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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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lassenheit und obscönste Frechheit leihen dem Gang Flügel. Meist zahlt
der Gangmeister in einer Kneipe aus und kehrt dann wohl wankend,
rechts und links gestützt auf ein stämmiges Frauenmensch, an der Spitze
des Zugs heim, die Kinder und jungen Personen hinterher tollend, Spott-
und Zotenlieder singend. Auf dem Rückweg ist das, was Fourier ,Phane-
rogamie' nennt, an der Tagesordnung. Die Schwängerung dreizehn- und
vierzehnjähriger Mädchen durch ihre männlichen Altersgenossen ist häufig.
Die offenen Dörfer, welche das Kontingent des Gangs stellen, werden
Sodoms und Gomorrhas174) und liefern doppelt so viel unehliche Geburten
als der Rest des Königreichs. Was in dieser Schule gezüchtete Mädchen
als verheirathete Frauen in der Moralität leisten, ward schon früher ange-
deutet. Ihre Kinder, soweit sie selbe nicht durch Opium u. s. w. besei-
tigen, sind geborne Rekruten des Gangs.

Der Gang in seiner eben beschriebenen klassischen Form heisst
öffentlicher, gemeiner oder Wandergang (public, common or tramping
gang). Es giebt nämlich auch Privatgänge (private gangs). Sie
sind zusammengesetzt wie der Gemeingang, zählen aber weniger Köpfe
und arbeiten, statt unter dem Gangmeister, unter einem alten Bauern-
knecht, den der Pächter nicht besser zu verwenden weiss. Der Zigeuner-
humor verschwindet hier, aber nach allen Zeugenaussagen verschlechtern
sich Zahlung und Behandlung der Kinder.

Das Gangsystem, das sich seit den letzten Jahren beständig aus-
dehnt175), existirt offenbar nicht dem Gangmeister zu lieb. Es existirt zur
Bereicherung der grossen Pächter176), resp. Landlords177). Für den Päch-

174) "Die Hälfte der Mädchen von Bidford ist ruinirt worden durch den
Gang." l. c. Appendix, p. 6, n. 32.
175) "Das System hat sehr zugenommen in den letzten Jahren. In einigen
Plätzen ist es erst seit kurzem eingeführt, in andern, wo es älter, werden mehr und
jüngere Kinder in den Gang einrollirt." (l. c. p. 79, n. 174.)
176) "Kleine Pächter wenden die Gangarbeit nicht an." "Sie wird nicht ange-
wandt auf armem Land, sondern auf Land, was 2 Pfd. St. bis 2 Pfd. St. 10 sh.
Rente per Acre bringt." (l. c. p. 17 u. 14.)
177) Einem dieser Herrn schmecken seine Renten so gut, dass er der Unter-
suchungskommission entrüstet erklärt, der ganze Schrei sei nur dem Namen des
Systems geschuldet. Wenn man es statt "Gang" dahingegen "jugendliche in-
dustriell-agrikol-cooperative Selbsterhaltungsassociation" taufe, so wäre alles all
right.

lassenheit und obscönste Frechheit leihen dem Gang Flügel. Meist zahlt
der Gangmeister in einer Kneipe aus und kehrt dann wohl wankend,
rechts und links gestützt auf ein stämmiges Frauenmensch, an der Spitze
des Zugs heim, die Kinder und jungen Personen hinterher tollend, Spott-
und Zotenlieder singend. Auf dem Rückweg ist das, was Fourier ‚Phane-
rogamie‘ nennt, an der Tagesordnung. Die Schwängerung dreizehn- und
vierzehnjähriger Mädchen durch ihre männlichen Altersgenossen ist häufig.
Die offenen Dörfer, welche das Kontingent des Gangs stellen, werden
Sodoms und Gomorrhas174) und liefern doppelt so viel unehliche Geburten
als der Rest des Königreichs. Was in dieser Schule gezüchtete Mädchen
als verheirathete Frauen in der Moralität leisten, ward schon früher ange-
deutet. Ihre Kinder, soweit sie selbe nicht durch Opium u. s. w. besei-
tigen, sind geborne Rekruten des Gangs.

Der Gang in seiner eben beschriebenen klassischen Form heisst
öffentlicher, gemeiner oder Wandergang (public, common or tramping
gang). Es giebt nämlich auch Privatgänge (private gangs). Sie
sind zusammengesetzt wie der Gemeingang, zählen aber weniger Köpfe
und arbeiten, statt unter dem Gangmeister, unter einem alten Bauern-
knecht, den der Pächter nicht besser zu verwenden weiss. Der Zigeuner-
humor verschwindet hier, aber nach allen Zeugenaussagen verschlechtern
sich Zahlung und Behandlung der Kinder.

Das Gangsystem, das sich seit den letzten Jahren beständig aus-
dehnt175), existirt offenbar nicht dem Gangmeister zu lieb. Es existirt zur
Bereicherung der grossen Pächter176), resp. Landlords177). Für den Päch-

174) „Die Hälfte der Mädchen von Bidford ist ruinirt worden durch den
Gang.“ l. c. Appendix, p. 6, n. 32.
175) „Das System hat sehr zugenommen in den letzten Jahren. In einigen
Plätzen ist es erst seit kurzem eingeführt, in andern, wo es älter, werden mehr und
jüngere Kinder in den Gang einrollirt.“ (l. c. p. 79, n. 174.)
176) „Kleine Pächter wenden die Gangarbeit nicht an.“ „Sie wird nicht ange-
wandt auf armem Land, sondern auf Land, was 2 Pfd. St. bis 2 Pfd. St. 10 sh.
Rente per Acre bringt.“ (l. c. p. 17 u. 14.)
177) Einem dieser Herrn schmecken seine Renten so gut, dass er der Unter-
suchungskommission entrüstet erklärt, der ganze Schrei sei nur dem Namen des
Systems geschuldet. Wenn man es statt „Gang“ dahingegen „jugendliche in-
dustriell-agrikol-cooperative Selbsterhaltungsassociation“ taufe, so wäre alles all
right.
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[686/0705] lassenheit und obscönste Frechheit leihen dem Gang Flügel. Meist zahlt der Gangmeister in einer Kneipe aus und kehrt dann wohl wankend, rechts und links gestützt auf ein stämmiges Frauenmensch, an der Spitze des Zugs heim, die Kinder und jungen Personen hinterher tollend, Spott- und Zotenlieder singend. Auf dem Rückweg ist das, was Fourier ‚Phane- rogamie‘ nennt, an der Tagesordnung. Die Schwängerung dreizehn- und vierzehnjähriger Mädchen durch ihre männlichen Altersgenossen ist häufig. Die offenen Dörfer, welche das Kontingent des Gangs stellen, werden Sodoms und Gomorrhas 174) und liefern doppelt so viel unehliche Geburten als der Rest des Königreichs. Was in dieser Schule gezüchtete Mädchen als verheirathete Frauen in der Moralität leisten, ward schon früher ange- deutet. Ihre Kinder, soweit sie selbe nicht durch Opium u. s. w. besei- tigen, sind geborne Rekruten des Gangs. Der Gang in seiner eben beschriebenen klassischen Form heisst öffentlicher, gemeiner oder Wandergang (public, common or tramping gang). Es giebt nämlich auch Privatgänge (private gangs). Sie sind zusammengesetzt wie der Gemeingang, zählen aber weniger Köpfe und arbeiten, statt unter dem Gangmeister, unter einem alten Bauern- knecht, den der Pächter nicht besser zu verwenden weiss. Der Zigeuner- humor verschwindet hier, aber nach allen Zeugenaussagen verschlechtern sich Zahlung und Behandlung der Kinder. Das Gangsystem, das sich seit den letzten Jahren beständig aus- dehnt 175), existirt offenbar nicht dem Gangmeister zu lieb. Es existirt zur Bereicherung der grossen Pächter 176), resp. Landlords 177). Für den Päch- 174) „Die Hälfte der Mädchen von Bidford ist ruinirt worden durch den Gang.“ l. c. Appendix, p. 6, n. 32. 175) „Das System hat sehr zugenommen in den letzten Jahren. In einigen Plätzen ist es erst seit kurzem eingeführt, in andern, wo es älter, werden mehr und jüngere Kinder in den Gang einrollirt.“ (l. c. p. 79, n. 174.) 176) „Kleine Pächter wenden die Gangarbeit nicht an.“ „Sie wird nicht ange- wandt auf armem Land, sondern auf Land, was 2 Pfd. St. bis 2 Pfd. St. 10 sh. Rente per Acre bringt.“ (l. c. p. 17 u. 14.) 177) Einem dieser Herrn schmecken seine Renten so gut, dass er der Unter- suchungskommission entrüstet erklärt, der ganze Schrei sei nur dem Namen des Systems geschuldet. Wenn man es statt „Gang“ dahingegen „jugendliche in- dustriell-agrikol-cooperative Selbsterhaltungsassociation“ taufe, so wäre alles all right.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/705>, abgerufen am 21.11.2024.