längert wird. "Die Kinder ermüden allmälig und werden so rastlos wie Vögel gegen das Ende ihrer langen Gebundenheit an eine Beschäftigung, eintönig, für die Augen angreifend, erschöpfend durch die Uniformität der Körperhaltung. Es ist wahres Sklavenwerk." ("Their work like sla- very"259).) Wo Frauen mit ihren eigenen Kindern zu Hause, d. h. im modernen Sinn, in einem gemietheten Zimmer, häufig in einer Dachstube arbeiten, sind die Zustände wo möglich noch schlimmer. Diese Art Ar- beit wird 80 Meilen im Umkreis von Nottingham ausgegeben. Wenn das in den Waarenhäusern beschäftigte Kind sie 9 oder 10 Uhr Abends verlässt, giebt man ihm oft noch ein Bündel mit auf den Weg, um es zu Haus fertig zu machen. Der kapitalistische Pharisäer, vertreten durch einen seiner Lohnknechte, thut das natürlich mit der salbungsvollen Phrase: ,das sei für Mutter', weiss aber sehr wohl, dass das arme Kind aufsitzen und helfen muss260).
Die Industrie des Spitzenklöppelns wird hauptsächlich in zwei englischen Agrikulturdistrikten betrieben, dem Honiton Spitzen- distrikt, 20 bis 30 Meilen längs der Südküste von Devonshire, mit Einschluss weniger Plätze von Nord-Devon, und einem andern Distrikt, der grossen Theil der Grafschaften von Buckingham, Bedford, Northampton und die benachbarten Theile von Oxfordshire und Huntingdonshire um- fasst. Die cottages der Ackerbautaglöhner bilden durchschnittlich die Ar- beitslokale. Manche Manufakturherrn wenden über 3000 dieser Hausar- beiter an, hauptsächlich Kinder und junge Personen, ausschliesslich weib- lichen Geschlechts. Die beim Lace finishing beschriebenen Zustände wiederholen sich. Nur treten an die Stelle der "mistresses houses" die s. g. "lace schools" (Spitzenschulen), gehalten von armen Weibern in ihren Hütten. Vom 5. Jahr an, manchmal jünger, bis zum 12. oder 15. arbeiten die Kinder in diesen Schulen, während des ersten Jahres die Jüngsten von 4 bis 8 Stunden, später von 6 Uhr Morgens bis 8 und 10 Uhr Abends. "Die Zimmer sind im allgemeinen gewöhnliche Wohnstuben kleiner cottages, der Kamin zugestopft zur Abwehr von Luftzug, die In- sassen manchmal auch im Winter nur von ihrer eignen animalischen Wärme geheizt. In andern Fällen sind diese s. g. Schulzimmer kleinen Vorraths-
259) "Child. Empl. Comm. II. Report 1864", p. XIX, XX, XXI.
260) l. c. p. XXI, XXVI.
längert wird. „Die Kinder ermüden allmälig und werden so rastlos wie Vögel gegen das Ende ihrer langen Gebundenheit an eine Beschäftigung, eintönig, für die Augen angreifend, erschöpfend durch die Uniformität der Körperhaltung. Es ist wahres Sklavenwerk.“ („Their work like sla- very“259).) Wo Frauen mit ihren eigenen Kindern zu Hause, d. h. im modernen Sinn, in einem gemietheten Zimmer, häufig in einer Dachstube arbeiten, sind die Zustände wo möglich noch schlimmer. Diese Art Ar- beit wird 80 Meilen im Umkreis von Nottingham ausgegeben. Wenn das in den Waarenhäusern beschäftigte Kind sie 9 oder 10 Uhr Abends verlässt, giebt man ihm oft noch ein Bündel mit auf den Weg, um es zu Haus fertig zu machen. Der kapitalistische Pharisäer, vertreten durch einen seiner Lohnknechte, thut das natürlich mit der salbungsvollen Phrase: ‚das sei für Mutter‘, weiss aber sehr wohl, dass das arme Kind aufsitzen und helfen muss260).
Die Industrie des Spitzenklöppelns wird hauptsächlich in zwei englischen Agrikulturdistrikten betrieben, dem Honiton Spitzen- distrikt, 20 bis 30 Meilen längs der Südküste von Devonshire, mit Einschluss weniger Plätze von Nord-Devon, und einem andern Distrikt, der grossen Theil der Grafschaften von Buckingham, Bedford, Northampton und die benachbarten Theile von Oxfordshire und Huntingdonshire um- fasst. Die cottages der Ackerbautaglöhner bilden durchschnittlich die Ar- beitslokale. Manche Manufakturherrn wenden über 3000 dieser Hausar- beiter an, hauptsächlich Kinder und junge Personen, ausschliesslich weib- lichen Geschlechts. Die beim Lace finishing beschriebenen Zustände wiederholen sich. Nur treten an die Stelle der „mistresses houses“ die s. g. „lace schools“ (Spitzenschulen), gehalten von armen Weibern in ihren Hütten. Vom 5. Jahr an, manchmal jünger, bis zum 12. oder 15. arbeiten die Kinder in diesen Schulen, während des ersten Jahres die Jüngsten von 4 bis 8 Stunden, später von 6 Uhr Morgens bis 8 und 10 Uhr Abends. „Die Zimmer sind im allgemeinen gewöhnliche Wohnstuben kleiner cottages, der Kamin zugestopft zur Abwehr von Luftzug, die In- sassen manchmal auch im Winter nur von ihrer eignen animalischen Wärme geheizt. In andern Fällen sind diese s. g. Schulzimmer kleinen Vorraths-
259) „Child. Empl. Comm. II. Report 1864“, p. XIX, XX, XXI.
260) l. c. p. XXI, XXVI.
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längert wird. „Die Kinder ermüden allmälig und werden so rastlos wie
Vögel gegen das Ende ihrer langen Gebundenheit an eine Beschäftigung,
eintönig, für die Augen angreifend, erschöpfend durch die Uniformität der
Körperhaltung. Es ist wahres Sklavenwerk.“ („Their work like sla-
very“ 259).) Wo Frauen mit ihren eigenen Kindern zu Hause, d. h. im
modernen Sinn, in einem gemietheten Zimmer, häufig in einer Dachstube
arbeiten, sind die Zustände wo möglich noch schlimmer. Diese Art Ar-
beit wird 80 Meilen im Umkreis von Nottingham ausgegeben. Wenn das
in den Waarenhäusern beschäftigte Kind sie 9 oder 10 Uhr Abends
verlässt, giebt man ihm oft noch ein Bündel mit auf den Weg, um es zu
Haus fertig zu machen. Der kapitalistische Pharisäer, vertreten durch
einen seiner Lohnknechte, thut das natürlich mit der salbungsvollen Phrase:
‚das sei für Mutter‘, weiss aber sehr wohl, dass das arme Kind aufsitzen
und helfen muss 260).
Die Industrie des Spitzenklöppelns wird hauptsächlich in zwei
englischen Agrikulturdistrikten betrieben, dem Honiton Spitzen-
distrikt, 20 bis 30 Meilen längs der Südküste von Devonshire, mit
Einschluss weniger Plätze von Nord-Devon, und einem andern Distrikt, der
grossen Theil der Grafschaften von Buckingham, Bedford, Northampton
und die benachbarten Theile von Oxfordshire und Huntingdonshire um-
fasst. Die cottages der Ackerbautaglöhner bilden durchschnittlich die Ar-
beitslokale. Manche Manufakturherrn wenden über 3000 dieser Hausar-
beiter an, hauptsächlich Kinder und junge Personen, ausschliesslich weib-
lichen Geschlechts. Die beim Lace finishing beschriebenen Zustände
wiederholen sich. Nur treten an die Stelle der „mistresses houses“ die
s. g. „lace schools“ (Spitzenschulen), gehalten von armen Weibern
in ihren Hütten. Vom 5. Jahr an, manchmal jünger, bis zum 12. oder
15. arbeiten die Kinder in diesen Schulen, während des ersten Jahres die
Jüngsten von 4 bis 8 Stunden, später von 6 Uhr Morgens bis 8 und 10
Uhr Abends. „Die Zimmer sind im allgemeinen gewöhnliche Wohnstuben
kleiner cottages, der Kamin zugestopft zur Abwehr von Luftzug, die In-
sassen manchmal auch im Winter nur von ihrer eignen animalischen Wärme
geheizt. In andern Fällen sind diese s. g. Schulzimmer kleinen Vorraths-
259) „Child. Empl. Comm. II. Report 1864“, p. XIX, XX, XXI.
260) l. c. p. XXI, XXVI.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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