sem Bande eingeräumt. Eine Nation soll und kann von der an- deren lernen. Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist, -- und es ist der letzte Endzweck dieses Werks das ökonomi- sche Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen -- kann sie naturgemässe Entwicklungsphasen weder überspringen, noch wegdekretiren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern.
Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigenthümer zeichne ich kei- neswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökono- mischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andre kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen na- turgeschichtlichen Prozess auffasst, den Einzelnen ver- antwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er social bleibt, so sehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.
Auf dem Gebiet der politischen Oekonomie begegnet die freie wissenschaftliche Forschung nicht nur demselben Feinde, wie auf allen anderen Gebieten. Die eigenthümliche Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten, kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die eng- lische Hochkirche z. B. verzeiht eher den Angriff auf 30 von ihren 39 Glaubensartikeln als auf ihres Geldeinkommens. Heut- zutage ist der Atheismus selbst eine culpa levis, verglichen mit der Kritik überlieferter Eigenthumsverhältnisse. Jedoch ist hier ein Fortschritt unverkennbar. Ich verweise z. B. auf das in den letzten Wochen veröffentlichte Blaubuch: "Correspondence with Her Majesty's Missions Abroad, regarding In- dustrial Questions and Trade's Unions." Die auswär- tigen Vertreter der englischen Krone sprechen es hier mit dürren Worten aus, dass in Deutschland, Frankreich, kurz allen Kultur- staaten des europäischen Kontinents, eine Umwandlung der be-
sem Bande eingeräumt. Eine Nation soll und kann von der an- deren lernen. Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist, — und es ist der letzte Endzweck dieses Werks das ökonomi- sche Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen — kann sie naturgemässe Entwicklungsphasen weder überspringen, noch wegdekretiren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern.
Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigenthümer zeichne ich kei- neswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation ökono- mischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als jeder andre kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation als einen na- turgeschichtlichen Prozess auffasst, den Einzelnen ver- antwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er social bleibt, so sehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.
Auf dem Gebiet der politischen Oekonomie begegnet die freie wissenschaftliche Forschung nicht nur demselben Feinde, wie auf allen anderen Gebieten. Die eigenthümliche Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten, kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die eng- lische Hochkirche z. B. verzeiht eher den Angriff auf 30 von ihren 39 Glaubensartikeln als auf ihres Geldeinkommens. Heut- zutage ist der Atheismus selbst eine culpa levis, verglichen mit der Kritik überlieferter Eigenthumsverhältnisse. Jedoch ist hier ein Fortschritt unverkennbar. Ich verweise z. B. auf das in den letzten Wochen veröffentlichte Blaubuch: „Correspondence with Her Majesty’s Missions Abroad, regarding In- dustrial Questions and Trade’s Unions.“ Die auswär- tigen Vertreter der englischen Krone sprechen es hier mit dürren Worten aus, dass in Deutschland, Frankreich, kurz allen Kultur- staaten des europäischen Kontinents, eine Umwandlung der be-
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0018"n="XI"/>
sem Bande eingeräumt. Eine Nation soll und kann von der an-<lb/>
deren lernen. Auch wenn eine Gesellschaft <hirendition="#g">dem Naturgesetz<lb/>
ihrer Bewegung</hi> auf die Spur gekommen ist, — und es ist<lb/><hirendition="#g">der letzte Endzweck dieses Werks das ökonomi-<lb/>
sche Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft<lb/>
zu enthüllen</hi>— kann sie naturgemässe Entwicklungsphasen<lb/>
weder überspringen, noch wegdekretiren. Aber sie kann die<lb/>
Geburtswehen abkürzen und mildern.</p><lb/><p>Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse ein Wort. Die<lb/>
Gestalten von Kapitalist und Grundeigenthümer zeichne ich kei-<lb/>
neswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um <hirendition="#g">die<lb/>
Personen</hi> nur, soweit sie <hirendition="#g">die Personifikation ökono-<lb/>
mischer Kategorien sind, Träger von bestimmten<lb/>
Klassenverhältnissen und Interessen</hi>. Weniger als<lb/>
jeder andre kann mein Standpunkt, der die <hirendition="#g">Entwicklung der<lb/>
ökonomischen Gesellschaftsformation</hi> als einen <hirendition="#g">na-<lb/>
turgeschichtlichen Prozess</hi> auffasst, den Einzelnen ver-<lb/>
antwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er social<lb/>
bleibt, so sehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.</p><lb/><p>Auf dem Gebiet der politischen Oekonomie begegnet die<lb/><hirendition="#g">freie wissenschaftliche Forschung</hi> nicht nur demselben<lb/>
Feinde, wie auf allen anderen Gebieten. Die eigenthümliche<lb/>
Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten,<lb/>
kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen<lb/>
Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die eng-<lb/>
lische Hochkirche z. B. verzeiht eher den Angriff auf 30 von ihren<lb/>
39 Glaubensartikeln als auf <formulanotation="TeX">\frac{1}{39}</formula> ihres Geldeinkommens. Heut-<lb/>
zutage ist der Atheismus selbst eine culpa levis, verglichen mit<lb/>
der Kritik überlieferter Eigenthumsverhältnisse. Jedoch ist hier<lb/>
ein Fortschritt unverkennbar. Ich verweise z. B. auf das in den<lb/>
letzten Wochen veröffentlichte Blaubuch: „<hirendition="#g">Correspondence<lb/>
with Her Majesty’s Missions Abroad, regarding In-<lb/>
dustrial Questions and Trade’s Unions</hi>.“ Die auswär-<lb/>
tigen Vertreter der englischen Krone sprechen es hier mit dürren<lb/>
Worten aus, dass in Deutschland, Frankreich, kurz allen Kultur-<lb/>
staaten des europäischen Kontinents, eine Umwandlung der be-<lb/></p></div></front></text></TEI>
[XI/0018]
sem Bande eingeräumt. Eine Nation soll und kann von der an-
deren lernen. Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz
ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist, — und es ist
der letzte Endzweck dieses Werks das ökonomi-
sche Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft
zu enthüllen — kann sie naturgemässe Entwicklungsphasen
weder überspringen, noch wegdekretiren. Aber sie kann die
Geburtswehen abkürzen und mildern.
Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse ein Wort. Die
Gestalten von Kapitalist und Grundeigenthümer zeichne ich kei-
neswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die
Personen nur, soweit sie die Personifikation ökono-
mischer Kategorien sind, Träger von bestimmten
Klassenverhältnissen und Interessen. Weniger als
jeder andre kann mein Standpunkt, der die Entwicklung der
ökonomischen Gesellschaftsformation als einen na-
turgeschichtlichen Prozess auffasst, den Einzelnen ver-
antwortlich machen für Verhältnisse, deren Geschöpf er social
bleibt, so sehr er sich auch subjektiv über sie erheben mag.
Auf dem Gebiet der politischen Oekonomie begegnet die
freie wissenschaftliche Forschung nicht nur demselben
Feinde, wie auf allen anderen Gebieten. Die eigenthümliche
Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten,
kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen
Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die eng-
lische Hochkirche z. B. verzeiht eher den Angriff auf 30 von ihren
39 Glaubensartikeln als auf [FORMEL] ihres Geldeinkommens. Heut-
zutage ist der Atheismus selbst eine culpa levis, verglichen mit
der Kritik überlieferter Eigenthumsverhältnisse. Jedoch ist hier
ein Fortschritt unverkennbar. Ich verweise z. B. auf das in den
letzten Wochen veröffentlichte Blaubuch: „Correspondence
with Her Majesty’s Missions Abroad, regarding In-
dustrial Questions and Trade’s Unions.“ Die auswär-
tigen Vertreter der englischen Krone sprechen es hier mit dürren
Worten aus, dass in Deutschland, Frankreich, kurz allen Kultur-
staaten des europäischen Kontinents, eine Umwandlung der be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/18>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.