Akt von 1833 trat in volle Wirkung. Er blieb unverändert bis Juni 1844.
Während des Decenniums, worin er erst theilweise, dann ganz die Fabrikarbeit regulirte, strotzen die officiellen Berichte der Fabrikinspek- toren von Klagen über die Unmöglichkeit seiner Ausführung. Da das Gesetz von 1833 es nämlich den Herrn vom Kapital freistellte in der fünfzehnstündigen Periode von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr Abends jede "junge Person" und "jedes Kind" zu irgend beliebiger Zeit die zwölf-, respektive 8stündige Arbeit beginnen, unterbrechen, enden zu las- sen, und ebenso den verschiednen Personen verschiedne Stunden der Mahlzeiten anzuweisen, fanden die Herrn bald ein neues "Re- laissystem" aus, wonach die Arbeitspferde nicht nach bestimmter Zeit Stationen wechselten, sondern an wechselnden Stationen stets wieder von neuem vorgespannt wurden. Wir verweilen nicht weiter bei der Schön- heit dieses Systems, da wir später darauf zurückkommen müssen. So viel ist aber auf den ersten Blick klar, dass es den ganzen Fabrikakt, nicht nur seinem Geist, sondern auch seinem Buchstaben nach aufhob. Wie sollten die Fabrikinspektoren, bei dieser komplizirten Buchführung über jedes ein- zelne Kind und jede junge Person, die gesetzlich bestimmte Arbeitszeit und die Gewährung der gesetzlichen Mahlzeiten erzwingen? In einem grossen Theil der Fabriken blühte der alte brutale Unfug bald wieder ungestraft auf. In einer Zusammenkunft mit dem Minister des Innern (1844) wiesen die Fabrikinspektoren die Unmöglichkeit aller Kontrole unter dem neu- ausgeheckten Relaissystem nach136). Unterdess hatten sich aber die Um- stände sehr geändert. Die Fabrikarbeiter, namentlich seit 1838, hatten die Zehnstundenbill zu ihrem ökonomischen, wie die Charter zu ihrem politischen Wahlruf gemacht. Ein Theil der Fabrikanten selbst, der den Fabrikbetrieb dem Ak von 1833 gemäss geregelt hatte, überwarf das Parlament mit Denkschriften über die unsittliche "Konkurrenz" der "falschen Brüder", denen grössere Frechheit oder glücklichere Lokalum- stände den Gesetzesbruch erlaubten. Zudem, wie sehr immerhin der ein- zelne Fabrikant der alten Raubgier den Zügel frei schiessen lassen mochte, die Wortführer und politischen Leiter der Fabrikantenklasse geboten eine veränderte Haltung und veränderte Sprache gegenüber den Arbeitern. Sie
136) "Rep. of Insp. of Fact. 31. October 1849", p. 6.
Akt von 1833 trat in volle Wirkung. Er blieb unverändert bis Juni 1844.
Während des Decenniums, worin er erst theilweise, dann ganz die Fabrikarbeit regulirte, strotzen die officiellen Berichte der Fabrikinspek- toren von Klagen über die Unmöglichkeit seiner Ausführung. Da das Gesetz von 1833 es nämlich den Herrn vom Kapital freistellte in der fünfzehnstündigen Periode von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr Abends jede „junge Person“ und „jedes Kind“ zu irgend beliebiger Zeit die zwölf-, respektive 8stündige Arbeit beginnen, unterbrechen, enden zu las- sen, und ebenso den verschiednen Personen verschiedne Stunden der Mahlzeiten anzuweisen, fanden die Herrn bald ein neues „Re- laissystem“ aus, wonach die Arbeitspferde nicht nach bestimmter Zeit Stationen wechselten, sondern an wechselnden Stationen stets wieder von neuem vorgespannt wurden. Wir verweilen nicht weiter bei der Schön- heit dieses Systems, da wir später darauf zurückkommen müssen. So viel ist aber auf den ersten Blick klar, dass es den ganzen Fabrikakt, nicht nur seinem Geist, sondern auch seinem Buchstaben nach aufhob. Wie sollten die Fabrikinspektoren, bei dieser komplizirten Buchführung über jedes ein- zelne Kind und jede junge Person, die gesetzlich bestimmte Arbeitszeit und die Gewährung der gesetzlichen Mahlzeiten erzwingen? In einem grossen Theil der Fabriken blühte der alte brutale Unfug bald wieder ungestraft auf. In einer Zusammenkunft mit dem Minister des Innern (1844) wiesen die Fabrikinspektoren die Unmöglichkeit aller Kontrole unter dem neu- ausgeheckten Relaissystem nach136). Unterdess hatten sich aber die Um- stände sehr geändert. Die Fabrikarbeiter, namentlich seit 1838, hatten die Zehnstundenbill zu ihrem ökonomischen, wie die Charter zu ihrem politischen Wahlruf gemacht. Ein Theil der Fabrikanten selbst, der den Fabrikbetrieb dem Ak von 1833 gemäss geregelt hatte, überwarf das Parlament mit Denkschriften über die unsittliche „Konkurrenz“ der „falschen Brüder“, denen grössere Frechheit oder glücklichere Lokalum- stände den Gesetzesbruch erlaubten. Zudem, wie sehr immerhin der ein- zelne Fabrikant der alten Raubgier den Zügel frei schiessen lassen mochte, die Wortführer und politischen Leiter der Fabrikantenklasse geboten eine veränderte Haltung und veränderte Sprache gegenüber den Arbeitern. Sie
136) „Rep. of Insp. of Fact. 31. October 1849“, p. 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0275"n="256"/>
Akt von 1833 trat in volle Wirkung. Er blieb unverändert bis<lb/>
Juni 1844.</p><lb/><p>Während des Decenniums, worin er erst theilweise, dann ganz die<lb/>
Fabrikarbeit regulirte, strotzen die officiellen Berichte der Fabrikinspek-<lb/>
toren von Klagen über die Unmöglichkeit seiner Ausführung. Da das<lb/>
Gesetz von 1833 es nämlich den Herrn vom Kapital freistellte in der<lb/>
fünfzehnstündigen Periode von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr Abends<lb/>
jede „junge Person“ und „jedes Kind“ zu irgend beliebiger Zeit die<lb/>
zwölf-, respektive 8stündige Arbeit beginnen, unterbrechen, enden zu las-<lb/>
sen, und ebenso den verschiednen Personen <hirendition="#g">verschiedne Stunden<lb/>
der Mahlzeiten</hi> anzuweisen, fanden die Herrn bald ein neues „<hirendition="#g">Re-<lb/>
laissystem</hi>“ aus, wonach die Arbeitspferde nicht nach bestimmter Zeit<lb/>
Stationen wechselten, sondern an wechselnden Stationen stets wieder von<lb/>
neuem vorgespannt wurden. Wir verweilen nicht weiter bei der Schön-<lb/>
heit dieses Systems, da wir später darauf zurückkommen müssen. So viel<lb/>
ist aber auf den ersten Blick klar, dass es den ganzen Fabrikakt, nicht nur<lb/>
seinem Geist, sondern auch seinem Buchstaben nach aufhob. Wie sollten<lb/>
die Fabrikinspektoren, bei dieser komplizirten Buchführung über jedes ein-<lb/>
zelne Kind und jede junge Person, die gesetzlich bestimmte Arbeitszeit und<lb/>
die Gewährung der gesetzlichen Mahlzeiten erzwingen? In einem grossen<lb/>
Theil der Fabriken blühte der alte brutale Unfug bald wieder ungestraft<lb/>
auf. In einer Zusammenkunft mit dem Minister des Innern (1844) wiesen<lb/>
die Fabrikinspektoren die Unmöglichkeit aller Kontrole unter dem neu-<lb/>
ausgeheckten Relaissystem nach<noteplace="foot"n="136)">„<hirendition="#g">Rep. of Insp. of Fact</hi>. 31. <hirendition="#g">October</hi> 1849“, p. 6.</note>. Unterdess hatten sich aber die Um-<lb/>
stände sehr geändert. Die Fabrikarbeiter, namentlich seit 1838, hatten<lb/>
die <hirendition="#g">Zehnstundenbill</hi> zu ihrem ökonomischen, wie die <hirendition="#g">Charter</hi> zu<lb/>
ihrem politischen Wahlruf gemacht. Ein Theil der Fabrikanten selbst,<lb/>
der den Fabrikbetrieb dem Ak von 1833 gemäss geregelt hatte, überwarf<lb/>
das Parlament mit Denkschriften über die unsittliche „Konkurrenz“ der<lb/>„falschen Brüder“, denen grössere Frechheit oder glücklichere Lokalum-<lb/>
stände den Gesetzesbruch erlaubten. Zudem, wie sehr immerhin der ein-<lb/>
zelne Fabrikant der alten Raubgier den Zügel frei schiessen lassen mochte,<lb/>
die Wortführer und politischen Leiter der Fabrikantenklasse geboten eine<lb/>
veränderte Haltung und veränderte Sprache gegenüber den Arbeitern. Sie<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[256/0275]
Akt von 1833 trat in volle Wirkung. Er blieb unverändert bis
Juni 1844.
Während des Decenniums, worin er erst theilweise, dann ganz die
Fabrikarbeit regulirte, strotzen die officiellen Berichte der Fabrikinspek-
toren von Klagen über die Unmöglichkeit seiner Ausführung. Da das
Gesetz von 1833 es nämlich den Herrn vom Kapital freistellte in der
fünfzehnstündigen Periode von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr Abends
jede „junge Person“ und „jedes Kind“ zu irgend beliebiger Zeit die
zwölf-, respektive 8stündige Arbeit beginnen, unterbrechen, enden zu las-
sen, und ebenso den verschiednen Personen verschiedne Stunden
der Mahlzeiten anzuweisen, fanden die Herrn bald ein neues „Re-
laissystem“ aus, wonach die Arbeitspferde nicht nach bestimmter Zeit
Stationen wechselten, sondern an wechselnden Stationen stets wieder von
neuem vorgespannt wurden. Wir verweilen nicht weiter bei der Schön-
heit dieses Systems, da wir später darauf zurückkommen müssen. So viel
ist aber auf den ersten Blick klar, dass es den ganzen Fabrikakt, nicht nur
seinem Geist, sondern auch seinem Buchstaben nach aufhob. Wie sollten
die Fabrikinspektoren, bei dieser komplizirten Buchführung über jedes ein-
zelne Kind und jede junge Person, die gesetzlich bestimmte Arbeitszeit und
die Gewährung der gesetzlichen Mahlzeiten erzwingen? In einem grossen
Theil der Fabriken blühte der alte brutale Unfug bald wieder ungestraft
auf. In einer Zusammenkunft mit dem Minister des Innern (1844) wiesen
die Fabrikinspektoren die Unmöglichkeit aller Kontrole unter dem neu-
ausgeheckten Relaissystem nach 136). Unterdess hatten sich aber die Um-
stände sehr geändert. Die Fabrikarbeiter, namentlich seit 1838, hatten
die Zehnstundenbill zu ihrem ökonomischen, wie die Charter zu
ihrem politischen Wahlruf gemacht. Ein Theil der Fabrikanten selbst,
der den Fabrikbetrieb dem Ak von 1833 gemäss geregelt hatte, überwarf
das Parlament mit Denkschriften über die unsittliche „Konkurrenz“ der
„falschen Brüder“, denen grössere Frechheit oder glücklichere Lokalum-
stände den Gesetzesbruch erlaubten. Zudem, wie sehr immerhin der ein-
zelne Fabrikant der alten Raubgier den Zügel frei schiessen lassen mochte,
die Wortführer und politischen Leiter der Fabrikantenklasse geboten eine
veränderte Haltung und veränderte Sprache gegenüber den Arbeitern. Sie
136) „Rep. of Insp. of Fact. 31. October 1849“, p. 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/275>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.