Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Rede auf dem sociologischen Kongress zu Edinburg, 1863. Er zeigt hier
auch u. a. nach, wie der einseitige, unproduktive und verlängerte Schul-
tag der Kinder der höheren und mittleren Klassen die Arbeit der Lehrer
nutzlos vermehrt, "während er Zeit, Gesundheit und Energie der Kinder
nicht nur fruchtlos, sondern absolut schädlich verwüstet"300). Aus dem
Fabriksystem, wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen
kann, entspross der Keim der Erziehung der Zukunft, welche für
alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit
Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Me-
thode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die
einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen.

Man hat gesehn, dass die grosse Industrie die manufakturmässige Thei-
lung der Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Annexation eines ganzen Menschen
an eine Detailoperation technologisch aufhebt, während zugleich die kapi-
talistische Form der grossen Industrie
jene Arbeitstheilung
noch monströser reproducirt, in der eigentlichen Fabrik durch Verwand-
lung des Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Theilmaschine,
überall sonst theils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und Ma-

"Ich bin durchaus überzeugt, dass das wahre Geheimniss der Produktion tüchtiger
Arbeiter gefunden ist in der Vereinigung der Arbeit mit Unterricht von der Periode
der Kindheit an. Natürlich muss die Arbeit weder zu anstrengend, noch widerlich
und ungesund sein. Ich wünschte, meine eignen Kinder hätten Arbeit und Spiel
zur Abwechslung von der Schule." ("Child. Empl. Comm." V. Rep.,
p. 82, n. 36.)
300) Senior l. c. p. 66. Wie die grosse Industrie, auf einem gewissen Höhe-
grad, durch die Umwälzung der materiellen Produktionsweise und der gesellschaft-
lichen Produktionsverhältnisse auch die Köpfe umwälzt, zeigt schlagend ein Ver-
gleich zwischen der Rede des N. W. Senior von 1863 und seiner Philippika gegen
das Fabrikgesetz von 1833, oder ein Vergleich der Ansichten des erwähnten Kon-
gresses mit der Thatsache, dass es in gewissen ländlichen Theilen Englands armen
Eltern immer noch bei Strafe des Hungertods verboten ist, ihre Kinder zu
erziehen. So z. B. berichtet Herr Snell als gewöhnliche Praxis in Sommersetshire,
dass wenn eine arme Person Pfarreihilfe anspricht, sie gezwungen wird, ihre Kinder
aus der Schule zu nehmen. So erzählt Herr Wollaston, Pfarrer zu Feltham, von
Fällen, wo alle Unterstützung gewissen Familien versagt wurde, "weil sie ihre
Jungen zur Schule schickten
"!

Rede auf dem sociologischen Kongress zu Edinburg, 1863. Er zeigt hier
auch u. a. nach, wie der einseitige, unproduktive und verlängerte Schul-
tag der Kinder der höheren und mittleren Klassen die Arbeit der Lehrer
nutzlos vermehrt, „während er Zeit, Gesundheit und Energie der Kinder
nicht nur fruchtlos, sondern absolut schädlich verwüstet“300). Aus dem
Fabriksystem, wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen
kann, entspross der Keim der Erziehung der Zukunft, welche für
alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit
Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Me-
thode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die
einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen.

Man hat gesehn, dass die grosse Industrie die manufakturmässige Thei-
lung der Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Annexation eines ganzen Menschen
an eine Detailoperation technologisch aufhebt, während zugleich die kapi-
talistische Form der grossen Industrie
jene Arbeitstheilung
noch monströser reproducirt, in der eigentlichen Fabrik durch Verwand-
lung des Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Theilmaschine,
überall sonst theils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und Ma-

„Ich bin durchaus überzeugt, dass das wahre Geheimniss der Produktion tüchtiger
Arbeiter gefunden ist in der Vereinigung der Arbeit mit Unterricht von der Periode
der Kindheit an. Natürlich muss die Arbeit weder zu anstrengend, noch widerlich
und ungesund sein. Ich wünschte, meine eignen Kinder hätten Arbeit und Spiel
zur Abwechslung von der Schule.“ („Child. Empl. Comm.“ V. Rep.,
p. 82, n. 36.)
300) Senior l. c. p. 66. Wie die grosse Industrie, auf einem gewissen Höhe-
grad, durch die Umwälzung der materiellen Produktionsweise und der gesellschaft-
lichen Produktionsverhältnisse auch die Köpfe umwälzt, zeigt schlagend ein Ver-
gleich zwischen der Rede des N. W. Senior von 1863 und seiner Philippika gegen
das Fabrikgesetz von 1833, oder ein Vergleich der Ansichten des erwähnten Kon-
gresses mit der Thatsache, dass es in gewissen ländlichen Theilen Englands armen
Eltern immer noch bei Strafe des Hungertods verboten ist, ihre Kinder zu
erziehen. So z. B. berichtet Herr Snell als gewöhnliche Praxis in Sommersetshire,
dass wenn eine arme Person Pfarreihilfe anspricht, sie gezwungen wird, ihre Kinder
aus der Schule zu nehmen. So erzählt Herr Wollaston, Pfarrer zu Feltham, von
Fällen, wo alle Unterstützung gewissen Familien versagt wurde, „weil sie ihre
Jungen zur Schule schickten
“!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0495" n="476"/>
Rede auf dem sociologischen Kongress zu Edinburg, 1863. Er zeigt hier<lb/>
auch u. a. nach, wie der einseitige, unproduktive und verlängerte Schul-<lb/>
tag der Kinder der höheren und mittleren Klassen die Arbeit der Lehrer<lb/>
nutzlos vermehrt, &#x201E;während er Zeit, Gesundheit und Energie der Kinder<lb/>
nicht nur fruchtlos, sondern absolut schädlich verwüstet&#x201C;<note place="foot" n="300)"><hi rendition="#g">Senior</hi> l. c. p. 66. Wie die grosse Industrie, auf einem gewissen Höhe-<lb/>
grad, durch die Umwälzung der materiellen Produktionsweise und der gesellschaft-<lb/>
lichen Produktionsverhältnisse auch die Köpfe umwälzt, zeigt schlagend ein Ver-<lb/>
gleich zwischen der Rede des N. W. Senior von 1863 und seiner Philippika gegen<lb/>
das Fabrikgesetz von 1833, oder ein Vergleich der Ansichten des erwähnten Kon-<lb/>
gresses mit der Thatsache, dass es in gewissen ländlichen Theilen Englands armen<lb/>
Eltern immer noch <hi rendition="#g">bei Strafe des Hungertods</hi> verboten ist, ihre Kinder zu<lb/>
erziehen. So z. B. berichtet Herr Snell als gewöhnliche Praxis in Sommersetshire,<lb/>
dass wenn eine arme Person Pfarreihilfe anspricht, sie gezwungen wird, ihre Kinder<lb/>
aus der Schule zu nehmen. So erzählt Herr Wollaston, Pfarrer zu Feltham, von<lb/>
Fällen, wo alle Unterstützung gewissen Familien versagt wurde, &#x201E;<hi rendition="#g">weil sie ihre<lb/>
Jungen zur Schule schickten</hi>&#x201C;!</note>. Aus dem<lb/><hi rendition="#g">Fabriksystem</hi>, wie man im Detail bei <hi rendition="#g">Robert Owen</hi> verfolgen<lb/>
kann, entspross der Keim der <hi rendition="#g">Erziehung der Zukunft</hi>, welche für<lb/><hi rendition="#g">alle</hi> Kinder über einem gewissen Alter <hi rendition="#g">produktive Arbeit</hi> mit<lb/><hi rendition="#g">Unterricht und Gymnastik</hi> verbinden wird, nicht nur als eine Me-<lb/>
thode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die<lb/>
einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen.</p><lb/>
            <p>Man hat gesehn, dass die grosse Industrie die manufakturmässige Thei-<lb/>
lung der Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Annexation eines ganzen Menschen<lb/>
an eine Detailoperation technologisch aufhebt, während zugleich die <hi rendition="#g">kapi-<lb/>
talistische Form der grossen Industrie</hi> jene Arbeitstheilung<lb/>
noch monströser reproducirt, in der eigentlichen Fabrik durch Verwand-<lb/>
lung des Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Theilmaschine,<lb/>
überall sonst theils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und Ma-<lb/><note xml:id="seg2pn_75_2" prev="#seg2pn_75_1" place="foot" n="299)">&#x201E;Ich bin durchaus überzeugt, dass das wahre Geheimniss der Produktion tüchtiger<lb/>
Arbeiter gefunden ist in der Vereinigung der Arbeit mit Unterricht von der Periode<lb/>
der Kindheit an. Natürlich muss die Arbeit weder zu anstrengend, noch widerlich<lb/>
und ungesund sein. Ich wünschte, meine eignen Kinder hätten Arbeit und Spiel<lb/>
zur Abwechslung von der Schule.&#x201C; (&#x201E;<hi rendition="#g">Child. Empl. Comm</hi>.&#x201C; V. <hi rendition="#g">Rep</hi>.,<lb/>
p. 82, n. 36.)</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[476/0495] Rede auf dem sociologischen Kongress zu Edinburg, 1863. Er zeigt hier auch u. a. nach, wie der einseitige, unproduktive und verlängerte Schul- tag der Kinder der höheren und mittleren Klassen die Arbeit der Lehrer nutzlos vermehrt, „während er Zeit, Gesundheit und Energie der Kinder nicht nur fruchtlos, sondern absolut schädlich verwüstet“ 300). Aus dem Fabriksystem, wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen kann, entspross der Keim der Erziehung der Zukunft, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Me- thode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen. Man hat gesehn, dass die grosse Industrie die manufakturmässige Thei- lung der Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Annexation eines ganzen Menschen an eine Detailoperation technologisch aufhebt, während zugleich die kapi- talistische Form der grossen Industrie jene Arbeitstheilung noch monströser reproducirt, in der eigentlichen Fabrik durch Verwand- lung des Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Theilmaschine, überall sonst theils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und Ma- 299) 300) Senior l. c. p. 66. Wie die grosse Industrie, auf einem gewissen Höhe- grad, durch die Umwälzung der materiellen Produktionsweise und der gesellschaft- lichen Produktionsverhältnisse auch die Köpfe umwälzt, zeigt schlagend ein Ver- gleich zwischen der Rede des N. W. Senior von 1863 und seiner Philippika gegen das Fabrikgesetz von 1833, oder ein Vergleich der Ansichten des erwähnten Kon- gresses mit der Thatsache, dass es in gewissen ländlichen Theilen Englands armen Eltern immer noch bei Strafe des Hungertods verboten ist, ihre Kinder zu erziehen. So z. B. berichtet Herr Snell als gewöhnliche Praxis in Sommersetshire, dass wenn eine arme Person Pfarreihilfe anspricht, sie gezwungen wird, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. So erzählt Herr Wollaston, Pfarrer zu Feltham, von Fällen, wo alle Unterstützung gewissen Familien versagt wurde, „weil sie ihre Jungen zur Schule schickten“! 299) „Ich bin durchaus überzeugt, dass das wahre Geheimniss der Produktion tüchtiger Arbeiter gefunden ist in der Vereinigung der Arbeit mit Unterricht von der Periode der Kindheit an. Natürlich muss die Arbeit weder zu anstrengend, noch widerlich und ungesund sein. Ich wünschte, meine eignen Kinder hätten Arbeit und Spiel zur Abwechslung von der Schule.“ („Child. Empl. Comm.“ V. Rep., p. 82, n. 36.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/495
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/495>, abgerufen am 28.09.2024.