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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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zurück in dem der Baumwolle zugesetzten Werth von 3 sh., Werth für
Werth. Unser Freund, eben noch so kapitalübermüthig, nimmt plötzlich
die anspruchslose Haltung seines eignen Arbeiters an. Hat er nicht selbst
gearbeitet? nicht die Arbeit der Ueberwachung, der Oberaufsicht über
den Spinner verrichtet? Bildet diese seine Arbeit nicht auch Werth? Sein
eigner overlooker und sein manager zucken die Achseln. Unterdess hat
er aber bereits mit heitrem Lächeln seine alte Physiognomie wieder an-
genommen. Er foppte uns mit der ganzen Litanei. Er giebt keinen
Deut darum. Er überlässt diese und ähnliche faule Ausflüchte und hohle
Flausen den dafür eigens bezahlten Professoren der politischen Oekonomie.
Er selbst ist ein praktischer Mann, der zwar nicht immer bedenkt, was er
ausserhalb des Geschäfts sagt, aber stets weiss, was er im Geschäft thut.

Sehn wir näher zu. Der Tageswerth der Arbeitskraft be-
trug 3 sh., weil in ihr selbst ein halber Arbeitstag vergegenständlicht
ist, d. h. weil die täglich zur Produktion der Arbeitskraft nöthigen Lebens-
mittel einen halben Arbeitstag kosten. Aber die vergangene Arbeit, die
in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann,
ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei
ganz verschiedne Grössen. Die erstere bestimmt ihren Tauschwerth, die
andere bildet ihren Gebrauchswerth. Dass ein halber Arbeitstag
nöthig, um ihn während 24 Stunden am Leben zu erhalten, hindert den
Arbeiter keineswegs einen ganzen Tag zu arbeiten. Der Werth
der Arbeitskraft und ihre Verwerthung im Arbeitsprozess sind also
zwei verschiedne Grössen. Diese Werthdifferenz hatte der Kapita-
list im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft,
Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine conditio sine qua, weil Arbeit
in nützlicher Form verausgabt werden muss, um Werth zu bilden. Was aber
entschied, war der spezifische Gebrauchswerth dieser Waare,
Quelle von Tauschwerth zu sein und von mehr Tauschwerth als sie selbst
hat. Diess ist der spezifische Dienst, den der Kapitalist von ihr er-
wartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Waarenaus-
tausches gemäss. In der That, der Verkäufer der Arbeitskraft, wie der
Verkäufer jeder andern Waare, realisirtihren Tauschwerth und
veräussert ihren Gebrauchswerth. Er kann den einen nicht
erhalten, ohne den andern wegzugeben. Der Gebrauchswerth der Arbeits-
kraft, die Arbeit selbst, gehört eben so wenig ihrem Verkäufer, wie der

zurück in dem der Baumwolle zugesetzten Werth von 3 sh., Werth für
Werth. Unser Freund, eben noch so kapitalübermüthig, nimmt plötzlich
die anspruchslose Haltung seines eignen Arbeiters an. Hat er nicht selbst
gearbeitet? nicht die Arbeit der Ueberwachung, der Oberaufsicht über
den Spinner verrichtet? Bildet diese seine Arbeit nicht auch Werth? Sein
eigner overlooker und sein manager zucken die Achseln. Unterdess hat
er aber bereits mit heitrem Lächeln seine alte Physiognomie wieder an-
genommen. Er foppte uns mit der ganzen Litanei. Er giebt keinen
Deut darum. Er überlässt diese und ähnliche faule Ausflüchte und hohle
Flausen den dafür eigens bezahlten Professoren der politischen Oekonomie.
Er selbst ist ein praktischer Mann, der zwar nicht immer bedenkt, was er
ausserhalb des Geschäfts sagt, aber stets weiss, was er im Geschäft thut.

Sehn wir näher zu. Der Tageswerth der Arbeitskraft be-
trug 3 sh., weil in ihr selbst ein halber Arbeitstag vergegenständlicht
ist, d. h. weil die täglich zur Produktion der Arbeitskraft nöthigen Lebens-
mittel einen halben Arbeitstag kosten. Aber die vergangene Arbeit, die
in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann,
ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei
ganz verschiedne Grössen. Die erstere bestimmt ihren Tauschwerth, die
andere bildet ihren Gebrauchswerth. Dass ein halber Arbeitstag
nöthig, um ihn während 24 Stunden am Leben zu erhalten, hindert den
Arbeiter keineswegs einen ganzen Tag zu arbeiten. Der Werth
der Arbeitskraft und ihre Verwerthung im Arbeitsprozess sind also
zwei verschiedne Grössen. Diese Werthdifferenz hatte der Kapita-
list im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft,
Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine conditio sine qua, weil Arbeit
in nützlicher Form verausgabt werden muss, um Werth zu bilden. Was aber
entschied, war der spezifische Gebrauchswerth dieser Waare,
Quelle von Tauschwerth zu sein und von mehr Tauschwerth als sie selbst
hat. Diess ist der spezifische Dienst, den der Kapitalist von ihr er-
wartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Waarenaus-
tausches gemäss. In der That, der Verkäufer der Arbeitskraft, wie der
Verkäufer jeder andern Waare, realisirtihren Tauschwerth und
veräussert ihren Gebrauchswerth. Er kann den einen nicht
erhalten, ohne den andern wegzugeben. Der Gebrauchswerth der Arbeits-
kraft, die Arbeit selbst, gehört eben so wenig ihrem Verkäufer, wie der

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[159/0178] zurück in dem der Baumwolle zugesetzten Werth von 3 sh., Werth für Werth. Unser Freund, eben noch so kapitalübermüthig, nimmt plötzlich die anspruchslose Haltung seines eignen Arbeiters an. Hat er nicht selbst gearbeitet? nicht die Arbeit der Ueberwachung, der Oberaufsicht über den Spinner verrichtet? Bildet diese seine Arbeit nicht auch Werth? Sein eigner overlooker und sein manager zucken die Achseln. Unterdess hat er aber bereits mit heitrem Lächeln seine alte Physiognomie wieder an- genommen. Er foppte uns mit der ganzen Litanei. Er giebt keinen Deut darum. Er überlässt diese und ähnliche faule Ausflüchte und hohle Flausen den dafür eigens bezahlten Professoren der politischen Oekonomie. Er selbst ist ein praktischer Mann, der zwar nicht immer bedenkt, was er ausserhalb des Geschäfts sagt, aber stets weiss, was er im Geschäft thut. Sehn wir näher zu. Der Tageswerth der Arbeitskraft be- trug 3 sh., weil in ihr selbst ein halber Arbeitstag vergegenständlicht ist, d. h. weil die täglich zur Produktion der Arbeitskraft nöthigen Lebens- mittel einen halben Arbeitstag kosten. Aber die vergangene Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz verschiedne Grössen. Die erstere bestimmt ihren Tauschwerth, die andere bildet ihren Gebrauchswerth. Dass ein halber Arbeitstag nöthig, um ihn während 24 Stunden am Leben zu erhalten, hindert den Arbeiter keineswegs einen ganzen Tag zu arbeiten. Der Werth der Arbeitskraft und ihre Verwerthung im Arbeitsprozess sind also zwei verschiedne Grössen. Diese Werthdifferenz hatte der Kapita- list im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft, Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine conditio sine qua, weil Arbeit in nützlicher Form verausgabt werden muss, um Werth zu bilden. Was aber entschied, war der spezifische Gebrauchswerth dieser Waare, Quelle von Tauschwerth zu sein und von mehr Tauschwerth als sie selbst hat. Diess ist der spezifische Dienst, den der Kapitalist von ihr er- wartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Waarenaus- tausches gemäss. In der That, der Verkäufer der Arbeitskraft, wie der Verkäufer jeder andern Waare, realisirtihren Tauschwerth und veräussert ihren Gebrauchswerth. Er kann den einen nicht erhalten, ohne den andern wegzugeben. Der Gebrauchswerth der Arbeits- kraft, die Arbeit selbst, gehört eben so wenig ihrem Verkäufer, wie der

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/178>, abgerufen am 23.11.2024.