Contrahent befugt ſie
dann einſeitig aufzurufen, welches ehemahls ſelbſt zu dem
herkoͤmmlichen Voͤlkerrechte gehoͤrte c). Buͤndniſſe muͤſſen
daher in einem jeden Friedensſchluße erneuert werden, wenn
ſie noch kuͤnftig gelten ſollen.
a⁾ So zerfallen z. B. die Garantien der Verfaſſung eines Staats,
wenn dieſer ſeine Verfaſſung abaͤndert. Hatte das Buͤndniß
aber mit der Verfaſſung keine Verbindung, ſo kann es nicht
fuͤr erloͤſchen angeſehn werden, wenn z. B. ein halb ſouverainer
Staat unabhaͤngig, oder ein monarchiſcher eine Republik wird;
obwohl die vereinigten Niederlaͤnder nach erfochtener Freyheit
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