Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

zwey Freyheiten woltest du am liebsten ver-
liehren/ des Leibes und der Seelen? Du
wirst mir alsobald antworten/ daß die
Dienstbarkeit des Hertzens tausendmahl
ärger ist/ als die Dienstbarkeit des Leibes:
Ich gestehe es/ aber ich muß dich auch leh-
ren/ daß die Freyheit des Hertzens nicht kan
erhalten werden/ als durch eine großmü-
thige Verachtung des Reichthums.

LVI.

Erinnere dich/ daß du ein Mensch bist/
und setze alles was dir begegnet/ in die Zahl
der Menschlichen Dinge/ es mag seyn/ was
es wil. Rüste dich/ eine Million Wider-
wärtigkeiten auszustehen/ und erschrecke
nicht mehr darüber/ wann sie dich überfal-
len/ als wann du sie an deines gleichen
siehest. Bist du gefährlich an der Hand
oder am Arm verwundet? Es sind andere
auch also tractiret worden/ und dieser Zu-
fall ist auffs höchste nichts mehr als ein Un-
glück.

LVII.

Gib Achtung/ daß du nicht alles begeh-
rest/ was dich gut zu seyn düncket: Man
muß so wohl auf das Mittel/ als auff das
Ende sehen. Es gibt sehr anmuthige und

ange-
F 2

zwey Freyheiten wolteſt du am liebſten ver-
liehren/ des Leibes und der Seelen? Du
wirſt mir alſobald antworten/ daß die
Dienſtbarkeit des Hertzens tauſendmahl
aͤrger iſt/ als die Dienſtbarkeit des Leibes:
Ich geſtehe es/ aber ich muß dich auch leh-
ren/ daß die Freyheit des Hertzens nicht kan
erhalten werden/ als durch eine großmuͤ-
thige Verachtung des Reichthums.

LVI.

Erinnere dich/ daß du ein Menſch biſt/
und ſetze alles was dir begegnet/ in die Zahl
der Menſchlichen Dinge/ es mag ſeyn/ was
es wil. Ruͤſte dich/ eine Million Wider-
waͤrtigkeiten auszuſtehen/ und erſchrecke
nicht mehr daruͤber/ wann ſie dich uͤberfal-
len/ als wann du ſie an deines gleichen
ſieheſt. Biſt du gefaͤhrlich an der Hand
oder am Arm verwundet? Es ſind andere
auch alſo tractiret worden/ und dieſer Zu-
fall iſt auffs hoͤchſte nichts mehr als ein Un-
gluͤck.

LVII.

Gib Achtung/ daß du nicht alles begeh-
reſt/ was dich gut zu ſeyn duͤncket: Man
muß ſo wohl auf das Mittel/ als auff das
Ende ſehen. Es gibt ſehr anmuthige und

ange-
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="133[123]"/>
zwey Freyheiten wolte&#x017F;t du am lieb&#x017F;ten ver-<lb/>
liehren/ des Leibes und der Seelen? Du<lb/>
wir&#x017F;t mir al&#x017F;obald antworten/ daß die<lb/>
Dien&#x017F;tbarkeit des Hertzens tau&#x017F;endmahl<lb/>
a&#x0364;rger i&#x017F;t/ als die Dien&#x017F;tbarkeit des Leibes:<lb/>
Ich ge&#x017F;tehe es/ aber ich muß dich auch leh-<lb/>
ren/ daß die Freyheit des Hertzens nicht kan<lb/>
erhalten werden/ als durch eine großmu&#x0364;-<lb/>
thige Verachtung des Reichthums.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LVI.</hi> </head><lb/>
          <p>Erinnere dich/ daß du ein Men&#x017F;ch bi&#x017F;t/<lb/>
und &#x017F;etze alles was dir begegnet/ in die Zahl<lb/>
der Men&#x017F;chlichen Dinge/ es mag &#x017F;eyn/ was<lb/>
es wil. Ru&#x0364;&#x017F;te dich/ eine Million Wider-<lb/>
wa&#x0364;rtigkeiten auszu&#x017F;tehen/ und er&#x017F;chrecke<lb/>
nicht mehr daru&#x0364;ber/ wann &#x017F;ie dich u&#x0364;berfal-<lb/>
len/ als wann du &#x017F;ie an deines gleichen<lb/>
&#x017F;iehe&#x017F;t. Bi&#x017F;t du gefa&#x0364;hrlich an der Hand<lb/>
oder am Arm verwundet? Es &#x017F;ind andere<lb/>
auch al&#x017F;o <hi rendition="#aq">tractiret</hi> worden/ und die&#x017F;er Zu-<lb/>
fall i&#x017F;t auffs ho&#x0364;ch&#x017F;te nichts mehr als ein Un-<lb/>
glu&#x0364;ck.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LVII.</hi> </head><lb/>
          <p>Gib Achtung/ daß du nicht alles begeh-<lb/>
re&#x017F;t/ was dich gut zu &#x017F;eyn du&#x0364;ncket: Man<lb/>
muß &#x017F;o wohl auf das Mittel/ als auff das<lb/>
Ende &#x017F;ehen. Es gibt &#x017F;ehr anmuthige und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133[123]/0134] zwey Freyheiten wolteſt du am liebſten ver- liehren/ des Leibes und der Seelen? Du wirſt mir alſobald antworten/ daß die Dienſtbarkeit des Hertzens tauſendmahl aͤrger iſt/ als die Dienſtbarkeit des Leibes: Ich geſtehe es/ aber ich muß dich auch leh- ren/ daß die Freyheit des Hertzens nicht kan erhalten werden/ als durch eine großmuͤ- thige Verachtung des Reichthums. LVI. Erinnere dich/ daß du ein Menſch biſt/ und ſetze alles was dir begegnet/ in die Zahl der Menſchlichen Dinge/ es mag ſeyn/ was es wil. Ruͤſte dich/ eine Million Wider- waͤrtigkeiten auszuſtehen/ und erſchrecke nicht mehr daruͤber/ wann ſie dich uͤberfal- len/ als wann du ſie an deines gleichen ſieheſt. Biſt du gefaͤhrlich an der Hand oder am Arm verwundet? Es ſind andere auch alſo tractiret worden/ und dieſer Zu- fall iſt auffs hoͤchſte nichts mehr als ein Un- gluͤck. LVII. Gib Achtung/ daß du nicht alles begeh- reſt/ was dich gut zu ſeyn duͤncket: Man muß ſo wohl auf das Mittel/ als auff das Ende ſehen. Es gibt ſehr anmuthige und ange- F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/134
Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 133[123]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/134>, abgerufen am 26.11.2024.