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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Soweit also ist die klassische Oekonomie im Recht, wenn sie den Verzehr von
Surplusprodukt durch produktive Arbeiter statt durch unproduktive
als charakteristisches Phänomen des Accumulationsprozesses
betont. Aber hier beginnt auch ihr Irrthum. A. Smith hat es zur
Mode gemacht, die Accumulation als Konsumtion des Mehr-
produkts durch produktive Arbeiter
oder die Kapitalisi-
rung des Mehrwerths als dessen blossen Umsatz in Ar-
beitskraft
darzustellen. Hören wir z. B. Ricardo: "Man muss
verstehn, dass alle Produkte eines Landes konsumirt werden; aber es
macht den grössten Unterschied, den man denken kann, ob sie konsumirt
werden durch solche, die einen andern Werth reproduciren oder durch
solche, die ihn nicht reproduciren. Wenn wir sagen, dass Revenue erspart
und zum Kapital geschlagen wird, so meinen wir, dass der Theil der
Revenue, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschla-
gen, durch produktive statt durch unproduktive Arbei-
ter verzehrt wird
"30). Es giebt keinen grösseren Irrthum als der
dem A. Smith von Ricardo und allen Späteren nachgeplauderte, dass "der
Theil der Revenue
, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschlagen,
von produktiven Arbeitern verzehrt wird." Nach dieser
Vorstellung würde aller Mehrwerth, der in Kapital verwandelt wird, zu
variablem Kapital. Er theilt sich vielmehr, wie der ursprünglich
vorgeschossene Werth, in constantes Kapital und variables
Kapital
, in Produktionsmittel und Arbeitskraft. Arbeitskraft ist die
Form, worin das variable Kapital innerhalb des Produktionsprozesses
existirt. In diesem Prozess wird sie selbst vom Kapitalisten verzehrt. Sie
verzehrt durch ihre Funktion -- die Arbeit -- Produktionsmittel. Zugleich
verwandelt sich das im Ankauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in
Lebensmittel, die nicht von der "produktiven Arbeit", sondern vom
"produktiven Arbeiter" verzehrt werden. A. Smith gelangt durch
eine grundverkehrte Analyse zu dem abgeschmackten Resultat, dass wenn
auch jedes individuelle Kapital sich in constanten und variablen
Bestandtheil theilt, das gesellschaftliche Kapital sich in nur varia-
bles Kapital auflöst oder nur in Zahlung von Arbeitslohn verausgabt wird.
Z. B. ein Tuchfabrikant verwandle 2000 Pfd. St. in Kapital. Er legt

30) Ricardo l. c. p. 163 Note

Soweit also ist die klassische Oekonomie im Recht, wenn sie den Verzehr von
Surplusprodukt durch produktive Arbeiter statt durch unproduktive
als charakteristisches Phänomen des Accumulationsprozesses
betont. Aber hier beginnt auch ihr Irrthum. A. Smith hat es zur
Mode gemacht, die Accumulation als Konsumtion des Mehr-
produkts durch produktive Arbeiter
oder die Kapitalisi-
rung des Mehrwerths als dessen blossen Umsatz in Ar-
beitskraft
darzustellen. Hören wir z. B. Ricardo: „Man muss
verstehn, dass alle Produkte eines Landes konsumirt werden; aber es
macht den grössten Unterschied, den man denken kann, ob sie konsumirt
werden durch solche, die einen andern Werth reproduciren oder durch
solche, die ihn nicht reproduciren. Wenn wir sagen, dass Revenue erspart
und zum Kapital geschlagen wird, so meinen wir, dass der Theil der
Revenue, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschla-
gen, durch produktive statt durch unproduktive Arbei-
ter verzehrt wird
30). Es giebt keinen grösseren Irrthum als der
dem A. Smith von Ricardo und allen Späteren nachgeplauderte, dass „der
Theil der Revenue
, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschlagen,
von produktiven Arbeitern verzehrt wird.“ Nach dieser
Vorstellung würde aller Mehrwerth, der in Kapital verwandelt wird, zu
variablem Kapital. Er theilt sich vielmehr, wie der ursprünglich
vorgeschossene Werth, in constantes Kapital und variables
Kapital
, in Produktionsmittel und Arbeitskraft. Arbeitskraft ist die
Form, worin das variable Kapital innerhalb des Produktionsprozesses
existirt. In diesem Prozess wird sie selbst vom Kapitalisten verzehrt. Sie
verzehrt durch ihre Funktion — die Arbeit — Produktionsmittel. Zugleich
verwandelt sich das im Ankauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in
Lebensmittel, die nicht von der „produktiven Arbeit“, sondern vom
produktiven Arbeiter“ verzehrt werden. A. Smith gelangt durch
eine grundverkehrte Analyse zu dem abgeschmackten Resultat, dass wenn
auch jedes individuelle Kapital sich in constanten und variablen
Bestandtheil theilt, das gesellschaftliche Kapital sich in nur varia-
bles Kapital auflöst oder nur in Zahlung von Arbeitslohn verausgabt wird.
Z. B. ein Tuchfabrikant verwandle 2000 Pfd. St. in Kapital. Er legt

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[574/0593] Soweit also ist die klassische Oekonomie im Recht, wenn sie den Verzehr von Surplusprodukt durch produktive Arbeiter statt durch unproduktive als charakteristisches Phänomen des Accumulationsprozesses betont. Aber hier beginnt auch ihr Irrthum. A. Smith hat es zur Mode gemacht, die Accumulation als Konsumtion des Mehr- produkts durch produktive Arbeiter oder die Kapitalisi- rung des Mehrwerths als dessen blossen Umsatz in Ar- beitskraft darzustellen. Hören wir z. B. Ricardo: „Man muss verstehn, dass alle Produkte eines Landes konsumirt werden; aber es macht den grössten Unterschied, den man denken kann, ob sie konsumirt werden durch solche, die einen andern Werth reproduciren oder durch solche, die ihn nicht reproduciren. Wenn wir sagen, dass Revenue erspart und zum Kapital geschlagen wird, so meinen wir, dass der Theil der Revenue, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschla- gen, durch produktive statt durch unproduktive Arbei- ter verzehrt wird“ 30). Es giebt keinen grösseren Irrthum als der dem A. Smith von Ricardo und allen Späteren nachgeplauderte, dass „der Theil der Revenue, von dem es heisst, er sei zum Kapital geschlagen, von produktiven Arbeitern verzehrt wird.“ Nach dieser Vorstellung würde aller Mehrwerth, der in Kapital verwandelt wird, zu variablem Kapital. Er theilt sich vielmehr, wie der ursprünglich vorgeschossene Werth, in constantes Kapital und variables Kapital, in Produktionsmittel und Arbeitskraft. Arbeitskraft ist die Form, worin das variable Kapital innerhalb des Produktionsprozesses existirt. In diesem Prozess wird sie selbst vom Kapitalisten verzehrt. Sie verzehrt durch ihre Funktion — die Arbeit — Produktionsmittel. Zugleich verwandelt sich das im Ankauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in Lebensmittel, die nicht von der „produktiven Arbeit“, sondern vom „produktiven Arbeiter“ verzehrt werden. A. Smith gelangt durch eine grundverkehrte Analyse zu dem abgeschmackten Resultat, dass wenn auch jedes individuelle Kapital sich in constanten und variablen Bestandtheil theilt, das gesellschaftliche Kapital sich in nur varia- bles Kapital auflöst oder nur in Zahlung von Arbeitslohn verausgabt wird. Z. B. ein Tuchfabrikant verwandle 2000 Pfd. St. in Kapital. Er legt 30) Ricardo l. c. p. 163 Note

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/593>, abgerufen am 22.11.2024.