durch Vorschuss desselben Kapitals, das ich vielleicht aufnehmen muss. Ich kaufe jetzt wie früher für 2000 £. Meine Nachfrage auf dem Geldmarkt bleibt also dieselbe, wenn auch meine Nach- frage auf dem Waarenmarkt mit dem Sinken der Waarenpreise steigt. Fällt aber diese letztre, d. h. erweitert sich die Produktion nicht mit dem Sinken der Waarenpreise, was allen Gesetzen des Economist widersprechen würde, so nähme die Nachfrage nach leihbarem Geldkapital ab, obgleich der Profit zunähme; dieser zu- nehmende Profit würde aber Nachfrage nach Leihkapital schaffen. Uebrigens mag die Niedrigkeit der Waarenpreise aus drei Ursachen herrühren. Erstens aus Mangel an Nachfrage. Dann ist der Zins- fuss niedrig, weil die Produktion gelähmt, nicht weil die Waaren wohlfeil, da diese Wohlfeilheit bloss Ausdruck jener Lähmung. Oder weil die Zufuhr übergross im Verhältniss zur Nachfrage. Dies mag der Fall sein in Folge von Ueberführung der Märkte etc., die zur Krise führt, und mag in der Krise selbst zusammenfallen mit hohem Zinsfuss; oder es mag der Fall sein, weil der Werth der Waaren gesunken, also dieselbe Nachfrage zu niedrigerem Preis befriedigt werden kann. Warum soll im letzten Fall der Zinsfuss sinken? Weil der Profit wächst? Wenn, weil weniger Geldkapital nöthig, um dasselbe produktive oder Waarenkapital zu erhalten, so bewiese dies nur, dass Profit und Zins in umgekehrtem Ver- hältniss zu einander stehn. Jedenfalls ist der allgemeine Satz des Economist falsch. Niedrige Geldpreise der Waaren und niedriger Zinsfuss gehören nicht nothwendig zusammen. Sonst müsste in den ärmsten Ländern, wo die Geldpreise der Produkte am nied- rigsten, auch der Zinsfuss am niedrigsten, und in den reichsten Ländern, wo die Geldpreise der Agrikulturprodukte am höchsten, auch der Zinsfuss am höchsten stehn. Im allgemeinen gibt der Economist zu: fällt der Werth des Geldes, so übt das keinen Ein- fluss auf den Zinsfuss. 100 £ bringt nach wie vor 105 £; sind die 100 weniger werth, so auch die 5 Zins. Das Verhältniss wird nicht afficirt durch Werthsteigerung oder Entwerthung der Original- summe. Als Werth betrachtet, ist ein bestimmtes Waarenquantum gleich einer gewissen Geldsumme. Steigt sein Werth, so ist er gleich einer grössern Geldsumme; umgekehrt, wenn er fällt. Ist er = 2000, so 5 % = 100; ist er = 1000, so 5 % = 50. Dies ändert aber nichts am Zinssatz. Das Rationale an der Sache ist nur, dass mehr Geldakkommodation erheischt, wenn 2000 £ nöthig, um dasselbe Quantum Waaren zu verkaufen, als wenn nur 1000 £ nöthig. Aber dies zeigt hier nur umgekehrtes Verhältniss zwischen
durch Vorschuss desselben Kapitals, das ich vielleicht aufnehmen muss. Ich kaufe jetzt wie früher für 2000 £. Meine Nachfrage auf dem Geldmarkt bleibt also dieselbe, wenn auch meine Nach- frage auf dem Waarenmarkt mit dem Sinken der Waarenpreise steigt. Fällt aber diese letztre, d. h. erweitert sich die Produktion nicht mit dem Sinken der Waarenpreise, was allen Gesetzen des Economist widersprechen würde, so nähme die Nachfrage nach leihbarem Geldkapital ab, obgleich der Profit zunähme; dieser zu- nehmende Profit würde aber Nachfrage nach Leihkapital schaffen. Uebrigens mag die Niedrigkeit der Waarenpreise aus drei Ursachen herrühren. Erstens aus Mangel an Nachfrage. Dann ist der Zins- fuss niedrig, weil die Produktion gelähmt, nicht weil die Waaren wohlfeil, da diese Wohlfeilheit bloss Ausdruck jener Lähmung. Oder weil die Zufuhr übergross im Verhältniss zur Nachfrage. Dies mag der Fall sein in Folge von Ueberführung der Märkte etc., die zur Krise führt, und mag in der Krise selbst zusammenfallen mit hohem Zinsfuss; oder es mag der Fall sein, weil der Werth der Waaren gesunken, also dieselbe Nachfrage zu niedrigerem Preis befriedigt werden kann. Warum soll im letzten Fall der Zinsfuss sinken? Weil der Profit wächst? Wenn, weil weniger Geldkapital nöthig, um dasselbe produktive oder Waarenkapital zu erhalten, so bewiese dies nur, dass Profit und Zins in umgekehrtem Ver- hältniss zu einander stehn. Jedenfalls ist der allgemeine Satz des Economist falsch. Niedrige Geldpreise der Waaren und niedriger Zinsfuss gehören nicht nothwendig zusammen. Sonst müsste in den ärmsten Ländern, wo die Geldpreise der Produkte am nied- rigsten, auch der Zinsfuss am niedrigsten, und in den reichsten Ländern, wo die Geldpreise der Agrikulturprodukte am höchsten, auch der Zinsfuss am höchsten stehn. Im allgemeinen gibt der Economist zu: fällt der Werth des Geldes, so übt das keinen Ein- fluss auf den Zinsfuss. 100 £ bringt nach wie vor 105 £; sind die 100 weniger werth, so auch die 5 Zins. Das Verhältniss wird nicht afficirt durch Werthsteigerung oder Entwerthung der Original- summe. Als Werth betrachtet, ist ein bestimmtes Waarenquantum gleich einer gewissen Geldsumme. Steigt sein Werth, so ist er gleich einer grössern Geldsumme; umgekehrt, wenn er fällt. Ist er = 2000, so 5 % = 100; ist er = 1000, so 5 % = 50. Dies ändert aber nichts am Zinssatz. Das Rationale an der Sache ist nur, dass mehr Geldakkommodation erheischt, wenn 2000 £ nöthig, um dasselbe Quantum Waaren zu verkaufen, als wenn nur 1000 £ nöthig. Aber dies zeigt hier nur umgekehrtes Verhältniss zwischen
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durch Vorschuss desselben Kapitals, das ich vielleicht aufnehmen
muss. Ich kaufe jetzt wie früher für 2000 £. Meine Nachfrage
auf dem Geldmarkt bleibt also dieselbe, wenn auch meine Nach-
frage auf dem Waarenmarkt mit dem Sinken der Waarenpreise
steigt. Fällt aber diese letztre, d. h. erweitert sich die Produktion
nicht mit dem Sinken der Waarenpreise, was allen Gesetzen des
Economist widersprechen würde, so nähme die Nachfrage nach
leihbarem Geldkapital ab, obgleich der Profit zunähme; dieser zu-
nehmende Profit würde aber Nachfrage nach Leihkapital schaffen.
Uebrigens mag die Niedrigkeit der Waarenpreise aus drei Ursachen
herrühren. Erstens aus Mangel an Nachfrage. Dann ist der Zins-
fuss niedrig, weil die Produktion gelähmt, nicht weil die Waaren
wohlfeil, da diese Wohlfeilheit bloss Ausdruck jener Lähmung.
Oder weil die Zufuhr übergross im Verhältniss zur Nachfrage.
Dies mag der Fall sein in Folge von Ueberführung der Märkte etc.,
die zur Krise führt, und mag in der Krise selbst zusammenfallen
mit hohem Zinsfuss; oder es mag der Fall sein, weil der Werth
der Waaren gesunken, also dieselbe Nachfrage zu niedrigerem Preis
befriedigt werden kann. Warum soll im letzten Fall der Zinsfuss
sinken? Weil der Profit wächst? Wenn, weil weniger Geldkapital
nöthig, um dasselbe produktive oder Waarenkapital zu erhalten,
so bewiese dies nur, dass Profit und Zins in umgekehrtem Ver-
hältniss zu einander stehn. Jedenfalls ist der allgemeine Satz des
Economist falsch. Niedrige Geldpreise der Waaren und niedriger
Zinsfuss gehören nicht nothwendig zusammen. Sonst müsste in
den ärmsten Ländern, wo die Geldpreise der Produkte am nied-
rigsten, auch der Zinsfuss am niedrigsten, und in den reichsten
Ländern, wo die Geldpreise der Agrikulturprodukte am höchsten,
auch der Zinsfuss am höchsten stehn. Im allgemeinen gibt der
Economist zu: fällt der Werth des Geldes, so übt das keinen Ein-
fluss auf den Zinsfuss. 100 £ bringt nach wie vor 105 £; sind
die 100 weniger werth, so auch die 5 Zins. Das Verhältniss wird
nicht afficirt durch Werthsteigerung oder Entwerthung der Original-
summe. Als Werth betrachtet, ist ein bestimmtes Waarenquantum
gleich einer gewissen Geldsumme. Steigt sein Werth, so ist er
gleich einer grössern Geldsumme; umgekehrt, wenn er fällt. Ist
er = 2000, so 5 % = 100; ist er = 1000, so 5 % = 50. Dies
ändert aber nichts am Zinssatz. Das Rationale an der Sache ist
nur, dass mehr Geldakkommodation erheischt, wenn 2000 £ nöthig,
um dasselbe Quantum Waaren zu verkaufen, als wenn nur 1000 £
nöthig. Aber dies zeigt hier nur umgekehrtes Verhältniss zwischen
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/136>, abgerufen am 23.11.2024.
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