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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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worin der reagirende Geist der Nation es bedrohte, wieder in ihre einzelnen
Bestandtheile zu zerstreuen. Der 15. Mai hatte bekanntlich kein anderes Re¬
sultat, als Blanqui und Genossen, d. h. die wirklichen Führer der proleta¬
rischen Partei, für die ganze Dauer des Cyklus, den wir betrachten, vom
öffentlichen Schauplatz zu entfernen.

Auf die bürgerliche Monarchie Louis Philipps kann nur die
bürgerliche Republik folgen, d.h. wenn unter dem Namen des Königs
ein beschränkter Theil der Bourgeoisie geherrscht hat, so wird jetzt im Namen
des Volks die Gesammtheit der Bourgeoisie herrschen. Die Forderungen des
Pariser Proletariats sind utopistische Flausen, womit geendet werden muß.
Auf diese Erklärung der konstituirenden Nationalversammlung antwortete
das Pariser Proletariat mit der Juni-Insurrektion, dem kolossalsten
Ereigniß in der Geschichte der europäischen Bürgerkriege. Die bürgerliche
Republik siegte. Auf ihrer Seite stand die Finanzaristokratie, die industrielle
Bourgeoisie, der Mittelstand, die Kleinbürger, die Armee, das als Mobil¬
garde organisirte Lumpenproletariat, die geistigen Kapacitäten, die Pfaffen
und die Landbevölkerung. Auf der Seite des Pariser Proletariats stand
Niemand als es selbst. Ueber 3000 Insurgenten wurden niedergemetzelt
nach dem Siege, 15000 ohne Urtheil transportirt. Mit dieser Niederlage
tritt das Proletariat in den Hintergrund der revolutionären Bühne.
Es versucht sich jedesmal wieder vorzudrängen, sobald die Bewegung einen
neuen Anlauf zu nehmen scheint, aber mit immer schwächerem Kraftaufwand
und stets geringerem Resultat. Sobald eine der höher über ihm liegenden
Gesellschaftsschichten in revolutionäre Gährung geräth, geht es eine Verbin¬
dung mit ihr ein und theilt so alle Niederlagen, die die verschiedenen Par¬
teien nach einander erleiden. Aber diese nachträglichen Schläge schwächen
sich immer mehr ab, je mehr sie sich auf die ganze Oberfläche der Gesellschaft
vertheilen. Seine bedeutenderen Führer in der Versammlung und in der
Presse fallen der Reihe nach den Gerichten als Opfer und immer zweideutigere
Figuren treten an seine Spitze. Zum Theil wirft es sich auf doktrinäre
Experimente
, Tauschbanken und Arbeiter-Assoziationen,
also in eine Bewegung, worin es darauf verzichtet, die
alte Welt mit ihren eigenen großen Gesammtmitteln um¬
zuwälzen
, vielmehr hinter dem Rücken der Gesellschaft,
auf Privatweise, innerhalb seiner beschränkten Existenz¬
bedingungen
, seine Erlösung zu vollbringen sucht, also

worin der reagirende Geiſt der Nation es bedrohte, wieder in ihre einzelnen
Beſtandtheile zu zerſtreuen. Der 15. Mai hatte bekanntlich kein anderes Re¬
ſultat, als Blanqui und Genoſſen, d. h. die wirklichen Führer der proleta¬
riſchen Partei, für die ganze Dauer des Cyklus, den wir betrachten, vom
öffentlichen Schauplatz zu entfernen.

Auf die bürgerliche Monarchie Louis Philipps kann nur die
bürgerliche Republik folgen, d.h. wenn unter dem Namen des Königs
ein beſchränkter Theil der Bourgeoiſie geherrſcht hat, ſo wird jetzt im Namen
des Volks die Geſammtheit der Bourgeoiſie herrſchen. Die Forderungen des
Pariſer Proletariats ſind utopiſtiſche Flauſen, womit geendet werden muß.
Auf dieſe Erklärung der konſtituirenden Nationalverſammlung antwortete
das Pariſer Proletariat mit der Juni-Inſurrektion, dem koloſſalſten
Ereigniß in der Geſchichte der europäiſchen Bürgerkriege. Die bürgerliche
Republik ſiegte. Auf ihrer Seite ſtand die Finanzariſtokratie, die induſtrielle
Bourgeoiſie, der Mittelſtand, die Kleinbürger, die Armee, das als Mobil¬
garde organiſirte Lumpenproletariat, die geiſtigen Kapacitäten, die Pfaffen
und die Landbevölkerung. Auf der Seite des Pariſer Proletariats ſtand
Niemand als es ſelbſt. Ueber 3000 Inſurgenten wurden niedergemetzelt
nach dem Siege, 15000 ohne Urtheil transportirt. Mit dieſer Niederlage
tritt das Proletariat in den Hintergrund der revolutionären Bühne.
Es verſucht ſich jedesmal wieder vorzudrängen, ſobald die Bewegung einen
neuen Anlauf zu nehmen ſcheint, aber mit immer ſchwächerem Kraftaufwand
und ſtets geringerem Reſultat. Sobald eine der höher über ihm liegenden
Geſellſchaftsſchichten in revolutionäre Gährung geräth, geht es eine Verbin¬
dung mit ihr ein und theilt ſo alle Niederlagen, die die verſchiedenen Par¬
teien nach einander erleiden. Aber dieſe nachträglichen Schläge ſchwächen
ſich immer mehr ab, je mehr ſie ſich auf die ganze Oberfläche der Geſellſchaft
vertheilen. Seine bedeutenderen Führer in der Verſammlung und in der
Preſſe fallen der Reihe nach den Gerichten als Opfer und immer zweideutigere
Figuren treten an ſeine Spitze. Zum Theil wirft es ſich auf doktrinäre
Experimente
, Tauſchbanken und Arbeiter-Aſſoziationen,
alſo in eine Bewegung, worin es darauf verzichtet, die
alte Welt mit ihren eigenen großen Geſammtmitteln um¬
zuwälzen
, vielmehr hinter dem Rücken der Geſellſchaft,
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bedingungen
, ſeine Erlöſung zu vollbringen ſucht, alſo

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[8/0020] worin der reagirende Geiſt der Nation es bedrohte, wieder in ihre einzelnen Beſtandtheile zu zerſtreuen. Der 15. Mai hatte bekanntlich kein anderes Re¬ ſultat, als Blanqui und Genoſſen, d. h. die wirklichen Führer der proleta¬ riſchen Partei, für die ganze Dauer des Cyklus, den wir betrachten, vom öffentlichen Schauplatz zu entfernen. Auf die bürgerliche Monarchie Louis Philipps kann nur die bürgerliche Republik folgen, d.h. wenn unter dem Namen des Königs ein beſchränkter Theil der Bourgeoiſie geherrſcht hat, ſo wird jetzt im Namen des Volks die Geſammtheit der Bourgeoiſie herrſchen. Die Forderungen des Pariſer Proletariats ſind utopiſtiſche Flauſen, womit geendet werden muß. Auf dieſe Erklärung der konſtituirenden Nationalverſammlung antwortete das Pariſer Proletariat mit der Juni-Inſurrektion, dem koloſſalſten Ereigniß in der Geſchichte der europäiſchen Bürgerkriege. Die bürgerliche Republik ſiegte. Auf ihrer Seite ſtand die Finanzariſtokratie, die induſtrielle Bourgeoiſie, der Mittelſtand, die Kleinbürger, die Armee, das als Mobil¬ garde organiſirte Lumpenproletariat, die geiſtigen Kapacitäten, die Pfaffen und die Landbevölkerung. Auf der Seite des Pariſer Proletariats ſtand Niemand als es ſelbſt. Ueber 3000 Inſurgenten wurden niedergemetzelt nach dem Siege, 15000 ohne Urtheil transportirt. Mit dieſer Niederlage tritt das Proletariat in den Hintergrund der revolutionären Bühne. Es verſucht ſich jedesmal wieder vorzudrängen, ſobald die Bewegung einen neuen Anlauf zu nehmen ſcheint, aber mit immer ſchwächerem Kraftaufwand und ſtets geringerem Reſultat. Sobald eine der höher über ihm liegenden Geſellſchaftsſchichten in revolutionäre Gährung geräth, geht es eine Verbin¬ dung mit ihr ein und theilt ſo alle Niederlagen, die die verſchiedenen Par¬ teien nach einander erleiden. Aber dieſe nachträglichen Schläge ſchwächen ſich immer mehr ab, je mehr ſie ſich auf die ganze Oberfläche der Geſellſchaft vertheilen. Seine bedeutenderen Führer in der Verſammlung und in der Preſſe fallen der Reihe nach den Gerichten als Opfer und immer zweideutigere Figuren treten an ſeine Spitze. Zum Theil wirft es ſich auf doktrinäre Experimente, Tauſchbanken und Arbeiter-Aſſoziationen, alſo in eine Bewegung, worin es darauf verzichtet, die alte Welt mit ihren eigenen großen Geſammtmitteln um¬ zuwälzen, vielmehr hinter dem Rücken der Geſellſchaft, auf Privatweiſe, innerhalb ſeiner beſchränkten Exiſtenz¬ bedingungen, ſeine Erlöſung zu vollbringen ſucht, alſo

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/20>, abgerufen am 21.11.2024.