"Reichthum (Gebrauchswerth) ist ein Attribut des Menschen, Werth ein Attribut der Waaren. Ein Mensch oder ein Gemeinwesen ist reich; eine Perle oder Diamant ist werthvoll ... Eine Perle oder Diamant hat Werth als Perle oder Diamant30)." Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwerth in Perle oder Diamant entdeckt. Unsere Verfasser, die besondern Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber, dass der Gebrauchswerth der Sachen unabhängig von ihren sachlichen Eigenschaften, dagegen ihr Tauschwerth ihnen als Sachen zukömmt. Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, dass der Gebrauchs- werth der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisirt, also im unmittelbaren Verhältniss zwischen Ding und Mensch, ihr Werth umgekehrt nur im Austausch, d. h. in einem gesell- schaftlichen Prozess. Wer erinnert sich hier nicht des guten Dogberry, der den Nachtwächter Seacoal belehrt: "Ein gut aussehender Mann zu sein, ist eine Gabe der Umstände, aber Lesen und Schreiben zu können, kömmt von Natur31)".
Die Waare ist unmittelbare Einheit von Gebrauchs- werth und Tauschwerth, also zweier Entgegengesetzten. Sie ist daher ein unmittelbarer Widerspruch. Dieser Widerspruch muss sich entwickeln, sobald sie nicht wie bisher analytisch bald unter dem Gesichtspunkt des Gebrauchswerths, bald unter dem Gesichtspunkt des Tauschwerths betrachtet, sondern als ein Ganzes wirklich auf andere Waaren bezogen wird. Die wirkliche Beziehung der Waaren aufein- ander ist aber ihr Austauschprozess.
30) "Riches are the attribute of man, value is the attribute of commodities. A man or a community is rich, a pearl or a diamond is valuable ... A pearl or a diamond is valuable as a pearl or diamond." S. Bailey l. c. p. 165.
31) Der Verfasser der "Observations" und S. Bailey beschuldigen Ricardo, er habe den Tauschwerth aus einem nur Relativen in etwas Ab- solutes verwandelt. Umgekehrt. Er hat die Scheinrelativität, die diese Dinge, Diamant und Perlen z. B., als Tauschwerthe besitzen, auf das hinter dem Schein verborgene wahre Verhältniss reducirt, auf ihre Relativität als blosse Ausdrücke menschlicher Arbeit. Wenn die Ricardianer dem Bailey grob, aber nicht schlagend antworteten, so nur weil sie bei Ricardo selbst keinen Aufschluss über den inneren Zusammenhang zwischen Werth und Tausch- werth fanden.
„Reichthum (Gebrauchswerth) ist ein Attribut des Menschen, Werth ein Attribut der Waaren. Ein Mensch oder ein Gemeinwesen ist reich; eine Perle oder Diamant ist werthvoll … Eine Perle oder Diamant hat Werth als Perle oder Diamant30).“ Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwerth in Perle oder Diamant entdeckt. Unsere Verfasser, die besondern Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber, dass der Gebrauchswerth der Sachen unabhängig von ihren sachlichen Eigenschaften, dagegen ihr Tauschwerth ihnen als Sachen zukömmt. Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, dass der Gebrauchs- werth der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisirt, also im unmittelbaren Verhältniss zwischen Ding und Mensch, ihr Werth umgekehrt nur im Austausch, d. h. in einem gesell- schaftlichen Prozess. Wer erinnert sich hier nicht des guten Dogberry, der den Nachtwächter Seacoal belehrt: „Ein gut aussehender Mann zu sein, ist eine Gabe der Umstände, aber Lesen und Schreiben zu können, kömmt von Natur31)“.
Die Waare ist unmittelbare Einheit von Gebrauchs- werth und Tauschwerth, also zweier Entgegengesetzten. Sie ist daher ein unmittelbarer Widerspruch. Dieser Widerspruch muss sich entwickeln, sobald sie nicht wie bisher analytisch bald unter dem Gesichtspunkt des Gebrauchswerths, bald unter dem Gesichtspunkt des Tauschwerths betrachtet, sondern als ein Ganzes wirklich auf andere Waaren bezogen wird. Die wirkliche Beziehung der Waaren aufein- ander ist aber ihr Austauschprozess.
30) „Riches are the attribute of man, value is the attribute of commodities. A man or a community is rich, a pearl or a diamond is valuable … A pearl or a diamond is valuable as a pearl or diamond.“ S. Bailey l. c. p. 165.
31) Der Verfasser der „Observations“ und S. Bailey beschuldigen Ricardo, er habe den Tauschwerth aus einem nur Relativen in etwas Ab- solutes verwandelt. Umgekehrt. Er hat die Scheinrelativität, die diese Dinge, Diamant und Perlen z. B., als Tauschwerthe besitzen, auf das hinter dem Schein verborgene wahre Verhältniss reducirt, auf ihre Relativität als blosse Ausdrücke menschlicher Arbeit. Wenn die Ricardianer dem Bailey grob, aber nicht schlagend antworteten, so nur weil sie bei Ricardo selbst keinen Aufschluss über den inneren Zusammenhang zwischen Werth und Tausch- werth fanden.
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„Reichthum (Gebrauchswerth) ist ein Attribut des Menschen, Werth
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noch kein Chemiker Tauschwerth in Perle oder Diamant entdeckt. Unsere
Verfasser, die besondern Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber,
dass der Gebrauchswerth der Sachen unabhängig von ihren sachlichen
Eigenschaften, dagegen ihr Tauschwerth ihnen als Sachen zukömmt.
Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, dass der Gebrauchs-
werth der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisirt,
also im unmittelbaren Verhältniss zwischen Ding und Mensch, ihr
Werth umgekehrt nur im Austausch, d. h. in einem gesell-
schaftlichen Prozess. Wer erinnert sich hier nicht des guten
Dogberry, der den Nachtwächter Seacoal belehrt: „Ein gut aussehender
Mann zu sein, ist eine Gabe der Umstände, aber Lesen und Schreiben
zu können, kömmt von Natur 31)“.
Die Waare ist unmittelbare Einheit von Gebrauchs-
werth und Tauschwerth, also zweier Entgegengesetzten. Sie ist
daher ein unmittelbarer Widerspruch. Dieser Widerspruch muss
sich entwickeln, sobald sie nicht wie bisher analytisch bald unter dem
Gesichtspunkt des Gebrauchswerths, bald unter dem Gesichtspunkt des
Tauschwerths betrachtet, sondern als ein Ganzes wirklich auf andere
Waaren bezogen wird. Die wirkliche Beziehung der Waaren aufein-
ander ist aber ihr Austauschprozess.
30) „Riches are the attribute of man, value is the attribute of commodities.
A man or a community is rich, a pearl or a diamond is valuable … A pearl or
a diamond is valuable as a pearl or diamond.“ S. Bailey l. c.
p. 165.
31) Der Verfasser der „Observations“ und S. Bailey beschuldigen
Ricardo, er habe den Tauschwerth aus einem nur Relativen in etwas Ab-
solutes verwandelt. Umgekehrt. Er hat die Scheinrelativität, die
diese Dinge, Diamant und Perlen z. B., als Tauschwerthe besitzen, auf das hinter
dem Schein verborgene wahre Verhältniss reducirt, auf ihre Relativität
als blosse Ausdrücke menschlicher Arbeit. Wenn die Ricardianer dem Bailey
grob, aber nicht schlagend antworteten, so nur weil sie bei Ricardo selbst keinen
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/63>, abgerufen am 21.11.2024.
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