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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Arbeitstag solle beginnen um halb 6 Uhr Morgens und enden halb 9 Uhr
Abends, und innerhalb dieser Schranken, einer Periode von 15
Stunden
, solle es gesetzlich sein junge Personen (d. h. Personen zwi-
schen 13 und 18 Jahren
) zu irgend einer Zeit des Tages anzuwen-
den, immer vorausgesetzt, dass keine individuelle junge Person
mehr als 12 Stunden innerhalb Eines Tags arbeite
, mit
Ausnahme gewisser speziell vorgesehner Fälle". Die 6. Sektion des Akts
bestimmt, "dass im Laufe jedes Tags jeder solchen Person von beschränk-
ter Arbeitszeit mindestens 11/2 Stunden für Mahlzeiten eingeräumt werden
sollen". Die Anwendung von Kindern unter 9 Jahren, mit später
zu erwähnender Ausnahme, ward verboten, die Arbeit der Kinder von
9 bis 13 Jahren
auf 8 Stunden täglich beschränkt. Nacht-
arbeit
, d. h. nach diesem Gesetz, Arbeit zwischen halb 9 Uhr Abends
und halb 6 Uhr Morgens, ward verboten für alle Personen zwischen 9 und
18 Jahren.

Die Gesetzgeber waren so weit entfernt, die Freiheit des Kapi-
tals
in Aussaugung der erwachsenen Arbeitskraft, oder, wie sie es nann-
ten, "die Freiheit der Arbeit" antasten zu wollen, dass sie ein
eignes System ausheckten, um solcher haarsträubenden Konsequenz des
Fabrikakts vorzubeugen.

"Das grosse Uebel des Fabriksystems, wie es gegenwärtig einge-
richtet ist", heisst es im ersten Bericht des Centralraths der Kommission
vom 25. Juni 1833, "besteht darin, dass es die Nothwendigkeit schafft, die
Kinderarbeit zur äussersten Länge des Arbeitstags der Erwachsenen aus-
zudehnen. Das einzige Heilmittel für diess Uebel, ohne Beschrän-
kung der Arbeit der Erwachsenen, woraus ein Uebel ent-
springen würde grösser als das, dem vorgebeugt werden
soll
, scheint der Plan doppelte Reihen von Kindern zu verwenden". Unter
dem Namen Relaissystem ("System of Relays"; Relay heisst
im Englischen wie im Französischen: das Wechseln der Postpferde auf
verschiedenen Stationen) wurde daher dieser "Plan" ausgeführt, so dass
z. B. von halb 6 Uhr Morgens bis halb zwei Uhr Nachmittags eine Reihe
von Kindern zwischen 9 und 13 Jahren, von halb zwei Uhr Nachmittags
bis halb 9 Uhr Abend eine andre Reihe vorgespannt wird u. s. w.

Zur Belohnung dafür, dass die Herrn Fabrikanten alle während der
letzten 22 Jahre erlassnen Gesetze über Kinderarbeit aufs frechste ignorirt

Arbeitstag solle beginnen um halb 6 Uhr Morgens und enden halb 9 Uhr
Abends, und innerhalb dieser Schranken, einer Periode von 15
Stunden
, solle es gesetzlich sein junge Personen (d. h. Personen zwi-
schen 13 und 18 Jahren
) zu irgend einer Zeit des Tages anzuwen-
den, immer vorausgesetzt, dass keine individuelle junge Person
mehr als 12 Stunden innerhalb Eines Tags arbeite
, mit
Ausnahme gewisser speziell vorgesehner Fälle“. Die 6. Sektion des Akts
bestimmt, „dass im Laufe jedes Tags jeder solchen Person von beschränk-
ter Arbeitszeit mindestens 1½ Stunden für Mahlzeiten eingeräumt werden
sollen“. Die Anwendung von Kindern unter 9 Jahren, mit später
zu erwähnender Ausnahme, ward verboten, die Arbeit der Kinder von
9 bis 13 Jahren
auf 8 Stunden täglich beschränkt. Nacht-
arbeit
, d. h. nach diesem Gesetz, Arbeit zwischen halb 9 Uhr Abends
und halb 6 Uhr Morgens, ward verboten für alle Personen zwischen 9 und
18 Jahren.

Die Gesetzgeber waren so weit entfernt, die Freiheit des Kapi-
tals
in Aussaugung der erwachsenen Arbeitskraft, oder, wie sie es nann-
ten, „die Freiheit der Arbeit“ antasten zu wollen, dass sie ein
eignes System ausheckten, um solcher haarsträubenden Konsequenz des
Fabrikakts vorzubeugen.

„Das grosse Uebel des Fabriksystems, wie es gegenwärtig einge-
richtet ist“, heisst es im ersten Bericht des Centralraths der Kommission
vom 25. Juni 1833, „besteht darin, dass es die Nothwendigkeit schafft, die
Kinderarbeit zur äussersten Länge des Arbeitstags der Erwachsenen aus-
zudehnen. Das einzige Heilmittel für diess Uebel, ohne Beschrän-
kung der Arbeit der Erwachsenen, woraus ein Uebel ent-
springen würde grösser als das, dem vorgebeugt werden
soll
, scheint der Plan doppelte Reihen von Kindern zu verwenden“. Unter
dem Namen Relaissystem („System of Relays“; Relay heisst
im Englischen wie im Französischen: das Wechseln der Postpferde auf
verschiedenen Stationen) wurde daher dieser „Plan“ ausgeführt, so dass
z. B. von halb 6 Uhr Morgens bis halb zwei Uhr Nachmittags eine Reihe
von Kindern zwischen 9 und 13 Jahren, von halb zwei Uhr Nachmittags
bis halb 9 Uhr Abend eine andre Reihe vorgespannt wird u. s. w.

Zur Belohnung dafür, dass die Herrn Fabrikanten alle während der
letzten 22 Jahre erlassnen Gesetze über Kinderarbeit aufs frechste ignorirt

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[254/0273] Arbeitstag solle beginnen um halb 6 Uhr Morgens und enden halb 9 Uhr Abends, und innerhalb dieser Schranken, einer Periode von 15 Stunden, solle es gesetzlich sein junge Personen (d. h. Personen zwi- schen 13 und 18 Jahren) zu irgend einer Zeit des Tages anzuwen- den, immer vorausgesetzt, dass keine individuelle junge Person mehr als 12 Stunden innerhalb Eines Tags arbeite, mit Ausnahme gewisser speziell vorgesehner Fälle“. Die 6. Sektion des Akts bestimmt, „dass im Laufe jedes Tags jeder solchen Person von beschränk- ter Arbeitszeit mindestens 1½ Stunden für Mahlzeiten eingeräumt werden sollen“. Die Anwendung von Kindern unter 9 Jahren, mit später zu erwähnender Ausnahme, ward verboten, die Arbeit der Kinder von 9 bis 13 Jahren auf 8 Stunden täglich beschränkt. Nacht- arbeit, d. h. nach diesem Gesetz, Arbeit zwischen halb 9 Uhr Abends und halb 6 Uhr Morgens, ward verboten für alle Personen zwischen 9 und 18 Jahren. Die Gesetzgeber waren so weit entfernt, die Freiheit des Kapi- tals in Aussaugung der erwachsenen Arbeitskraft, oder, wie sie es nann- ten, „die Freiheit der Arbeit“ antasten zu wollen, dass sie ein eignes System ausheckten, um solcher haarsträubenden Konsequenz des Fabrikakts vorzubeugen. „Das grosse Uebel des Fabriksystems, wie es gegenwärtig einge- richtet ist“, heisst es im ersten Bericht des Centralraths der Kommission vom 25. Juni 1833, „besteht darin, dass es die Nothwendigkeit schafft, die Kinderarbeit zur äussersten Länge des Arbeitstags der Erwachsenen aus- zudehnen. Das einzige Heilmittel für diess Uebel, ohne Beschrän- kung der Arbeit der Erwachsenen, woraus ein Uebel ent- springen würde grösser als das, dem vorgebeugt werden soll, scheint der Plan doppelte Reihen von Kindern zu verwenden“. Unter dem Namen Relaissystem („System of Relays“; Relay heisst im Englischen wie im Französischen: das Wechseln der Postpferde auf verschiedenen Stationen) wurde daher dieser „Plan“ ausgeführt, so dass z. B. von halb 6 Uhr Morgens bis halb zwei Uhr Nachmittags eine Reihe von Kindern zwischen 9 und 13 Jahren, von halb zwei Uhr Nachmittags bis halb 9 Uhr Abend eine andre Reihe vorgespannt wird u. s. w. Zur Belohnung dafür, dass die Herrn Fabrikanten alle während der letzten 22 Jahre erlassnen Gesetze über Kinderarbeit aufs frechste ignorirt

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/273>, abgerufen am 22.11.2024.