Staatsdomänen auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese Län- dereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft, oder auch durch direkte Usurpation an Privatgüter annexirt201). Alles das geschah ohne die geringste Beobachtung gesetzlicher Etiquette. Das so fraudulent an- geeignete Staatsgut sammt dem Kirchenplunder, so weit er während der republikanischen Revolution nicht abhanden kam, bildet die Grundlage der heutigen fürstlichen Domänen der englischen Oligarchie202). Die bürger- lichen Kapitalisten begünstigten die Operation, u. a. um den Grund und Boden in einen reinen Handelsartikel zu verwandeln, um ihre Zufuhr vogel- freier Proletarier vom Land zu vermehren u. s. w. Sie handelten für ihr Inter- esse ganz so richtig als die schwedischen Stadtbürger, deren ökono- misches Bollwerk die Bauernschaft war, wesshalb sie Hand in Hand mit derselben die Könige in der gewaltsamen Resumption der Kronlän- dereien von der Oligarchie (seit 1604, später unter Karl X. und Karl XI.) unterstützten.
Gemeindeeigenthum war eine altgermanische Einrichtung, die unter der Decke der Feudalität fortlebte. Man hat gesehn, wie die gewaltsame Usurpation desselben, meist begleitet von Verwandlung des Ackerlands in Viehweide, Ende des 15. Jahrhunderts beginnt und im 16. Jahrhundert fortdauert. Aber damals vollzog sich der Prozess als individuelle Gewaltthat, wogegen die Gesetzgebung 150 Jahre durch vergeblich ankämpft. Der Fortschritt des 18. Jahrh. offenbart sich darin, dass das Gesetz selbst jetzt zum Vehikel des Raubs am Volksland wird, obgleich die grossen Pächter nebenbei auch ihre kleinen unabhängigen Privatmethoden anwenden203). Die parlamentarische Form
201) "Die illegale Veräusserung der Krongüter, theils durch Verkauf und theils durch Schenkung, bildet ein skandalöses Kapitel in der englischen Ge- schichte ... eine gigantische Prellerei der Nation (gigantic fraud on the nation)." (F. W. Newman: "Lectures on Political Econ. Lond. 1851", p. 129, 130.)
202) Man lese z. B. E. Burke's Pamphlet über das herzogliche Haus von Bedford, dessen Sprosse Lord John Russell, "the tomtit of liberalism".
203) "Die Pächter verbieten den Cottagers (Häuslern) irgend eine lebendige Kreatur ausser sich selbst zu erhalten, unter dem Vorwand, dass wenn sie Vieh oder Geflügel hielten, sie von den Scheunen Futter stehlen würden. Sie sagen auch, haltet die Cottagers arm, und ihr haltet sie fleissig. Die wirkliche That-
Staatsdomänen auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese Län- dereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft, oder auch durch direkte Usurpation an Privatgüter annexirt201). Alles das geschah ohne die geringste Beobachtung gesetzlicher Etiquette. Das so fraudulent an- geeignete Staatsgut sammt dem Kirchenplunder, so weit er während der republikanischen Revolution nicht abhanden kam, bildet die Grundlage der heutigen fürstlichen Domänen der englischen Oligarchie202). Die bürger- lichen Kapitalisten begünstigten die Operation, u. a. um den Grund und Boden in einen reinen Handelsartikel zu verwandeln, um ihre Zufuhr vogel- freier Proletarier vom Land zu vermehren u. s. w. Sie handelten für ihr Inter- esse ganz so richtig als die schwedischen Stadtbürger, deren ökono- misches Bollwerk die Bauernschaft war, wesshalb sie Hand in Hand mit derselben die Könige in der gewaltsamen Resumption der Kronlän- dereien von der Oligarchie (seit 1604, später unter Karl X. und Karl XI.) unterstützten.
Gemeindeeigenthum war eine altgermanische Einrichtung, die unter der Decke der Feudalität fortlebte. Man hat gesehn, wie die gewaltsame Usurpation desselben, meist begleitet von Verwandlung des Ackerlands in Viehweide, Ende des 15. Jahrhunderts beginnt und im 16. Jahrhundert fortdauert. Aber damals vollzog sich der Prozess als individuelle Gewaltthat, wogegen die Gesetzgebung 150 Jahre durch vergeblich ankämpft. Der Fortschritt des 18. Jahrh. offenbart sich darin, dass das Gesetz selbst jetzt zum Vehikel des Raubs am Volksland wird, obgleich die grossen Pächter nebenbei auch ihre kleinen unabhängigen Privatmethoden anwenden203). Die parlamentarische Form
201) „Die illegale Veräusserung der Krongüter, theils durch Verkauf und theils durch Schenkung, bildet ein skandalöses Kapitel in der englischen Ge- schichte … eine gigantische Prellerei der Nation (gigantic fraud on the nation).“ (F. W. Newman: „Lectures on Political Econ. Lond. 1851“, p. 129, 130.)
202) Man lese z. B. E. Burke’s Pamphlet über das herzogliche Haus von Bedford, dessen Sprosse Lord John Russell, „the tomtit of liberalism“.
203) „Die Pächter verbieten den Cottagers (Häuslern) irgend eine lebendige Kreatur ausser sich selbst zu erhalten, unter dem Vorwand, dass wenn sie Vieh oder Geflügel hielten, sie von den Scheunen Futter stehlen würden. Sie sagen auch, haltet die Cottagers arm, und ihr haltet sie fleissig. Die wirkliche That-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0728"n="709"/>
Staatsdomänen</hi> auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese Län-<lb/>
dereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft, oder auch durch<lb/>
direkte Usurpation an Privatgüter annexirt<noteplace="foot"n="201)">„Die <hirendition="#g">illegale</hi> Veräusserung der Krongüter, theils durch Verkauf und<lb/>
theils durch Schenkung, bildet ein skandalöses Kapitel in der englischen Ge-<lb/>
schichte … eine gigantische Prellerei der Nation (gigantic fraud on the nation).“<lb/>
(F. W. <hirendition="#g">Newman</hi>: „<hirendition="#g">Lectures on Political Econ. Lond</hi>. 1851“,<lb/>
p. 129, 130.)</note>. Alles das geschah ohne<lb/>
die geringste Beobachtung gesetzlicher Etiquette. Das so fraudulent an-<lb/>
geeignete Staatsgut sammt dem Kirchenplunder, so weit er während der<lb/>
republikanischen Revolution nicht abhanden kam, bildet die Grundlage der<lb/>
heutigen fürstlichen Domänen der englischen Oligarchie<noteplace="foot"n="202)">Man lese z. B. E. <hirendition="#g">Burke’</hi>s Pamphlet über das herzogliche Haus von<lb/>
Bedford, dessen Sprosse <hirendition="#g">Lord John Russell</hi>, „the tomtit of liberalism“.</note>. Die bürger-<lb/>
lichen Kapitalisten begünstigten die Operation, u. a. um den Grund und<lb/>
Boden in einen reinen Handelsartikel zu verwandeln, um ihre Zufuhr vogel-<lb/>
freier Proletarier vom Land zu vermehren u. s. w. Sie handelten für ihr Inter-<lb/>
esse ganz so richtig als die <hirendition="#g">schwedischen</hi> Stadtbürger, deren ökono-<lb/>
misches Bollwerk die Bauernschaft war, wesshalb sie Hand in Hand<lb/>
mit derselben die Könige in der gewaltsamen Resumption der Kronlän-<lb/>
dereien von der Oligarchie (seit 1604, später unter Karl X. und<lb/>
Karl XI.) unterstützten.</p><lb/><p><hirendition="#g">Gemeindeeigenthum</hi> war eine altgermanische Einrichtung,<lb/>
die unter der Decke der Feudalität fortlebte. Man hat gesehn, wie die<lb/>
gewaltsame Usurpation desselben, meist begleitet von Verwandlung des<lb/>
Ackerlands in Viehweide, Ende des 15. Jahrhunderts beginnt und im<lb/>
16. Jahrhundert fortdauert. Aber damals vollzog sich der Prozess als<lb/><hirendition="#g">individuelle Gewaltthat</hi>, wogegen die Gesetzgebung 150 Jahre<lb/>
durch vergeblich ankämpft. Der Fortschritt des 18. Jahrh. offenbart sich<lb/>
darin, dass das <hirendition="#g">Gesetz selbst</hi> jetzt zum <hirendition="#g">Vehikel des Raubs am<lb/>
Volksland</hi> wird, obgleich die grossen Pächter nebenbei auch ihre kleinen<lb/>
unabhängigen Privatmethoden anwenden<notexml:id="seg2pn_106_1"next="#seg2pn_106_2"place="foot"n="203)">„Die Pächter verbieten den Cottagers (Häuslern) irgend eine lebendige<lb/>
Kreatur ausser sich selbst zu erhalten, unter dem Vorwand, dass wenn sie Vieh<lb/>
oder Geflügel hielten, sie von den Scheunen Futter stehlen würden. Sie sagen<lb/>
auch, haltet die Cottagers arm, und ihr haltet sie fleissig. Die wirkliche That-</note>. Die parlamentarische Form<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[709/0728]
Staatsdomänen auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese Län-
dereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft, oder auch durch
direkte Usurpation an Privatgüter annexirt 201). Alles das geschah ohne
die geringste Beobachtung gesetzlicher Etiquette. Das so fraudulent an-
geeignete Staatsgut sammt dem Kirchenplunder, so weit er während der
republikanischen Revolution nicht abhanden kam, bildet die Grundlage der
heutigen fürstlichen Domänen der englischen Oligarchie 202). Die bürger-
lichen Kapitalisten begünstigten die Operation, u. a. um den Grund und
Boden in einen reinen Handelsartikel zu verwandeln, um ihre Zufuhr vogel-
freier Proletarier vom Land zu vermehren u. s. w. Sie handelten für ihr Inter-
esse ganz so richtig als die schwedischen Stadtbürger, deren ökono-
misches Bollwerk die Bauernschaft war, wesshalb sie Hand in Hand
mit derselben die Könige in der gewaltsamen Resumption der Kronlän-
dereien von der Oligarchie (seit 1604, später unter Karl X. und
Karl XI.) unterstützten.
Gemeindeeigenthum war eine altgermanische Einrichtung,
die unter der Decke der Feudalität fortlebte. Man hat gesehn, wie die
gewaltsame Usurpation desselben, meist begleitet von Verwandlung des
Ackerlands in Viehweide, Ende des 15. Jahrhunderts beginnt und im
16. Jahrhundert fortdauert. Aber damals vollzog sich der Prozess als
individuelle Gewaltthat, wogegen die Gesetzgebung 150 Jahre
durch vergeblich ankämpft. Der Fortschritt des 18. Jahrh. offenbart sich
darin, dass das Gesetz selbst jetzt zum Vehikel des Raubs am
Volksland wird, obgleich die grossen Pächter nebenbei auch ihre kleinen
unabhängigen Privatmethoden anwenden 203). Die parlamentarische Form
201) „Die illegale Veräusserung der Krongüter, theils durch Verkauf und
theils durch Schenkung, bildet ein skandalöses Kapitel in der englischen Ge-
schichte … eine gigantische Prellerei der Nation (gigantic fraud on the nation).“
(F. W. Newman: „Lectures on Political Econ. Lond. 1851“,
p. 129, 130.)
202) Man lese z. B. E. Burke’s Pamphlet über das herzogliche Haus von
Bedford, dessen Sprosse Lord John Russell, „the tomtit of liberalism“.
203) „Die Pächter verbieten den Cottagers (Häuslern) irgend eine lebendige
Kreatur ausser sich selbst zu erhalten, unter dem Vorwand, dass wenn sie Vieh
oder Geflügel hielten, sie von den Scheunen Futter stehlen würden. Sie sagen
auch, haltet die Cottagers arm, und ihr haltet sie fleissig. Die wirkliche That-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/728>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.