Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Theils, und vice versa, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten83)
und beschleunigt zugleich die Produktion der industriel-
len Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesell-
schaftlichen Accumulation entsprechenden Massstab
. Wie
wichtig diess Moment in der Bildung der relativen Surpluspopulation, beweist
z. B. England. Seine technischen Mittel zur "Ersparung" von Arbeit sind ko-
lossal. Dennoch, würde morgen allgemein die Arbeit auf ein rationelles
Mass beschränkt, und für die verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wie-
der entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandne
Arbeiterpopulation absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen
Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die grosse Mehrheit der jetzt
"unproduktiven" Arbeiter müsste in "produktive" verwandelt werden.


83) Selbst während der Baumwollnoth von 1863 findet man in einem Pam-
phlet der Baumwollspinner von Blackburn heftige Denunciation gegen die Ueber-
arbeit, die kraft des Fabrikgesetzes natürlich nur erwachsne männliche Arbeiter
traf. "The adult operatives at this mill have been asked to work from 12 to 13
hours per day, while there are hundreds who are compelled to be idle who would
willingly work partial time, in order to maintain their families and save their
brethren from a premature grave through being overworked." "Wir", heisst es
weiter, "möchten fragen, ob diese Praxis Ueberzeit zu arbeiten irgend wie erträg-
liche Verhältnisse zwischen Meistern und ,Dienern' möglich macht? Die Opfer
der Ueberarbeit fühlen die Unbill eben so sehr als die dadurch zu erzwungnem
Müssiggang Verdammten
(condemned to forced idleness). In diesem
Distrikt reicht das zu verrichtende Werk hin, um alle theilweis zu beschäftigen,
würde die Arbeit billig vertheilt. Wir verlangen nur ein Recht, indem wir die
Meister auffordern, allgemein nur kurze Zeit zu arbeiten, wenigstens so lange der
jetzige Stand der Dinge währt, statt einen Theil zu überarbeiten, während der
andre durch Arbeitsmangel gezwungen wird, von der Wohlthätigkeit seine Existenz
zu fristen." ("Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1863", p. 8.) -- Die
Wirkung einer relativen Surpluspopulation auf die beschäftigten Arbeiter begreift
der Verfasser des "Essay on Trade and Commerce" mit seinem gewohnten
unfehlbaren Bourgeoisinstinkt. "Eine andre Ursache der Faulenzerei (idleness)
in diesem Konigreich ist der Mangel einer hinreichenden Anzahlarbei-
tender Hände
. So oft durch irgend eine ungewöhnliche Nachfrage für Fabri-
kate die Arbeitsmasse ungenügend wird, fühlen die Arbeiter ihre eigne Wichtig-
keit und wollen sie ihren Meistern ebenfalls fühlbar machen; es ist erstaunlich;
aber so depravirt ist die Gesinnung dieser Kerle, dass in solchen Fällen Gruppen
von Arbeitern sich kombinirt haben, um ihre Meister dadurch in Verlegenheit zu
setzen, dass sie einen ganzen Tag durch faulenzten." ("Essay etc.", p. 27,
28.) Die Kerle verlangten nämlich Lohnerhöhung.

Theils, und vice versa, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten83)
und beschleunigt zugleich die Produktion der industriel-
len Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesell-
schaftlichen Accumulation entsprechenden Massstab
. Wie
wichtig diess Moment in der Bildung der relativen Surpluspopulation, beweist
z. B. England. Seine technischen Mittel zur „Ersparung“ von Arbeit sind ko-
lossal. Dennoch, würde morgen allgemein die Arbeit auf ein rationelles
Mass beschränkt, und für die verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wie-
der entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandne
Arbeiterpopulation absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen
Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die grosse Mehrheit der jetzt
„unproduktiven“ Arbeiter müsste in „produktive“ verwandelt werden.


83) Selbst während der Baumwollnoth von 1863 findet man in einem Pam-
phlet der Baumwollspinner von Blackburn heftige Denunciation gegen die Ueber-
arbeit, die kraft des Fabrikgesetzes natürlich nur erwachsne männliche Arbeiter
traf. „The adult operatives at this mill have been asked to work from 12 to 13
hours per day, while there are hundreds who are compelled to be idle who would
willingly work partial time, in order to maintain their families and save their
brethren from a premature grave through being overworked.“ „Wir“, heisst es
weiter, „möchten fragen, ob diese Praxis Ueberzeit zu arbeiten irgend wie erträg-
liche Verhältnisse zwischen Meistern und ‚Dienern‘ möglich macht? Die Opfer
der Ueberarbeit fühlen die Unbill eben so sehr als die dadurch zu erzwungnem
Müssiggang Verdammten
(condemned to forced idleness). In diesem
Distrikt reicht das zu verrichtende Werk hin, um alle theilweis zu beschäftigen,
würde die Arbeit billig vertheilt. Wir verlangen nur ein Recht, indem wir die
Meister auffordern, allgemein nur kurze Zeit zu arbeiten, wenigstens so lange der
jetzige Stand der Dinge währt, statt einen Theil zu überarbeiten, während der
andre durch Arbeitsmangel gezwungen wird, von der Wohlthätigkeit seine Existenz
zu fristen.“ („Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1863“, p. 8.) — Die
Wirkung einer relativen Surpluspopulation auf die beschäftigten Arbeiter begreift
der Verfasser des „Essay on Trade and Commerce“ mit seinem gewohnten
unfehlbaren Bourgeoisinstinkt. „Eine andre Ursache der Faulenzerei (idleness)
in diesem Konigreich ist der Mangel einer hinreichenden Anzahlarbei-
tender Hände
. So oft durch irgend eine ungewöhnliche Nachfrage für Fabri-
kate die Arbeitsmasse ungenügend wird, fühlen die Arbeiter ihre eigne Wichtig-
keit und wollen sie ihren Meistern ebenfalls fühlbar machen; es ist erstaunlich;
aber so depravirt ist die Gesinnung dieser Kerle, dass in solchen Fällen Gruppen
von Arbeitern sich kombinirt haben, um ihre Meister dadurch in Verlegenheit zu
setzen, dass sie einen ganzen Tag durch faulenzten.“ („Essay etc.“, p. 27,
28.) Die Kerle verlangten nämlich Lohnerhöhung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0642" n="623"/>
Theils, und vice versa, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten<note place="foot" n="83)">Selbst während der Baumwollnoth von 1863 findet man in einem Pam-<lb/>
phlet der Baumwollspinner von Blackburn heftige Denunciation gegen die Ueber-<lb/>
arbeit, die kraft des Fabrikgesetzes natürlich nur erwachsne männliche Arbeiter<lb/>
traf. &#x201E;The adult operatives at this mill have been asked to work from 12 to 13<lb/>
hours per day, while there are hundreds who are compelled to be idle who would<lb/>
willingly work partial time, in order to maintain their families and save their<lb/>
brethren from a premature grave through being overworked.&#x201C; &#x201E;Wir&#x201C;, heisst es<lb/>
weiter, &#x201E;möchten fragen, ob diese Praxis Ueberzeit zu arbeiten irgend wie erträg-<lb/>
liche Verhältnisse zwischen Meistern und &#x201A;Dienern&#x2018; möglich macht? Die Opfer<lb/>
der Ueberarbeit fühlen die Unbill eben so sehr als die dadurch <hi rendition="#g">zu erzwungnem<lb/>
Müssiggang Verdammten</hi> (condemned to forced idleness). In diesem<lb/>
Distrikt reicht das zu verrichtende Werk hin, um alle theilweis zu beschäftigen,<lb/>
würde die Arbeit billig vertheilt. Wir verlangen nur ein Recht, indem wir die<lb/>
Meister auffordern, allgemein nur kurze Zeit zu arbeiten, wenigstens so lange der<lb/>
jetzige Stand der Dinge währt, statt einen Theil zu überarbeiten, während der<lb/>
andre durch Arbeitsmangel gezwungen wird, von der Wohlthätigkeit seine Existenz<lb/>
zu fristen.&#x201C; (&#x201E;<hi rendition="#g">Reports of Insp. of Fact</hi>. 31. <hi rendition="#g">Oct</hi>. 1863&#x201C;, p. 8.) &#x2014; Die<lb/>
Wirkung einer relativen Surpluspopulation auf die beschäftigten Arbeiter begreift<lb/>
der Verfasser des &#x201E;<hi rendition="#g">Essay on Trade and Commerce</hi>&#x201C; mit seinem gewohnten<lb/>
unfehlbaren Bourgeoisinstinkt. &#x201E;Eine andre Ursache der Faulenzerei (idleness)<lb/>
in diesem Konigreich ist der <hi rendition="#g">Mangel einer hinreichenden Anzahlarbei-<lb/>
tender Hände</hi>. So oft durch irgend eine ungewöhnliche Nachfrage für Fabri-<lb/>
kate die Arbeitsmasse ungenügend wird, fühlen die Arbeiter ihre eigne Wichtig-<lb/>
keit und wollen sie ihren Meistern ebenfalls fühlbar machen; es ist erstaunlich;<lb/>
aber so depravirt ist die Gesinnung dieser Kerle, dass in solchen Fällen Gruppen<lb/>
von Arbeitern sich kombinirt haben, um ihre Meister dadurch in Verlegenheit zu<lb/>
setzen, dass sie einen ganzen Tag durch faulenzten.&#x201C; (&#x201E;<hi rendition="#g">Essay</hi> etc.&#x201C;, p. 27,<lb/>
28.) Die Kerle verlangten nämlich Lohnerhöhung.</note><lb/>
und <hi rendition="#g">beschleunigt zugleich die Produktion der industriel-<lb/>
len Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesell-<lb/>
schaftlichen Accumulation entsprechenden Massstab</hi>. Wie<lb/>
wichtig diess Moment in der Bildung der relativen Surpluspopulation, beweist<lb/>
z. B. England. Seine technischen Mittel zur &#x201E;Ersparung&#x201C; von Arbeit sind ko-<lb/>
lossal. Dennoch, würde morgen <hi rendition="#g">allgemein</hi> die Arbeit auf ein rationelles<lb/>
Mass beschränkt, und für die verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wie-<lb/>
der entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandne<lb/>
Arbeiterpopulation absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen<lb/>
Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die grosse Mehrheit der jetzt<lb/>
&#x201E;unproduktiven&#x201C; Arbeiter müsste in &#x201E;produktive&#x201C; verwandelt werden.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[623/0642] Theils, und vice versa, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten 83) und beschleunigt zugleich die Produktion der industriel- len Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesell- schaftlichen Accumulation entsprechenden Massstab. Wie wichtig diess Moment in der Bildung der relativen Surpluspopulation, beweist z. B. England. Seine technischen Mittel zur „Ersparung“ von Arbeit sind ko- lossal. Dennoch, würde morgen allgemein die Arbeit auf ein rationelles Mass beschränkt, und für die verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wie- der entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandne Arbeiterpopulation absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die grosse Mehrheit der jetzt „unproduktiven“ Arbeiter müsste in „produktive“ verwandelt werden. 83) Selbst während der Baumwollnoth von 1863 findet man in einem Pam- phlet der Baumwollspinner von Blackburn heftige Denunciation gegen die Ueber- arbeit, die kraft des Fabrikgesetzes natürlich nur erwachsne männliche Arbeiter traf. „The adult operatives at this mill have been asked to work from 12 to 13 hours per day, while there are hundreds who are compelled to be idle who would willingly work partial time, in order to maintain their families and save their brethren from a premature grave through being overworked.“ „Wir“, heisst es weiter, „möchten fragen, ob diese Praxis Ueberzeit zu arbeiten irgend wie erträg- liche Verhältnisse zwischen Meistern und ‚Dienern‘ möglich macht? Die Opfer der Ueberarbeit fühlen die Unbill eben so sehr als die dadurch zu erzwungnem Müssiggang Verdammten (condemned to forced idleness). In diesem Distrikt reicht das zu verrichtende Werk hin, um alle theilweis zu beschäftigen, würde die Arbeit billig vertheilt. Wir verlangen nur ein Recht, indem wir die Meister auffordern, allgemein nur kurze Zeit zu arbeiten, wenigstens so lange der jetzige Stand der Dinge währt, statt einen Theil zu überarbeiten, während der andre durch Arbeitsmangel gezwungen wird, von der Wohlthätigkeit seine Existenz zu fristen.“ („Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1863“, p. 8.) — Die Wirkung einer relativen Surpluspopulation auf die beschäftigten Arbeiter begreift der Verfasser des „Essay on Trade and Commerce“ mit seinem gewohnten unfehlbaren Bourgeoisinstinkt. „Eine andre Ursache der Faulenzerei (idleness) in diesem Konigreich ist der Mangel einer hinreichenden Anzahlarbei- tender Hände. So oft durch irgend eine ungewöhnliche Nachfrage für Fabri- kate die Arbeitsmasse ungenügend wird, fühlen die Arbeiter ihre eigne Wichtig- keit und wollen sie ihren Meistern ebenfalls fühlbar machen; es ist erstaunlich; aber so depravirt ist die Gesinnung dieser Kerle, dass in solchen Fällen Gruppen von Arbeitern sich kombinirt haben, um ihre Meister dadurch in Verlegenheit zu setzen, dass sie einen ganzen Tag durch faulenzten.“ („Essay etc.“, p. 27, 28.) Die Kerle verlangten nämlich Lohnerhöhung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/642
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/642>, abgerufen am 26.11.2024.