allem, was er wünscht. Durch Gold kann man sogar Seelen in das Para- dies gelangen lassen." (Columbus, im Brief aus Jamaica, 1503). Da dem Geld nicht anzusehn, was in es verwandelt ist, verwandelt sich alles, Waare oder nicht, in Geld. Alles wird verkäuflich und kaufbar. Die Circulation wird die grosse gesellschaftliche Retorte, worin alles hinein- fliegt, um als Geldkrystall wieder herauszukommen. Dieser Alchymie wider- stehen nicht einmal Heiligenknochen und noch viel weniger minder grobe res sacrosanctae, extra commercium hominum73). Wie im Geld aller qualitative Unterschied der Waaren ausgelöscht ist, löscht es seinerseits als radikaler Leveller alle Unterschiede aus74). Das Geld ist aber selbst Waare, ein äusserlich Ding, das Privateigenthum eines Jeden werden kann. Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson. Die antike Gesellschaft denuncirt es daher als die Scheidemünze ihrer ökonomischen und sittlichen Ordnung75). Die moderne Gesellschaft, die
73) Heinrich III., allerchristlichster König von Frankreich, raubt Klöstern u. s. w. ihre Reliquien, um sie zu versilbern. Man weiss, welche Rolle der Raub der delphischen Tempelschätze durch die Phokier in der griechischen Geschichte spielt. Dem Gott der Waaren dienten bei den Alten bekanntlich die Tempel zum Wohnsitz. Sie waren "heilige Banken". Den Phöniziern, einem Handelsvolke par excellence, galt Geld als die entäusserte Gestalt aller Dinge. Es war daher in der Ordnung, dass die Jungfrauen, die sich an den Festen der Liebesgöttin den Fremden hingaben, das zum Lohn empfangene Geldstück der Göttin opferten.
74)"Gold! yellow, glittering precious gold! Thus much of this, will make black white; foul, fair; Wrong, right; base, noble; old, young; coward, valiant . . . . . . . . . . What this, you gods! Why this Will lug your priests and servants from your sides; Pluck stout men's pillows from below their heads. This yellow slave Will knit and break religions; bless the accurs'd; Make the hoar leprosy ador'd; place thieves And give them title, knee and approbation, With senators of the bench; this is it, That makes the wappen'd widow wed again . . . . . . . . . . Come damned earth, Thou common whore of mankind." (Shakespeare, Timon of Athens.)
75)"Ouden gar anthropoisin oion arguros Kakon nomisma eblaste; touto kai poleis Porthei, tod'andras exanistesin domon. Tod' ekdidaskei kai parallassei phrenas Khrestas pros aiskhra anthropois ekhein, Kai pantos ergou dussebeian eidenai." (Sophocles, Antigone.)
allem, was er wünscht. Durch Gold kann man sogar Seelen in das Para- dies gelangen lassen.“ (Columbus, im Brief aus Jamaica, 1503). Da dem Geld nicht anzusehn, was in es verwandelt ist, verwandelt sich alles, Waare oder nicht, in Geld. Alles wird verkäuflich und kaufbar. Die Circulation wird die grosse gesellschaftliche Retorte, worin alles hinein- fliegt, um als Geldkrystall wieder herauszukommen. Dieser Alchymie wider- stehen nicht einmal Heiligenknochen und noch viel weniger minder grobe res sacrosanctae, extra commercium hominum73). Wie im Geld aller qualitative Unterschied der Waaren ausgelöscht ist, löscht es seinerseits als radikaler Leveller alle Unterschiede aus74). Das Geld ist aber selbst Waare, ein äusserlich Ding, das Privateigenthum eines Jeden werden kann. Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson. Die antike Gesellschaft denuncirt es daher als die Scheidemünze ihrer ökonomischen und sittlichen Ordnung75). Die moderne Gesellschaft, die
73) Heinrich III., allerchristlichster König von Frankreich, raubt Klöstern u. s. w. ihre Reliquien, um sie zu versilbern. Man weiss, welche Rolle der Raub der delphischen Tempelschätze durch die Phokier in der griechischen Geschichte spielt. Dem Gott der Waaren dienten bei den Alten bekanntlich die Tempel zum Wohnsitz. Sie waren „heilige Banken“. Den Phöniziern, einem Handelsvolke par excellence, galt Geld als die entäusserte Gestalt aller Dinge. Es war daher in der Ordnung, dass die Jungfrauen, die sich an den Festen der Liebesgöttin den Fremden hingaben, das zum Lohn empfangene Geldstück der Göttin opferten.
74)„Gold! yellow, glittering precious gold! Thus much of this, will make black white; foul, fair; Wrong, right; base, noble; old, young; coward, valiant . . . . . . . . . . What this, you gods! Why this Will lug your priests and servants from your sides; Pluck stout men’s pillows from below their heads. This yellow slave Will knit and break religions; bless the accurs’d; Make the hoar leprosy ador’d; place thieves And give them title, knee and approbation, With senators of the bench; this is it, That makes the wappen’d widow wed again . . . . . . . . . . Come damned earth, Thou common whore of mankind.“ (Shakespeare, Timon of Athens.)
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allem, was er wünscht. Durch Gold kann man sogar Seelen in das Para-
dies gelangen lassen.“ (Columbus, im Brief aus Jamaica, 1503). Da
dem Geld nicht anzusehn, was in es verwandelt ist, verwandelt sich alles,
Waare oder nicht, in Geld. Alles wird verkäuflich und kaufbar. Die
Circulation wird die grosse gesellschaftliche Retorte, worin alles hinein-
fliegt, um als Geldkrystall wieder herauszukommen. Dieser Alchymie wider-
stehen nicht einmal Heiligenknochen und noch viel weniger minder grobe
res sacrosanctae, extra commercium hominum 73). Wie im Geld aller
qualitative Unterschied der Waaren ausgelöscht ist, löscht es seinerseits
als radikaler Leveller alle Unterschiede aus 74). Das Geld ist aber selbst
Waare, ein äusserlich Ding, das Privateigenthum eines Jeden werden kann.
Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson.
Die antike Gesellschaft denuncirt es daher als die Scheidemünze ihrer
ökonomischen und sittlichen Ordnung 75). Die moderne Gesellschaft, die
73) Heinrich III., allerchristlichster König von Frankreich, raubt Klöstern
u. s. w. ihre Reliquien, um sie zu versilbern. Man weiss, welche Rolle der Raub
der delphischen Tempelschätze durch die Phokier in der griechischen Geschichte
spielt. Dem Gott der Waaren dienten bei den Alten bekanntlich die Tempel zum
Wohnsitz. Sie waren „heilige Banken“. Den Phöniziern, einem Handelsvolke par
excellence, galt Geld als die entäusserte Gestalt aller Dinge. Es war daher in der
Ordnung, dass die Jungfrauen, die sich an den Festen der Liebesgöttin den
Fremden hingaben, das zum Lohn empfangene Geldstück der Göttin opferten.
74) „Gold! yellow, glittering precious gold!
Thus much of this, will make black white; foul, fair;
Wrong, right; base, noble; old, young; coward, valiant
. . . . . . . . . . What this, you gods! Why this
Will lug your priests and servants from your sides;
Pluck stout men’s pillows from below their heads.
This yellow slave
Will knit and break religions; bless the accurs’d;
Make the hoar leprosy ador’d; place thieves
And give them title, knee and approbation,
With senators of the bench; this is it,
That makes the wappen’d widow wed again
. . . . . . . . . . Come damned earth,
Thou common whore of mankind.“
(Shakespeare, Timon of Athens.)
75) „Οὐδὲν γὰϱ ἀνϑϱώποισιν οἷον ἄϱγυϱος
Καϰὸν νόμισμα ἔβλαστε· τοῦτο ϰαὶ πόλεις
Ποϱϑεῖ, τόδ᾽ἄνδϱας ἐξανίστησιν δόμων.
Τόδ᾽ ἐϰδιδάσϰει ϰαὶ παϱαλλάσσει φϱένας
Χϱηστὰς πϱὸς αἰσχϱὰ ἀνϑϱώποις ἔχειν,
Καὶ παντὸς ἔϱγου δυσσέβειαν εἰδέναι.“
(Sophocles, Antigone.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/112>, abgerufen am 16.02.2025.
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