Die klassische Oekonomie begriff diesen Satz so wohl, dass A. Smith, Ricardo u. s. w., wie früher erwähnt, die Accumulation sogar fälschlich identificiren mit Konsum des ganzen kapitalisirten Theils des Mehrpro- dukts durch produktive Arbeiter, oder mit seiner Verwandlung in zuschüs- sige Lohnarbeiter. Schon 1696 sagt John Bellers: "Wenn Jemand 100,000 Acres hätte und eben so viele Pfunde Geld und eben so viel Vieh, was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter ausser selbst ein Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so desto mehr Arbeiter, desto mehr Reiche ... Die Arbeit des Armen ist die Mine des Reichen"72). So Bertrand de Mandeville im Anfang des 18. Jahrhunderts: "Wo das Eigenthum hinreichend geschützt ist, wäre es leichter ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde die Arbeit thun? ... Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung werth ist. Wenn hier und da Einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiss und Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgebracht war, so muss ihn keiner daran hindern: ja es ist unläugbar der weiseste Plan für jede Privatperson, für jede Privatfamilie in der Gesellschaft frugal zu sein, aber es ist das Interesse aller reichen Nationen, dass der grösste Theil der Armen nie unthätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen ... Diejenigen, die ihr Leben durch ihre tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt dienstlich zu sein ausser ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kuriren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleissig machen kann, ist ein mässiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmüthig oder verzweifelt, ein zu grosser insolent und faul ... Aus dem bisher Entwickelten folgt, dass in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reich- thum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Aus-
Urwald exploitirte. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, steht der wohl den Vergleich aus nicht nur mit dem des modernen Proletariers, sondern auch dem der syphilitischen und skrophulösen "Ehrbarkeit". Doch versteht Herr Wil- helm Roscher unter Urwald wahrscheinlich die stammverwandte Lüneburger Heide.
72) "As the Labourers make men rich, so the more Labourers, there will be the more rich men ... the Labour of the Poor being the Mines of the Rich." (John Bellers l. c. p. 2.)
Die klassische Oekonomie begriff diesen Satz so wohl, dass A. Smith, Ricardo u. s. w., wie früher erwähnt, die Accumulation sogar fälschlich identificiren mit Konsum des ganzen kapitalisirten Theils des Mehrpro- dukts durch produktive Arbeiter, oder mit seiner Verwandlung in zuschüs- sige Lohnarbeiter. Schon 1696 sagt John Bellers: „Wenn Jemand 100,000 Acres hätte und eben so viele Pfunde Geld und eben so viel Vieh, was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter ausser selbst ein Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so desto mehr Arbeiter, desto mehr Reiche … Die Arbeit des Armen ist die Mine des Reichen“72). So Bertrand de Mandeville im Anfang des 18. Jahrhunderts: „Wo das Eigenthum hinreichend geschützt ist, wäre es leichter ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde die Arbeit thun? … Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung werth ist. Wenn hier und da Einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiss und Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgebracht war, so muss ihn keiner daran hindern: ja es ist unläugbar der weiseste Plan für jede Privatperson, für jede Privatfamilie in der Gesellschaft frugal zu sein, aber es ist das Interesse aller reichen Nationen, dass der grösste Theil der Armen nie unthätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen … Diejenigen, die ihr Leben durch ihre tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt dienstlich zu sein ausser ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kuriren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleissig machen kann, ist ein mässiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmüthig oder verzweifelt, ein zu grosser insolent und faul … Aus dem bisher Entwickelten folgt, dass in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reich- thum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Aus-
Urwald exploitirte. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, steht der wohl den Vergleich aus nicht nur mit dem des modernen Proletariers, sondern auch dem der syphilitischen und skrophulösen „Ehrbarkeit“. Doch versteht Herr Wil- helm Roscher unter Urwald wahrscheinlich die stammverwandte Lüneburger Heide.
72) „As the Labourers make men rich, so the more Labourers, there will be the more rich men … the Labour of the Poor being the Mines of the Rich.“ (John Bellers l. c. p. 2.)
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identificiren mit Konsum des ganzen kapitalisirten Theils des Mehrpro-
dukts durch produktive Arbeiter, oder mit seiner Verwandlung in zuschüs-
sige Lohnarbeiter. Schon 1696 sagt John Bellers: „Wenn Jemand
100,000 Acres hätte und eben so viele Pfunde Geld und eben so viel Vieh,
was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter ausser selbst ein
Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so desto
mehr Arbeiter, desto mehr Reiche … Die Arbeit des Armen ist
die Mine des Reichen“ 72). So Bertrand de Mandeville im Anfang
des 18. Jahrhunderts: „Wo das Eigenthum hinreichend geschützt ist,
wäre es leichter ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde
die Arbeit thun? … Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren
sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung werth ist. Wenn hier
und da Einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiss und
Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgebracht war, so muss
ihn keiner daran hindern: ja es ist unläugbar der weiseste Plan für jede
Privatperson, für jede Privatfamilie in der Gesellschaft frugal zu sein, aber
es ist das Interesse aller reichen Nationen, dass der grösste
Theil der Armen nie unthätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was
sie einnehmen … Diejenigen, die ihr Leben durch ihre tägliche Arbeit
gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt dienstlich zu sein ausser ihren
Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu
kuriren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleissig machen
kann, ist ein mässiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach
seinem Temperament kleinmüthig oder verzweifelt, ein zu grosser insolent
und faul … Aus dem bisher Entwickelten folgt, dass in einer freien
Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reich-
thum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Aus-
71)
72) „As the Labourers make men rich, so the more Labourers, there will be
the more rich men … the Labour of the Poor being the Mines of the Rich.“
(John Bellers l. c. p. 2.)
71) Urwald exploitirte. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, steht der wohl den
Vergleich aus nicht nur mit dem des modernen Proletariers, sondern auch dem
der syphilitischen und skrophulösen „Ehrbarkeit“. Doch versteht Herr Wil-
helm Roscher unter Urwald wahrscheinlich die stammverwandte Lüneburger Heide.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/620>, abgerufen am 24.11.2024.
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