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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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armen Zeit verwandelte die Ordnungspartei diese Schlacht ohne Blutvergießen
in ein zweites Austerlitz. Tribüne und Presse priesen die Armee als die Macht
der Ordnung gegenüber den Volksmassen als der Ohnmacht der Anarchie, und
den Changarnier als das "Bollwerk der Gesellschaft". Mystifikation, an die
er schließlich selbst glaubte. Unter der Hand aber wurden die Korps, die zwei¬
deutig schienen, aus Paris verlegt, die Regimenter, deren Wahlen am demo¬
kratischsten ausgefallen waren, aus Frankreich nach Algier verbannt, die un¬
ruhigen Köpfe unter den Truppen in Strafabtheilungen verwiesen, endlich die
Absperrung der Presse von der Kaserne und der Kaserne von der bürgerlichen
Gesellschaft systematisch durchgeführt.

Wir sind hier bei dem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der
französischen Nationalgarde angelangt. 1830 hatte sie den Sturz der Re¬
stauration entschieden. Unter Louis Philipp mißglückte jede Emeute, worin
die Nationalgarde auf Seite der Truppen stand. Als sie in den Februar¬
tagen 1848 sich passiv gegen den Aufstand und zweideutig gegen Louis Phi¬
lipp zeigte, gab er sich verloren und war er verloren. So schlug die Ueber¬
zeugung Wurzel, daß die Revolution nicht ohne, und die Armee nicht gegen
die Nationalgarde siegen könne. Es war dies der Aberglaube der Armee an
die bürgerliche Allmacht. Die Junitage 1848, wo die gesammte National¬
garde mit den Linientruppen die Insurrektion niederwarf, hatten den Aber¬
glauben befestigt. Nach Bonaparte's Regierungsantritt sank die Stellung der
Nationalgarde einigermaßen durch die konstitutionswidrige Vereinigung ihres
Kommandos mit dem Kommando der ersten Militärdivision in der Person
Changarnier's.

Wie das Commando über die Nationalgarde hier als ein Attribut des
militärischen Oberbefehlshabers erschien, so sie selbst nur noch als Anhang der
Linientruppen. Am 13. Juni endlich wurde sie gebrochen: nicht nur durch ihre
theilweise Auflösung, die sich seit dieser Zeit periodisch an allen Punkten Frank¬
reichs wiederholte und nur Trümmer von ihr zurückließ. Die Demonstration
des 13. Juni war vor Allem eine Demonstration der demokratischen National¬
garden. Sie hatten zwar nicht ihre Waffen, wohl aber ihre Uniformen der
Armee gegenübergeführt, aber gerade in dieser Uniform saß der Talisman.
Die Armee überzeugte sich, daß diese Uniform ein wollener Lappen wie ein
andrer war. Der Zauber ging verloren. In den Junitagen 1848 waren
Bourgeoisie und Kleinbürgerthum als Nationalgarde mit der Armee gegen
das Proletariat vereinigt, am 13. Juni 1849 ließ die Bourgeoisie die klein¬

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armen Zeit verwandelte die Ordnungspartei dieſe Schlacht ohne Blutvergießen
in ein zweites Auſterlitz. Tribüne und Preſſe prieſen die Armee als die Macht
der Ordnung gegenüber den Volksmaſſen als der Ohnmacht der Anarchie, und
den Changarnier als das „Bollwerk der Geſellſchaft“. Myſtifikation, an die
er ſchließlich ſelbſt glaubte. Unter der Hand aber wurden die Korps, die zwei¬
deutig ſchienen, aus Paris verlegt, die Regimenter, deren Wahlen am demo¬
kratiſchſten ausgefallen waren, aus Frankreich nach Algier verbannt, die un¬
ruhigen Köpfe unter den Truppen in Strafabtheilungen verwieſen, endlich die
Abſperrung der Preſſe von der Kaſerne und der Kaſerne von der bürgerlichen
Geſellſchaft ſyſtematiſch durchgeführt.

Wir ſind hier bei dem entſcheidenden Wendepunkt in der Geſchichte der
franzöſiſchen Nationalgarde angelangt. 1830 hatte ſie den Sturz der Re¬
ſtauration entſchieden. Unter Louis Philipp mißglückte jede Emeute, worin
die Nationalgarde auf Seite der Truppen ſtand. Als ſie in den Februar¬
tagen 1848 ſich paſſiv gegen den Aufſtand und zweideutig gegen Louis Phi¬
lipp zeigte, gab er ſich verloren und war er verloren. So ſchlug die Ueber¬
zeugung Wurzel, daß die Revolution nicht ohne, und die Armee nicht gegen
die Nationalgarde ſiegen könne. Es war dies der Aberglaube der Armee an
die bürgerliche Allmacht. Die Junitage 1848, wo die geſammte National¬
garde mit den Linientruppen die Inſurrektion niederwarf, hatten den Aber¬
glauben befeſtigt. Nach Bonaparte's Regierungsantritt ſank die Stellung der
Nationalgarde einigermaßen durch die konſtitutionswidrige Vereinigung ihres
Kommandos mit dem Kommando der erſten Militärdiviſion in der Perſon
Changarnier's.

Wie das Commando über die Nationalgarde hier als ein Attribut des
militäriſchen Oberbefehlshabers erſchien, ſo ſie ſelbſt nur noch als Anhang der
Linientruppen. Am 13. Juni endlich wurde ſie gebrochen: nicht nur durch ihre
theilweiſe Auflöſung, die ſich ſeit dieſer Zeit periodiſch an allen Punkten Frank¬
reichs wiederholte und nur Trümmer von ihr zurückließ. Die Demonſtration
des 13. Juni war vor Allem eine Demonſtration der demokratiſchen National¬
garden. Sie hatten zwar nicht ihre Waffen, wohl aber ihre Uniformen der
Armee gegenübergeführt, aber gerade in dieſer Uniform ſaß der Talisman.
Die Armee überzeugte ſich, daß dieſe Uniform ein wollener Lappen wie ein
andrer war. Der Zauber ging verloren. In den Junitagen 1848 waren
Bourgeoiſie und Kleinbürgerthum als Nationalgarde mit der Armee gegen
das Proletariat vereinigt, am 13. Juni 1849 ließ die Bourgeoiſie die klein¬

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[35/0047] armen Zeit verwandelte die Ordnungspartei dieſe Schlacht ohne Blutvergießen in ein zweites Auſterlitz. Tribüne und Preſſe prieſen die Armee als die Macht der Ordnung gegenüber den Volksmaſſen als der Ohnmacht der Anarchie, und den Changarnier als das „Bollwerk der Geſellſchaft“. Myſtifikation, an die er ſchließlich ſelbſt glaubte. Unter der Hand aber wurden die Korps, die zwei¬ deutig ſchienen, aus Paris verlegt, die Regimenter, deren Wahlen am demo¬ kratiſchſten ausgefallen waren, aus Frankreich nach Algier verbannt, die un¬ ruhigen Köpfe unter den Truppen in Strafabtheilungen verwieſen, endlich die Abſperrung der Preſſe von der Kaſerne und der Kaſerne von der bürgerlichen Geſellſchaft ſyſtematiſch durchgeführt. Wir ſind hier bei dem entſcheidenden Wendepunkt in der Geſchichte der franzöſiſchen Nationalgarde angelangt. 1830 hatte ſie den Sturz der Re¬ ſtauration entſchieden. Unter Louis Philipp mißglückte jede Emeute, worin die Nationalgarde auf Seite der Truppen ſtand. Als ſie in den Februar¬ tagen 1848 ſich paſſiv gegen den Aufſtand und zweideutig gegen Louis Phi¬ lipp zeigte, gab er ſich verloren und war er verloren. So ſchlug die Ueber¬ zeugung Wurzel, daß die Revolution nicht ohne, und die Armee nicht gegen die Nationalgarde ſiegen könne. Es war dies der Aberglaube der Armee an die bürgerliche Allmacht. Die Junitage 1848, wo die geſammte National¬ garde mit den Linientruppen die Inſurrektion niederwarf, hatten den Aber¬ glauben befeſtigt. Nach Bonaparte's Regierungsantritt ſank die Stellung der Nationalgarde einigermaßen durch die konſtitutionswidrige Vereinigung ihres Kommandos mit dem Kommando der erſten Militärdiviſion in der Perſon Changarnier's. Wie das Commando über die Nationalgarde hier als ein Attribut des militäriſchen Oberbefehlshabers erſchien, ſo ſie ſelbſt nur noch als Anhang der Linientruppen. Am 13. Juni endlich wurde ſie gebrochen: nicht nur durch ihre theilweiſe Auflöſung, die ſich ſeit dieſer Zeit periodiſch an allen Punkten Frank¬ reichs wiederholte und nur Trümmer von ihr zurückließ. Die Demonſtration des 13. Juni war vor Allem eine Demonſtration der demokratiſchen National¬ garden. Sie hatten zwar nicht ihre Waffen, wohl aber ihre Uniformen der Armee gegenübergeführt, aber gerade in dieſer Uniform ſaß der Talisman. Die Armee überzeugte ſich, daß dieſe Uniform ein wollener Lappen wie ein andrer war. Der Zauber ging verloren. In den Junitagen 1848 waren Bourgeoiſie und Kleinbürgerthum als Nationalgarde mit der Armee gegen das Proletariat vereinigt, am 13. Juni 1849 ließ die Bourgeoiſie die klein¬ 3*

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/47>, abgerufen am 21.11.2024.