Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.dem ausgesuchtesten Raffinement von Grausamkeit; sie wurden in vielen Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion während der Manu- 246) John Fielden l. c. p. 5, 6. Ueber die ursprünglichen Infamien des
Fabrikwesens vgl. Dr. Aikin (1795) l. c. p. 219 und Gisbourne: "Enquiry into the duties of men. 1795", v. II. -- Da die Dampfmaschine die Fabriken von den ländlichen Wasserfällen weg in die Mitte von Städten verpflanzte, fand der "entsagungslustige" Plusmacher das Kindermaterial nun zur Hand, ohne ge- waltsame Sklavenzufuhr aus den Workhouses. -- Als Sir R. Peel (Vater des "Ministers der Plausibilität") seine Bill zum Schutz der Kinder 1815 einbrachte, erklärte F. Horner (lumen des Bullion-Comites und intimer Freund Ricardo's) im Unterhaus: "Es ist notorisch, dass mit den Effekten eines Banqueroutier's eine Bande, wenn er solchen terminus brauchen dürfe, von Fabrikkindern zur Auktion öffentlich, als Theil des Eigenthums, annoncirt und losgeschlagen wurde. Vorzwei Jahren (1813) kam ein abscheulicher Fall vor die King's Bench. Es handelte sich um eine Anzahl Knaben. Eine Pfarrei von London hatte sie einem Fabri- kanten übermacht, der übertrug sie wieder auf einen andern. Sie wurden schliess- lich von einigen Menschenfreunden in einem Zustand absoluter Hungers- noth (absolute famine) entdeckt. Ein andrer, noch schrecklicherer Fall sei zu seiner Kenntniss als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungscomites ge- bracht worden. Vor nicht vielen Jahren schlossen eine Londoner Pfarrei und ein Fabrikant von Lancashire einen Vertrag, wodurch stipulirt wurde, dass er auf je 20 gesunde Kinder einen Idioten mit in den Kauf nehme." dem ausgesuchtesten Raffinement von Grausamkeit; sie wurden in vielen Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion während der Manu- 246) John Fielden l. c. p. 5, 6. Ueber die ursprünglichen Infamien des
Fabrikwesens vgl. Dr. Aikin (1795) l. c. p. 219 und Gisbourne: „Enquiry into the duties of men. 1795“, v. II. — Da die Dampfmaschine die Fabriken von den ländlichen Wasserfällen weg in die Mitte von Städten verpflanzte, fand der „entsagungslustige“ Plusmacher das Kindermaterial nun zur Hand, ohne ge- waltsame Sklavenzufuhr aus den Workhouses. — Als Sir R. Peel (Vater des „Ministers der Plausibilität“) seine Bill zum Schutz der Kinder 1815 einbrachte, erklärte F. Horner (lumen des Bullion-Comités und intimer Freund Ricardo’s) im Unterhaus: „Es ist notorisch, dass mit den Effekten eines Banqueroutier’s eine Bande, wenn er solchen terminus brauchen dürfe, von Fabrikkindern zur Auktion öffentlich, als Theil des Eigenthums, annoncirt und losgeschlagen wurde. Vorzwei Jahren (1813) kam ein abscheulicher Fall vor die King’s Bench. Es handelte sich um eine Anzahl Knaben. Eine Pfarrei von London hatte sie einem Fabri- kanten übermacht, der übertrug sie wieder auf einen andern. Sie wurden schliess- lich von einigen Menschenfreunden in einem Zustand absoluter Hungers- noth (absolute famine) entdeckt. Ein andrer, noch schrecklicherer Fall sei zu seiner Kenntniss als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungscomités ge- bracht worden. Vor nicht vielen Jahren schlossen eine Londoner Pfarrei und ein Fabrikant von Lancashire einen Vertrag, wodurch stipulirt wurde, dass er auf je 20 gesunde Kinder einen Idioten mit in den Kauf nehme.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0759" n="740"/> dem ausgesuchtesten Raffinement von Grausamkeit; sie wurden in vielen<lb/> Fällen bis zu den Knochen ausgehungert, während die Peitsche sie an der<lb/> Arbeit hielt. Ja in einigen Fällen wurden sie zum Selbstmord getrieben! …<lb/> Die schönen und romantischen Thäler von Derbyshire, Nottinghamshire<lb/> und Lancashire, abgeschlossen vom öffentlichen Auge, wurden grause Ein-<lb/> öden von Tortur und — oft von Mord! … Die Profite der Fabrikanten<lb/> waren enorm. Das wetzte nur ihren Wehrwolfsheisshunger. Sie began-<lb/> nen die Praxis der Nachtarbeit, d. h. nachdem sie eine Gruppe Hände<lb/> durch das Tagwerk gelähmt, hatten sie eine andre Gruppe für das Nacht-<lb/> werk zur Hand; die Tagesgruppe wanderte in die Betten, welche die<lb/> Nachtgruppe grade verlassen hatte und vice versa. Es ist Volksüberliefe-<lb/> rung in Lancashire, dass die Betten nie abkühlten“<note place="foot" n="246)"><hi rendition="#g">John Fielden</hi> l. c. p. 5, 6. Ueber die ursprünglichen Infamien des<lb/> Fabrikwesens vgl. <hi rendition="#g">Dr. Aikin</hi> (1795) l. c. p. 219 und <hi rendition="#g">Gisbourne</hi>: „<hi rendition="#g">Enquiry<lb/> into the duties of men</hi>. 1795“, v. II. — Da die Dampfmaschine die Fabriken<lb/> von den ländlichen Wasserfällen weg in die Mitte von Städten verpflanzte, fand<lb/> der „entsagungslustige“ Plusmacher das Kindermaterial nun zur Hand, ohne ge-<lb/> waltsame Sklavenzufuhr aus den Workhouses. — Als <hi rendition="#g">Sir R. Peel</hi> (Vater des<lb/> „Ministers der Plausibilität“) seine Bill zum Schutz der Kinder 1815 einbrachte,<lb/> erklärte F. <hi rendition="#g">Horner</hi> (lumen des Bullion-Comités und intimer Freund Ricardo’s)<lb/> im Unterhaus: „Es ist notorisch, dass mit den Effekten eines Banqueroutier’s<lb/> eine Bande, wenn er solchen terminus brauchen dürfe, von Fabrikkindern zur<lb/> Auktion öffentlich, als Theil des Eigenthums, annoncirt und losgeschlagen wurde.<lb/> Vorzwei Jahren (1813) kam ein abscheulicher Fall vor die King’s Bench. Es handelte<lb/> sich um eine Anzahl Knaben. Eine Pfarrei von London hatte sie einem Fabri-<lb/> kanten übermacht, der übertrug sie wieder auf einen andern. Sie wurden schliess-<lb/> lich von einigen Menschenfreunden in einem Zustand <hi rendition="#g">absoluter Hungers-<lb/> noth</hi> (absolute famine) entdeckt. Ein andrer, noch schrecklicherer Fall sei zu<lb/> seiner Kenntniss als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungscomités ge-<lb/> bracht worden. Vor nicht vielen Jahren schlossen eine Londoner Pfarrei und ein<lb/> Fabrikant von Lancashire einen Vertrag, wodurch stipulirt wurde, dass er auf je<lb/> 20 gesunde Kinder einen Idioten mit in den Kauf nehme.“</note>.</p><lb/> <p>Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion während der Manu-<lb/> fakturperiode hatte die öffentliche Meinung von Europa den letzten Rest von<lb/> Schamgefühl und Gewissen eingebüsst. Die Nationen renommirten cynisch<lb/> mit jeder Infamie, die <hi rendition="#g">Mittel zu Kapitalaccumulation</hi>. Man<lb/> lese z. B. die naiven Handelsannalen des Biedermanns <hi rendition="#g">Anderson</hi>.<lb/> Hier wird es als Triumph englischer Staatsweisheit ausposaunt, dass Eng-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [740/0759]
dem ausgesuchtesten Raffinement von Grausamkeit; sie wurden in vielen
Fällen bis zu den Knochen ausgehungert, während die Peitsche sie an der
Arbeit hielt. Ja in einigen Fällen wurden sie zum Selbstmord getrieben! …
Die schönen und romantischen Thäler von Derbyshire, Nottinghamshire
und Lancashire, abgeschlossen vom öffentlichen Auge, wurden grause Ein-
öden von Tortur und — oft von Mord! … Die Profite der Fabrikanten
waren enorm. Das wetzte nur ihren Wehrwolfsheisshunger. Sie began-
nen die Praxis der Nachtarbeit, d. h. nachdem sie eine Gruppe Hände
durch das Tagwerk gelähmt, hatten sie eine andre Gruppe für das Nacht-
werk zur Hand; die Tagesgruppe wanderte in die Betten, welche die
Nachtgruppe grade verlassen hatte und vice versa. Es ist Volksüberliefe-
rung in Lancashire, dass die Betten nie abkühlten“ 246).
Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion während der Manu-
fakturperiode hatte die öffentliche Meinung von Europa den letzten Rest von
Schamgefühl und Gewissen eingebüsst. Die Nationen renommirten cynisch
mit jeder Infamie, die Mittel zu Kapitalaccumulation. Man
lese z. B. die naiven Handelsannalen des Biedermanns Anderson.
Hier wird es als Triumph englischer Staatsweisheit ausposaunt, dass Eng-
246) John Fielden l. c. p. 5, 6. Ueber die ursprünglichen Infamien des
Fabrikwesens vgl. Dr. Aikin (1795) l. c. p. 219 und Gisbourne: „Enquiry
into the duties of men. 1795“, v. II. — Da die Dampfmaschine die Fabriken
von den ländlichen Wasserfällen weg in die Mitte von Städten verpflanzte, fand
der „entsagungslustige“ Plusmacher das Kindermaterial nun zur Hand, ohne ge-
waltsame Sklavenzufuhr aus den Workhouses. — Als Sir R. Peel (Vater des
„Ministers der Plausibilität“) seine Bill zum Schutz der Kinder 1815 einbrachte,
erklärte F. Horner (lumen des Bullion-Comités und intimer Freund Ricardo’s)
im Unterhaus: „Es ist notorisch, dass mit den Effekten eines Banqueroutier’s
eine Bande, wenn er solchen terminus brauchen dürfe, von Fabrikkindern zur
Auktion öffentlich, als Theil des Eigenthums, annoncirt und losgeschlagen wurde.
Vorzwei Jahren (1813) kam ein abscheulicher Fall vor die King’s Bench. Es handelte
sich um eine Anzahl Knaben. Eine Pfarrei von London hatte sie einem Fabri-
kanten übermacht, der übertrug sie wieder auf einen andern. Sie wurden schliess-
lich von einigen Menschenfreunden in einem Zustand absoluter Hungers-
noth (absolute famine) entdeckt. Ein andrer, noch schrecklicherer Fall sei zu
seiner Kenntniss als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungscomités ge-
bracht worden. Vor nicht vielen Jahren schlossen eine Londoner Pfarrei und ein
Fabrikant von Lancashire einen Vertrag, wodurch stipulirt wurde, dass er auf je
20 gesunde Kinder einen Idioten mit in den Kauf nehme.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |