Das variable Kapital steige nun auf 30; dann muss nach der Voraussetzung, das konstante Kapital von 100 auf 90 fallen, da- mit das Gesammtkapital unverändert = 120 bleibe. Der produ- cirte Mehrwerth muss, bei gleicher Mehrwerthsrate von 50 %, auf 15 steigen. Wir haben also: II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 121/2 %.
Gehn wir zunächst von der Annahme aus, dass der Arbeitslohn unverändert sei. Dann müssen die andern Faktoren der Mehr- werthsrate, Arbeitstag und Arbeits-Intensität ebenfalls gleich ge- blieben sein. Die Steigerung von v (von 20 auf 30) kann also nur den Sinn haben, dass die Hälfte mehr Arbeiter angewandt werden. Dann steigt auch das Gesammt-Werthprodukt um die Hälfte, von 30 auf 45, und vertheilt sich, ganz wie vorher, zu 2/3 auf Arbeitslohn und 1/3 auf Mehrwerth. Gleichzeitig aber ist bei vermehrter Arbeiteranzahl das konstante Kapital, der Werth der Produktionsmittel, von 100 auf 90 gefallen. Wir haben also vor uns einen Fall von abnehmender Produktivität der Arbeit, verbunden mit gleichzeitiger Abnahme des konstanten Kapitals; ist dieser Fall ökonomisch möglich?
In der Agrikultur und extraktiven Industrie, wo Abnahme der Produktivität der Arbeit und daher Zunahme der beschäftigten Arbeiterzahl leicht zu begreifen, ist dieser Process -- innerhalb der Schranken der kapitalistischen Produktion und auf deren Basis -- verbunden nicht mit Abnahme, sondern mit Zunahme des kon- stanten Kapitals. Selbst wenn die obige Abnahme von c durch blossen Preisfall bedingt wäre, würde ein einzelnes Kapital den Uebergang von I zu II nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen vollziehn können. Bei zwei unabhängigen Kapitalen aber, die in verschiednen Ländern, oder in verschiednen Zweigen der Agrikultur oder extraktiven Industrie angelegt, wäre es nichts auffallendes, wenn in dem einen Fall mehr Arbeiter (daher grösseres variables Kapital) angewandt würden und mit minder werthvollen oder spärlicheren Produktionsmitteln arbeiteten als im andern Fall.
Lassen wir aber die Voraussetzung fallen, dass der Arbeitslohn sich gleich bleibt, und erklären wir die Steigerung des variablen Kapitals von 20 auf 30 durch Erhöhung des Arbeitslohns um die Hälfte, so tritt ein ganz andrer Fall ein. Dieselbe Arbeiteranzahl -- sagen wir 20 Arbeiter -- arbeitet mit denselben oder nur un- bedeutend verringerten Produktionsmitteln weiter. Bleibt der Arbeitstag unverändert -- z. B. auf 10 Stunden -- so ist das Gesammt-Werthprodukt ebenfalls unverändert; es ist nach wie
Das variable Kapital steige nun auf 30; dann muss nach der Voraussetzung, das konstante Kapital von 100 auf 90 fallen, da- mit das Gesammtkapital unverändert = 120 bleibe. Der produ- cirte Mehrwerth muss, bei gleicher Mehrwerthsrate von 50 %, auf 15 steigen. Wir haben also: II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.
Gehn wir zunächst von der Annahme aus, dass der Arbeitslohn unverändert sei. Dann müssen die andern Faktoren der Mehr- werthsrate, Arbeitstag und Arbeits-Intensität ebenfalls gleich ge- blieben sein. Die Steigerung von v (von 20 auf 30) kann also nur den Sinn haben, dass die Hälfte mehr Arbeiter angewandt werden. Dann steigt auch das Gesammt-Werthprodukt um die Hälfte, von 30 auf 45, und vertheilt sich, ganz wie vorher, zu ⅔ auf Arbeitslohn und ⅓ auf Mehrwerth. Gleichzeitig aber ist bei vermehrter Arbeiteranzahl das konstante Kapital, der Werth der Produktionsmittel, von 100 auf 90 gefallen. Wir haben also vor uns einen Fall von abnehmender Produktivität der Arbeit, verbunden mit gleichzeitiger Abnahme des konstanten Kapitals; ist dieser Fall ökonomisch möglich?
In der Agrikultur und extraktiven Industrie, wo Abnahme der Produktivität der Arbeit und daher Zunahme der beschäftigten Arbeiterzahl leicht zu begreifen, ist dieser Process — innerhalb der Schranken der kapitalistischen Produktion und auf deren Basis — verbunden nicht mit Abnahme, sondern mit Zunahme des kon- stanten Kapitals. Selbst wenn die obige Abnahme von c durch blossen Preisfall bedingt wäre, würde ein einzelnes Kapital den Uebergang von I zu II nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen vollziehn können. Bei zwei unabhängigen Kapitalen aber, die in verschiednen Ländern, oder in verschiednen Zweigen der Agrikultur oder extraktiven Industrie angelegt, wäre es nichts auffallendes, wenn in dem einen Fall mehr Arbeiter (daher grösseres variables Kapital) angewandt würden und mit minder werthvollen oder spärlicheren Produktionsmitteln arbeiteten als im andern Fall.
Lassen wir aber die Voraussetzung fallen, dass der Arbeitslohn sich gleich bleibt, und erklären wir die Steigerung des variablen Kapitals von 20 auf 30 durch Erhöhung des Arbeitslohns um die Hälfte, so tritt ein ganz andrer Fall ein. Dieselbe Arbeiteranzahl — sagen wir 20 Arbeiter — arbeitet mit denselben oder nur un- bedeutend verringerten Produktionsmitteln weiter. Bleibt der Arbeitstag unverändert — z. B. auf 10 Stunden — so ist das Gesammt-Werthprodukt ebenfalls unverändert; es ist nach wie
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Das variable Kapital steige nun auf 30; dann muss nach der
Voraussetzung, das konstante Kapital von 100 auf 90 fallen, da-
mit das Gesammtkapital unverändert = 120 bleibe. Der produ-
cirte Mehrwerth muss, bei gleicher Mehrwerthsrate von 50 %, auf
15 steigen. Wir haben also:
II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.
Gehn wir zunächst von der Annahme aus, dass der Arbeitslohn
unverändert sei. Dann müssen die andern Faktoren der Mehr-
werthsrate, Arbeitstag und Arbeits-Intensität ebenfalls gleich ge-
blieben sein. Die Steigerung von v (von 20 auf 30) kann also
nur den Sinn haben, dass die Hälfte mehr Arbeiter angewandt
werden. Dann steigt auch das Gesammt-Werthprodukt um die
Hälfte, von 30 auf 45, und vertheilt sich, ganz wie vorher, zu
⅔ auf Arbeitslohn und ⅓ auf Mehrwerth. Gleichzeitig aber ist
bei vermehrter Arbeiteranzahl das konstante Kapital, der Werth der
Produktionsmittel, von 100 auf 90 gefallen. Wir haben also vor
uns einen Fall von abnehmender Produktivität der Arbeit, verbunden
mit gleichzeitiger Abnahme des konstanten Kapitals; ist dieser
Fall ökonomisch möglich?
In der Agrikultur und extraktiven Industrie, wo Abnahme der
Produktivität der Arbeit und daher Zunahme der beschäftigten
Arbeiterzahl leicht zu begreifen, ist dieser Process — innerhalb
der Schranken der kapitalistischen Produktion und auf deren Basis
— verbunden nicht mit Abnahme, sondern mit Zunahme des kon-
stanten Kapitals. Selbst wenn die obige Abnahme von c durch
blossen Preisfall bedingt wäre, würde ein einzelnes Kapital den
Uebergang von I zu II nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen
vollziehn können. Bei zwei unabhängigen Kapitalen aber, die in
verschiednen Ländern, oder in verschiednen Zweigen der Agrikultur
oder extraktiven Industrie angelegt, wäre es nichts auffallendes,
wenn in dem einen Fall mehr Arbeiter (daher grösseres variables
Kapital) angewandt würden und mit minder werthvollen oder
spärlicheren Produktionsmitteln arbeiteten als im andern Fall.
Lassen wir aber die Voraussetzung fallen, dass der Arbeitslohn
sich gleich bleibt, und erklären wir die Steigerung des variablen
Kapitals von 20 auf 30 durch Erhöhung des Arbeitslohns um die
Hälfte, so tritt ein ganz andrer Fall ein. Dieselbe Arbeiteranzahl
— sagen wir 20 Arbeiter — arbeitet mit denselben oder nur un-
bedeutend verringerten Produktionsmitteln weiter. Bleibt der
Arbeitstag unverändert — z. B. auf 10 Stunden — so ist das
Gesammt-Werthprodukt ebenfalls unverändert; es ist nach wie
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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