Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern
Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub,
Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom.
später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc.

Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt
überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert
ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt
das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr
oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der
Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich
auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf-
lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von
ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process
der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an
Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom
Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt
resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs-
punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro-
duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems
in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen
Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es
folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um-
stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals.

Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie
als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn-
herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des
Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische
Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den
Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch-
aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung
damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in
der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als
es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen
Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und
andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein
hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet.
Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung
und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han-
delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen.

Es unterliegt keinem Zweifel -- und gerade diese Thatsache hat

Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern
Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub,
Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom.
später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc.

Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt
überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert
ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt
das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr
oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der
Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich
auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf-
lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von
ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process
der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an
Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom
Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt
resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs-
punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro-
duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems
in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen
Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es
folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um-
stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals.

Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie
als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn-
herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des
Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische
Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den
Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch-
aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung
damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in
der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als
es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen
Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und
andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein
hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet.
Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung
und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han-
delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen.

Es unterliegt keinem Zweifel — und gerade diese Thatsache hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0350" n="316"/>
Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern<lb/>
Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub,<lb/>
Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom.<lb/>
später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc.</p><lb/>
            <p>Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt<lb/>
überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert<lb/>
ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt<lb/>
das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr<lb/>
oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der<lb/>
Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich<lb/>
auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf-<lb/>
lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von<lb/>
ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process<lb/>
der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an<lb/>
Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom<lb/>
Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt<lb/>
resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf-<lb/>
mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs-<lb/>
punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro-<lb/>
duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems<lb/>
in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen<lb/>
Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es<lb/>
folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um-<lb/>
stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals.</p><lb/>
            <p>Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie<lb/>
als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn-<lb/>
herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des<lb/>
Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische<lb/>
Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den<lb/>
Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch-<lb/>
aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung<lb/>
damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in<lb/>
der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als<lb/>
es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen<lb/>
Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und<lb/>
andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein<lb/>
hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet.<lb/>
Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung<lb/>
und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han-<lb/>
delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen.</p><lb/>
            <p>Es unterliegt keinem Zweifel &#x2014; und gerade diese Thatsache hat<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0350] Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub, Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom. später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc. Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf- lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf- mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs- punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro- duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um- stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals. Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn- herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch- aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet. Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han- delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen. Es unterliegt keinem Zweifel — und gerade diese Thatsache hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/350
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/350>, abgerufen am 24.11.2024.