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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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Das Gros der Montagne hatte seine Avantgarde im Stiche gelassen, in¬
dem es ihrer Proklamation die Unterschriften verweigerte. Die Presse war
desertirt, indem nur zwei Journale das Pronunziamento zu veröffentlichen
wagten. Die Kleinbürger verriethen ihre Repräsentanten, indem die Natio¬
nalgarden ausblieben oder wo sie erschienen, den Barrikadenbau verhinderten.
Die Repräsentanten hatten die Kleinbürger dupirt, indem die angeblichen
Affiliirten von der Armee nirgends zu erblicken waren. Endlich, statt von
ihm Kraftzuschuß zu gewinnen, hatte die demokratische Partei das Proleta¬
riat mit ihrer eignen Schwäche angesteckt, und, wie gewöhnlich bei demokra¬
tischen Hochthaten, hatten die Führer die Genugthuung, ihr "Volk" der De¬
sertion und das Volk die Genugthuung, seine Führer der Prellerei beschuldigen
zu können.

Selten war eine Aktion mit größerem Geräusch verkündet worden, als
der bevorstehende Feldzug der Montagne, selten ein Ereigniß mit mehr Sicher¬
heit und länger vorher austrompetet, als der unvermeidliche Sieg der Demo¬
kratie. Ganz gewiß: die Demokraten glauben an die Posaunen, vor deren
Stößen die Mauern Jericho's einstürzten. Und so oft sie den Wällen des
Despotismus gegenüberstehn, suchen sie das Wunder nachzumachen. Wenn
die Montagne im Parlamente siegen wollte, durfte sie nicht zu den Waffen
rufen. Wenn sie im Parlamente zu den Waffen rief, durfte sie sich auf der
Straße nicht parlamentarisch verhalten. Wenn die friedliche Demonstration
ernst gemeint war, so war es albern, nicht vorherzusehn, daß sie kriegerisch
empfangen werden würde. Wenn es auf den wirklichen Kampf abgesehn war,
so war es originell, die Waffen abzulegen, mit denen er geführt werden mußte.
Aber die revolutionären Drohungen der Kleinbürger und ihrer demokratischen
Vertreter sind bloße Einschüchterungsversuche des Gegners. Und wenn sie
sich in eine Sackgasse verrannt, wenn sie sich hinlänglich kompromittirt haben,
um zur Ausführung ihrer Drohungen gezwungen zu sein, so geschieht es in
einer zweideutigen Weise, die nichts mehr vermeidet als die Mittel zum Zwecke
und nach Vorwänden zum Unterliegen hascht. Die schmetternde Ouverture,
die den Kampf verkündete, verliert sich in ein kleinlautes Knurren, sobald er
beginnen soll, die Schauspieler hören auf sich au serieux zu nehmen und die
Handlung fällt platt zusammen, wie ein luftgefüllter Ballon, den man mit
einer Nadel pickt.

Keine Partei übertreibt sich mehr ihre Mittel, als die demokratische, keine
täuscht sich leichtsinniger über die Situation. Wenn ein Theil der Armee für

Das Gros der Montagne hatte ſeine Avantgarde im Stiche gelaſſen, in¬
dem es ihrer Proklamation die Unterſchriften verweigerte. Die Preſſe war
deſertirt, indem nur zwei Journale das Pronunziamento zu veröffentlichen
wagten. Die Kleinbürger verriethen ihre Repräſentanten, indem die Natio¬
nalgarden ausblieben oder wo ſie erſchienen, den Barrikadenbau verhinderten.
Die Repräſentanten hatten die Kleinbürger dupirt, indem die angeblichen
Affiliirten von der Armee nirgends zu erblicken waren. Endlich, ſtatt von
ihm Kraftzuſchuß zu gewinnen, hatte die demokratiſche Partei das Proleta¬
riat mit ihrer eignen Schwäche angeſteckt, und, wie gewöhnlich bei demokra¬
tiſchen Hochthaten, hatten die Führer die Genugthuung, ihr „Volk“ der De¬
ſertion und das Volk die Genugthuung, ſeine Führer der Prellerei beſchuldigen
zu können.

Selten war eine Aktion mit größerem Geräuſch verkündet worden, als
der bevorſtehende Feldzug der Montagne, ſelten ein Ereigniß mit mehr Sicher¬
heit und länger vorher austrompetet, als der unvermeidliche Sieg der Demo¬
kratie. Ganz gewiß: die Demokraten glauben an die Poſaunen, vor deren
Stößen die Mauern Jericho's einſtürzten. Und ſo oft ſie den Wällen des
Despotismus gegenüberſtehn, ſuchen ſie das Wunder nachzumachen. Wenn
die Montagne im Parlamente ſiegen wollte, durfte ſie nicht zu den Waffen
rufen. Wenn ſie im Parlamente zu den Waffen rief, durfte ſie ſich auf der
Straße nicht parlamentariſch verhalten. Wenn die friedliche Demonſtration
ernſt gemeint war, ſo war es albern, nicht vorherzuſehn, daß ſie kriegeriſch
empfangen werden würde. Wenn es auf den wirklichen Kampf abgeſehn war,
ſo war es originell, die Waffen abzulegen, mit denen er geführt werden mußte.
Aber die revolutionären Drohungen der Kleinbürger und ihrer demokratiſchen
Vertreter ſind bloße Einſchüchterungsverſuche des Gegners. Und wenn ſie
ſich in eine Sackgaſſe verrannt, wenn ſie ſich hinlänglich kompromittirt haben,
um zur Ausführung ihrer Drohungen gezwungen zu ſein, ſo geſchieht es in
einer zweideutigen Weiſe, die nichts mehr vermeidet als die Mittel zum Zwecke
und nach Vorwänden zum Unterliegen haſcht. Die ſchmetternde Ouverture,
die den Kampf verkündete, verliert ſich in ein kleinlautes Knurren, ſobald er
beginnen ſoll, die Schauſpieler hören auf ſich au sérieux zu nehmen und die
Handlung fällt platt zuſammen, wie ein luftgefüllter Ballon, den man mit
einer Nadel pickt.

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täuſcht ſich leichtſinniger über die Situation. Wenn ein Theil der Armee für

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[31/0043] Das Gros der Montagne hatte ſeine Avantgarde im Stiche gelaſſen, in¬ dem es ihrer Proklamation die Unterſchriften verweigerte. Die Preſſe war deſertirt, indem nur zwei Journale das Pronunziamento zu veröffentlichen wagten. Die Kleinbürger verriethen ihre Repräſentanten, indem die Natio¬ nalgarden ausblieben oder wo ſie erſchienen, den Barrikadenbau verhinderten. Die Repräſentanten hatten die Kleinbürger dupirt, indem die angeblichen Affiliirten von der Armee nirgends zu erblicken waren. Endlich, ſtatt von ihm Kraftzuſchuß zu gewinnen, hatte die demokratiſche Partei das Proleta¬ riat mit ihrer eignen Schwäche angeſteckt, und, wie gewöhnlich bei demokra¬ tiſchen Hochthaten, hatten die Führer die Genugthuung, ihr „Volk“ der De¬ ſertion und das Volk die Genugthuung, ſeine Führer der Prellerei beſchuldigen zu können. Selten war eine Aktion mit größerem Geräuſch verkündet worden, als der bevorſtehende Feldzug der Montagne, ſelten ein Ereigniß mit mehr Sicher¬ heit und länger vorher austrompetet, als der unvermeidliche Sieg der Demo¬ kratie. Ganz gewiß: die Demokraten glauben an die Poſaunen, vor deren Stößen die Mauern Jericho's einſtürzten. Und ſo oft ſie den Wällen des Despotismus gegenüberſtehn, ſuchen ſie das Wunder nachzumachen. Wenn die Montagne im Parlamente ſiegen wollte, durfte ſie nicht zu den Waffen rufen. Wenn ſie im Parlamente zu den Waffen rief, durfte ſie ſich auf der Straße nicht parlamentariſch verhalten. Wenn die friedliche Demonſtration ernſt gemeint war, ſo war es albern, nicht vorherzuſehn, daß ſie kriegeriſch empfangen werden würde. Wenn es auf den wirklichen Kampf abgeſehn war, ſo war es originell, die Waffen abzulegen, mit denen er geführt werden mußte. Aber die revolutionären Drohungen der Kleinbürger und ihrer demokratiſchen Vertreter ſind bloße Einſchüchterungsverſuche des Gegners. Und wenn ſie ſich in eine Sackgaſſe verrannt, wenn ſie ſich hinlänglich kompromittirt haben, um zur Ausführung ihrer Drohungen gezwungen zu ſein, ſo geſchieht es in einer zweideutigen Weiſe, die nichts mehr vermeidet als die Mittel zum Zwecke und nach Vorwänden zum Unterliegen haſcht. Die ſchmetternde Ouverture, die den Kampf verkündete, verliert ſich in ein kleinlautes Knurren, ſobald er beginnen ſoll, die Schauſpieler hören auf ſich au sérieux zu nehmen und die Handlung fällt platt zuſammen, wie ein luftgefüllter Ballon, den man mit einer Nadel pickt. Keine Partei übertreibt ſich mehr ihre Mittel, als die demokratiſche, keine täuſcht ſich leichtſinniger über die Situation. Wenn ein Theil der Armee für

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/43>, abgerufen am 03.12.2024.