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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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grosse, allgemeine Charakterzüge, denn abstrakt strenge Grenzlinien schei-
den ebensowenig die Epochen der Gesellschafts- wie die der Erdge-
schichte.

Mathematiker und Mechaniker -- und man findet diess hier und da
von englischen Oekonomen wiederholt -- erklären das Werkzeug für eine
einfache Maschine und die Maschine für ein zusammengesetztes Werkzeug.
Nach ihnen findet hier also kein wesentlicher Unterschied statt. In die-
sem Sinn heissen sogar die einfachen mechanischen Potenzen, wie Hebel,
schiefe Ebne, Schraube, Keil u. s. w. Maschinen87). Diess ist richtig
vom mathematischen Standpunkt, denn jede Maschine besteht aus jenen
einfachen Potenzen, wie immer verkleidet und kombinirt. Vom ökono-
mischen Standpunkt taugt die Erklärung nichts, denn ihr fehlt das Ent-
scheidende, das historische Element. Andrerseits sucht man den Unter-
schied zwischen Werkzeug und Maschine darin, dass beim Werkzeug
der Mensch die Bewegungskraft, bei der Maschine eine von der mensch-
lichen verschiedne Naturkraft, wie Thier, Wasser, Wind u. s. w.88)
Danach wäre ein mit Ochsen bespannter Pflug, der den verschiedensten
Produktionsepochen angehört, eine Maschine, Claussen's Circular Loom, der,
von der Hand eines einzigen Arbeiters bewegt, 96,000 Maschen in einer
Minute verfertigt, ein blosses Werkzeug. Ja, derselbe loom wäre Werk-
zeug, wenn mit der Hand, und Maschine, wenn mit Dampf bewegt. Da
die Anwendung von Thierkraft eine der ältesten Erfindungen der Mensch-
heit, ginge in der That die Maschinenproduktion der Handwerksproduktion
voraus. Als John Wyalt 1735 seine Spinnmaschine und mit ihr die
industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts ankündigte, erwähnte er mit
keinem Wort, dass statt eines Menschen ein Esel die Maschine treibe, und

87) Sieh z. B. "Hutton's Course of Mathematics".
88) "Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich denn auch eine scharfe Grenze
zwischen Werkzeug und Maschine ziehen: Spaten, Hammer, Meisel u. s. w.,
Hebel- und Schraubenwerke, für welche, mögen sie übrigens noch so künstlich
sein, der Mensch die bewegende Kraft ist ... diess alles fällt unter den Begriff
des Werkzeugs; während der Pflug mit der ihn bewegenden Thierkraft, Wind-
u. s. w. Mühlen zu den Maschinen zu zählen sind." (Wilhelm Schulz:
"Die Bewegung der Produktion. Zürich 1843", p. 38.) Eine in
mancher Hinsicht lobenswerthe Schrift.

grosse, allgemeine Charakterzüge, denn abstrakt strenge Grenzlinien schei-
den ebensowenig die Epochen der Gesellschafts- wie die der Erdge-
schichte.

Mathematiker und Mechaniker — und man findet diess hier und da
von englischen Oekonomen wiederholt — erklären das Werkzeug für eine
einfache Maschine und die Maschine für ein zusammengesetztes Werkzeug.
Nach ihnen findet hier also kein wesentlicher Unterschied statt. In die-
sem Sinn heissen sogar die einfachen mechanischen Potenzen, wie Hebel,
schiefe Ebne, Schraube, Keil u. s. w. Maschinen87). Diess ist richtig
vom mathematischen Standpunkt, denn jede Maschine besteht aus jenen
einfachen Potenzen, wie immer verkleidet und kombinirt. Vom ökono-
mischen Standpunkt taugt die Erklärung nichts, denn ihr fehlt das Ent-
scheidende, das historische Element. Andrerseits sucht man den Unter-
schied zwischen Werkzeug und Maschine darin, dass beim Werkzeug
der Mensch die Bewegungskraft, bei der Maschine eine von der mensch-
lichen verschiedne Naturkraft, wie Thier, Wasser, Wind u. s. w.88)
Danach wäre ein mit Ochsen bespannter Pflug, der den verschiedensten
Produktionsepochen angehört, eine Maschine, Claussen’s Circular Loom, der,
von der Hand eines einzigen Arbeiters bewegt, 96,000 Maschen in einer
Minute verfertigt, ein blosses Werkzeug. Ja, derselbe loom wäre Werk-
zeug, wenn mit der Hand, und Maschine, wenn mit Dampf bewegt. Da
die Anwendung von Thierkraft eine der ältesten Erfindungen der Mensch-
heit, ginge in der That die Maschinenproduktion der Handwerksproduktion
voraus. Als John Wyalt 1735 seine Spinnmaschine und mit ihr die
industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts ankündigte, erwähnte er mit
keinem Wort, dass statt eines Menschen ein Esel die Maschine treibe, und

87) Sieh z. B. „Hutton’s Course of Mathematics“.
88) „Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich denn auch eine scharfe Grenze
zwischen Werkzeug und Maschine ziehen: Spaten, Hammer, Meisel u. s. w.,
Hebel- und Schraubenwerke, für welche, mögen sie übrigens noch so künstlich
sein, der Mensch die bewegende Kraft ist … diess alles fällt unter den Begriff
des Werkzeugs; während der Pflug mit der ihn bewegenden Thierkraft, Wind-
u. s. w. Mühlen zu den Maschinen zu zählen sind.“ (Wilhelm Schulz:
Die Bewegung der Produktion. Zürich 1843“, p. 38.) Eine in
mancher Hinsicht lobenswerthe Schrift.
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[356/0375] grosse, allgemeine Charakterzüge, denn abstrakt strenge Grenzlinien schei- den ebensowenig die Epochen der Gesellschafts- wie die der Erdge- schichte. Mathematiker und Mechaniker — und man findet diess hier und da von englischen Oekonomen wiederholt — erklären das Werkzeug für eine einfache Maschine und die Maschine für ein zusammengesetztes Werkzeug. Nach ihnen findet hier also kein wesentlicher Unterschied statt. In die- sem Sinn heissen sogar die einfachen mechanischen Potenzen, wie Hebel, schiefe Ebne, Schraube, Keil u. s. w. Maschinen 87). Diess ist richtig vom mathematischen Standpunkt, denn jede Maschine besteht aus jenen einfachen Potenzen, wie immer verkleidet und kombinirt. Vom ökono- mischen Standpunkt taugt die Erklärung nichts, denn ihr fehlt das Ent- scheidende, das historische Element. Andrerseits sucht man den Unter- schied zwischen Werkzeug und Maschine darin, dass beim Werkzeug der Mensch die Bewegungskraft, bei der Maschine eine von der mensch- lichen verschiedne Naturkraft, wie Thier, Wasser, Wind u. s. w. 88) Danach wäre ein mit Ochsen bespannter Pflug, der den verschiedensten Produktionsepochen angehört, eine Maschine, Claussen’s Circular Loom, der, von der Hand eines einzigen Arbeiters bewegt, 96,000 Maschen in einer Minute verfertigt, ein blosses Werkzeug. Ja, derselbe loom wäre Werk- zeug, wenn mit der Hand, und Maschine, wenn mit Dampf bewegt. Da die Anwendung von Thierkraft eine der ältesten Erfindungen der Mensch- heit, ginge in der That die Maschinenproduktion der Handwerksproduktion voraus. Als John Wyalt 1735 seine Spinnmaschine und mit ihr die industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts ankündigte, erwähnte er mit keinem Wort, dass statt eines Menschen ein Esel die Maschine treibe, und 87) Sieh z. B. „Hutton’s Course of Mathematics“. 88) „Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich denn auch eine scharfe Grenze zwischen Werkzeug und Maschine ziehen: Spaten, Hammer, Meisel u. s. w., Hebel- und Schraubenwerke, für welche, mögen sie übrigens noch so künstlich sein, der Mensch die bewegende Kraft ist … diess alles fällt unter den Begriff des Werkzeugs; während der Pflug mit der ihn bewegenden Thierkraft, Wind- u. s. w. Mühlen zu den Maschinen zu zählen sind.“ (Wilhelm Schulz: „Die Bewegung der Produktion. Zürich 1843“, p. 38.) Eine in mancher Hinsicht lobenswerthe Schrift.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/375>, abgerufen am 22.11.2024.