bestritten? Aus dem "Gesammtprodukt" der Arbeiter. Und zwar indem die Waare "Arbeit", oder wie Marx sagt, Arbeitskraft, unter ihrem Preis verkauft werden muss. Denn wenn es die gemeinsame Eigenschaft aller Waaren ist, theurer verkauft zu werden als die Produktionskosten, wenn aber hiervon die Arbeit allein ausgenommen ist, und stets nur zu den Produktionskosten verkauft wird, so wird sie eben unter dem Preis verkauft, der die Regel ist in dieser vulgär- ökonomischen Welt. Der infolge dessen dem Kapitalisten, resp. der Kapitalistenklasse zufallende Extraprofit besteht eben darin, und kann in letzter Instanz nur dadurch zustande kommen, dass der Arbeiter, nach Reproduktion des Ersatzes für den Preis seiner Arbeit, noch weiteres Produkt produciren muss, für das er nicht bezahlt wird -- Mehrprodukt, Produkt unbezahlter Arbeit, Mehr- werth. Lexis ist ein in der Wahl seiner Ausdrücke äusserst vor- sichtiger Mann. Er sagt nirgends gradeaus, dass obige Auffassung die seinige ist; ist sie es aber, so ist sonnenklar, dass wir es hier nicht mit einem jener gewöhnlichen Vulgärökonomen zu thun haben, von denen er selbst sagt, dass jeder einzelne in den Augen von Marx "bestenfalls nur ein hoffnungsloser Schwachkopf ist", sondern mit einem als Vulgärökonomen verkleideten Marxisten. Ob diese Verkleidung bewusst oder unbewusst vor sich gegangen, ist eine uns hier nicht interessirende psychologische Frage. Wer das ergründen möchte, wird vielleicht auch untersuchen, wie es möglich war, dass zu einer gewissen Zeit ein so gescheiter Mann wie Lexis es unzweifelhaft ist, auch einmal einen solchen Blödsinn wie den Bimetallismus vertheidigen konnte.
Der erste, der die Frage wirklich zu beantworten versuchte, war Dr. Conrad Schmidt: "Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marx'schen Werthgesetzes. Stuttgart, Dietz 1889." Schmidt sucht die Details der Marktpreisbildung in Einklang zu bringen sowohl mit dem Werthgesetz wie mit der Durchschnittsprofitrate. Der industrielle Kapitalist erhält in seinem Produkt erstens Ersatz für sein vorgeschossnes Kapital, zweitens ein Mehrprodukt, wofür er nichts bezahlt hat. Um dies Mehrprodukt aber zu erhalten, muss er sein Kapital in der Produktion vorschiessen; d. h. er muss ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit anwenden, um sich dies Mehrprodukt aneignen zu können. Für den Kapitalisten
bestritten? Aus dem „Gesammtprodukt“ der Arbeiter. Und zwar indem die Waare „Arbeit“, oder wie Marx sagt, Arbeitskraft, unter ihrem Preis verkauft werden muss. Denn wenn es die gemeinsame Eigenschaft aller Waaren ist, theurer verkauft zu werden als die Produktionskosten, wenn aber hiervon die Arbeit allein ausgenommen ist, und stets nur zu den Produktionskosten verkauft wird, so wird sie eben unter dem Preis verkauft, der die Regel ist in dieser vulgär- ökonomischen Welt. Der infolge dessen dem Kapitalisten, resp. der Kapitalistenklasse zufallende Extraprofit besteht eben darin, und kann in letzter Instanz nur dadurch zustande kommen, dass der Arbeiter, nach Reproduktion des Ersatzes für den Preis seiner Arbeit, noch weiteres Produkt produciren muss, für das er nicht bezahlt wird — Mehrprodukt, Produkt unbezahlter Arbeit, Mehr- werth. Lexis ist ein in der Wahl seiner Ausdrücke äusserst vor- sichtiger Mann. Er sagt nirgends gradeaus, dass obige Auffassung die seinige ist; ist sie es aber, so ist sonnenklar, dass wir es hier nicht mit einem jener gewöhnlichen Vulgärökonomen zu thun haben, von denen er selbst sagt, dass jeder einzelne in den Augen von Marx „bestenfalls nur ein hoffnungsloser Schwachkopf ist“, sondern mit einem als Vulgärökonomen verkleideten Marxisten. Ob diese Verkleidung bewusst oder unbewusst vor sich gegangen, ist eine uns hier nicht interessirende psychologische Frage. Wer das ergründen möchte, wird vielleicht auch untersuchen, wie es möglich war, dass zu einer gewissen Zeit ein so gescheiter Mann wie Lexis es unzweifelhaft ist, auch einmal einen solchen Blödsinn wie den Bimetallismus vertheidigen konnte.
Der erste, der die Frage wirklich zu beantworten versuchte, war Dr. Conrad Schmidt: „Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marx’schen Werthgesetzes. Stuttgart, Dietz 1889.“ Schmidt sucht die Details der Marktpreisbildung in Einklang zu bringen sowohl mit dem Werthgesetz wie mit der Durchschnittsprofitrate. Der industrielle Kapitalist erhält in seinem Produkt erstens Ersatz für sein vorgeschossnes Kapital, zweitens ein Mehrprodukt, wofür er nichts bezahlt hat. Um dies Mehrprodukt aber zu erhalten, muss er sein Kapital in der Produktion vorschiessen; d. h. er muss ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit anwenden, um sich dies Mehrprodukt aneignen zu können. Für den Kapitalisten
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[XIII/0019]
bestritten? Aus dem „Gesammtprodukt“ der Arbeiter. Und zwar
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Produktionskosten, wenn aber hiervon die Arbeit allein ausgenommen
ist, und stets nur zu den Produktionskosten verkauft wird, so wird
sie eben unter dem Preis verkauft, der die Regel ist in dieser vulgär-
ökonomischen Welt. Der infolge dessen dem Kapitalisten, resp.
der Kapitalistenklasse zufallende Extraprofit besteht eben darin,
und kann in letzter Instanz nur dadurch zustande kommen, dass
der Arbeiter, nach Reproduktion des Ersatzes für den Preis seiner
Arbeit, noch weiteres Produkt produciren muss, für das er nicht
bezahlt wird — Mehrprodukt, Produkt unbezahlter Arbeit, Mehr-
werth. Lexis ist ein in der Wahl seiner Ausdrücke äusserst vor-
sichtiger Mann. Er sagt nirgends gradeaus, dass obige Auffassung
die seinige ist; ist sie es aber, so ist sonnenklar, dass wir es hier
nicht mit einem jener gewöhnlichen Vulgärökonomen zu thun
haben, von denen er selbst sagt, dass jeder einzelne in den Augen
von Marx „bestenfalls nur ein hoffnungsloser Schwachkopf ist“,
sondern mit einem als Vulgärökonomen verkleideten Marxisten.
Ob diese Verkleidung bewusst oder unbewusst vor sich gegangen,
ist eine uns hier nicht interessirende psychologische Frage. Wer
das ergründen möchte, wird vielleicht auch untersuchen, wie es
möglich war, dass zu einer gewissen Zeit ein so gescheiter Mann
wie Lexis es unzweifelhaft ist, auch einmal einen solchen Blödsinn
wie den Bimetallismus vertheidigen konnte.
Der erste, der die Frage wirklich zu beantworten versuchte, war
Dr. Conrad Schmidt: „Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage
des Marx’schen Werthgesetzes. Stuttgart, Dietz 1889.“ Schmidt
sucht die Details der Marktpreisbildung in Einklang zu bringen
sowohl mit dem Werthgesetz wie mit der Durchschnittsprofitrate.
Der industrielle Kapitalist erhält in seinem Produkt erstens Ersatz
für sein vorgeschossnes Kapital, zweitens ein Mehrprodukt, wofür
er nichts bezahlt hat. Um dies Mehrprodukt aber zu erhalten,
muss er sein Kapital in der Produktion vorschiessen; d. h. er muss
ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit anwenden, um
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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