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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Arbeit zu steigern, d. h. die zur Produktion einer Waare nöthige Arbeits-
zeit zu verkürzen
, wird sie als Träger des Kapitals, zunächst
in den unmittelbar von ihr ergriffenen Industrien, zum gewaltigsten Mittel
den Arbeitstag über jede naturgemässe Schranke hinaus zu verlän-
gern
. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, welche das
Kapital befähigen
, dieser seiner beständigen Tendenz die Zügel frei
schiessen zu lassen, andrerseits neue Motive zur Wetzung seines Heiss-
hungers nach fremder Arbeit.

Zunächst verselbstständigt sich in der Maschinerie die Bewegung und
Werkthätigkeit des Arbeitsmittels gegenüber dem Arbeiter. Es
wird an und für sich ein industrielles Perpetuum mobile, das ununterbrochen
fortproduciren würde, stiesse es nicht auf gewisse Naturschranken in seinen
menschlichen Gehilfen, ihre Körperschwäche und ihren Eigenwillen. Als
Kapital, und als solches besitzt der Automat im Kapitalisten Bewusst-
sein und Willen, ist es daher mit dem Trieb begeistet, die widerstrebende,
aber elastische menschliche Naturschranke auf den Minimalwiderstand ein-
zuzwängen143). Dieser ist ohnehin vermindert durch die scheinbare Leich-
tigkeit der Arbeit an der Maschine und das füg- und biegsamere Weiber-
und Kinderelement144).

Die Produktivität der Maschinerie steht, wie wir sahen, in umgekehr-

heirathete, und zur äussersten Anstrengung ihrer Kräfte gezwungen, um die noth-
wendigen Lebensmittel beizuschaffen. So werden die Tugenden, die eigenthüm-
lichen Tugenden des weiblichen Charakters zu seinem Schaden verkehrt, -- so
wird alles Sittliche und Zarte ihrer Natur zum Mittel ihrer Sklaverei und ihres
Leidens gemacht." ("Ten Hours' Factory Bill. The Speech of Lord
Ashley. Lond
. 1844", p. 20.)
143) "Since the general introduction of expensive machinery, human nature
has been forced far beyond its average strength." (Robert Owen: "Ob-
servations on the effects of the manufacturing system. 2nd ed.
Lond
. 1817.")
144) Die Engländer, die gern die erste empirische Erscheinungsform einer
Sache als ihren Grund betrachten, geben oft den grossen herodischen Kinderraub,
den das Kapital in den Anfängen des Fabriksystems an den Armen- und Waisen-
häusern verübte und wodurch es sich ein ganz willenloses Menschenmaterial
einverleibte, als Grund der langen Arbeitszeit in den Fabriken an. So z. B.
Fielden, selbst englischer Fabrikant: "It is evident that the long hours of work
were brought about by the circumstance of so great a number of destitute children
being supplied from different parts of the country, that the masters were indepen-

Arbeit zu steigern, d. h. die zur Produktion einer Waare nöthige Arbeits-
zeit zu verkürzen
, wird sie als Träger des Kapitals, zunächst
in den unmittelbar von ihr ergriffenen Industrien, zum gewaltigsten Mittel
den Arbeitstag über jede naturgemässe Schranke hinaus zu verlän-
gern
. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, welche das
Kapital befähigen
, dieser seiner beständigen Tendenz die Zügel frei
schiessen zu lassen, andrerseits neue Motive zur Wetzung seines Heiss-
hungers nach fremder Arbeit.

Zunächst verselbstständigt sich in der Maschinerie die Bewegung und
Werkthätigkeit des Arbeitsmittels gegenüber dem Arbeiter. Es
wird an und für sich ein industrielles Perpetuum mobile, das ununterbrochen
fortproduciren würde, stiesse es nicht auf gewisse Naturschranken in seinen
menschlichen Gehilfen, ihre Körperschwäche und ihren Eigenwillen. Als
Kapital, und als solches besitzt der Automat im Kapitalisten Bewusst-
sein und Willen, ist es daher mit dem Trieb begeistet, die widerstrebende,
aber elastische menschliche Naturschranke auf den Minimalwiderstand ein-
zuzwängen143). Dieser ist ohnehin vermindert durch die scheinbare Leich-
tigkeit der Arbeit an der Maschine und das füg- und biegsamere Weiber-
und Kinderelement144).

Die Produktivität der Maschinerie steht, wie wir sahen, in umgekehr-

heirathete, und zur äussersten Anstrengung ihrer Kräfte gezwungen, um die noth-
wendigen Lebensmittel beizuschaffen. So werden die Tugenden, die eigenthüm-
lichen Tugenden des weiblichen Charakters zu seinem Schaden verkehrt, — so
wird alles Sittliche und Zarte ihrer Natur zum Mittel ihrer Sklaverei und ihres
Leidens gemacht.“ („Ten Hours’ Factory Bill. The Speech of Lord
Ashley. Lond
. 1844“, p. 20.)
143) „Since the general introduction of expensive machinery, human nature
has been forced far beyond its average strength.“ (Robert Owen: „Ob-
servations on the effects of the manufacturing system. 2nd ed.
Lond
. 1817.“)
144) Die Engländer, die gern die erste empirische Erscheinungsform einer
Sache als ihren Grund betrachten, geben oft den grossen herodischen Kinderraub,
den das Kapital in den Anfängen des Fabriksystems an den Armen- und Waisen-
häusern verübte und wodurch es sich ein ganz willenloses Menschenmaterial
einverleibte, als Grund der langen Arbeitszeit in den Fabriken an. So z. B.
Fielden, selbst englischer Fabrikant: „It is evident that the long hours of work
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being supplied from different parts of the country, that the masters were indepen-
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[392/0411] Arbeit zu steigern, d. h. die zur Produktion einer Waare nöthige Arbeits- zeit zu verkürzen, wird sie als Träger des Kapitals, zunächst in den unmittelbar von ihr ergriffenen Industrien, zum gewaltigsten Mittel den Arbeitstag über jede naturgemässe Schranke hinaus zu verlän- gern. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, welche das Kapital befähigen, dieser seiner beständigen Tendenz die Zügel frei schiessen zu lassen, andrerseits neue Motive zur Wetzung seines Heiss- hungers nach fremder Arbeit. Zunächst verselbstständigt sich in der Maschinerie die Bewegung und Werkthätigkeit des Arbeitsmittels gegenüber dem Arbeiter. Es wird an und für sich ein industrielles Perpetuum mobile, das ununterbrochen fortproduciren würde, stiesse es nicht auf gewisse Naturschranken in seinen menschlichen Gehilfen, ihre Körperschwäche und ihren Eigenwillen. Als Kapital, und als solches besitzt der Automat im Kapitalisten Bewusst- sein und Willen, ist es daher mit dem Trieb begeistet, die widerstrebende, aber elastische menschliche Naturschranke auf den Minimalwiderstand ein- zuzwängen 143). Dieser ist ohnehin vermindert durch die scheinbare Leich- tigkeit der Arbeit an der Maschine und das füg- und biegsamere Weiber- und Kinderelement 144). Die Produktivität der Maschinerie steht, wie wir sahen, in umgekehr- 142) 143) „Since the general introduction of expensive machinery, human nature has been forced far beyond its average strength.“ (Robert Owen: „Ob- servations on the effects of the manufacturing system. 2nd ed. Lond. 1817.“) 144) Die Engländer, die gern die erste empirische Erscheinungsform einer Sache als ihren Grund betrachten, geben oft den grossen herodischen Kinderraub, den das Kapital in den Anfängen des Fabriksystems an den Armen- und Waisen- häusern verübte und wodurch es sich ein ganz willenloses Menschenmaterial einverleibte, als Grund der langen Arbeitszeit in den Fabriken an. So z. B. Fielden, selbst englischer Fabrikant: „It is evident that the long hours of work were brought about by the circumstance of so great a number of destitute children being supplied from different parts of the country, that the masters were indepen- 142) heirathete, und zur äussersten Anstrengung ihrer Kräfte gezwungen, um die noth- wendigen Lebensmittel beizuschaffen. So werden die Tugenden, die eigenthüm- lichen Tugenden des weiblichen Charakters zu seinem Schaden verkehrt, — so wird alles Sittliche und Zarte ihrer Natur zum Mittel ihrer Sklaverei und ihres Leidens gemacht.“ („Ten Hours’ Factory Bill. The Speech of Lord Ashley. Lond. 1844“, p. 20.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/411>, abgerufen am 22.11.2024.