Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem
Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden
für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo-
nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht -- wir
sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien -- ist
nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren
Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien
nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind.
Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den
alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht
kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen-
thums, wie Wakefield35) richtig bemerkt, und schon lange vor ihm
Mirabeau pere, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent-
deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten
ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat
unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur
eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen.
Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri-
stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich
bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage
von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme
des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten
schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus,
neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit
zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund-
eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente
wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt,
so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien
zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der
Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums
existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B.
Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt
er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den
Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt
er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund
und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation
nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist.

Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen-
thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht,

35) Wakefield: England and America. London 1833. Vergleiche auch Buch I,
Kap. XXV.
Marx, Kapital III. 2. 19

halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem
Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden
für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo-
nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht — wir
sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien — ist
nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren
Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien
nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind.
Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den
alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht
kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen-
thums, wie Wakefield35) richtig bemerkt, und schon lange vor ihm
Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent-
deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten
ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat
unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur
eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen.
Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri-
stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich
bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage
von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme
des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten
schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus,
neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit
zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund-
eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente
wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt,
so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien
zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der
Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums
existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B.
Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt
er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den
Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt
er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund
und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation
nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist.

Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen-
thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht,

35) Wakefield: England and America. London 1833. Vergleiche auch Buch I,
Kap. XXV.
Marx, Kapital III. 2. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0298" n="289"/>
halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem<lb/>
Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden<lb/>
für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo-<lb/>
nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht &#x2014; wir<lb/>
sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien &#x2014; ist<lb/>
nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren<lb/>
Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien<lb/>
nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind.<lb/>
Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den<lb/>
alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht<lb/>
kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen-<lb/>
thums, wie Wakefield<note place="foot" n="35)">Wakefield: England and America. London 1833. Vergleiche auch Buch I,<lb/>
Kap. XXV.</note> richtig bemerkt, und schon lange vor ihm<lb/>
Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent-<lb/>
deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten<lb/>
ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat<lb/>
unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur<lb/>
eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen.<lb/>
Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri-<lb/>
stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich<lb/>
bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage<lb/>
von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme<lb/>
des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten<lb/>
schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus,<lb/>
neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit<lb/>
zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund-<lb/>
eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente<lb/>
wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt,<lb/>
so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien<lb/>
zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der<lb/>
Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums<lb/>
existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B.<lb/>
Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt<lb/>
er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den<lb/>
Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt<lb/>
er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund<lb/>
und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation<lb/>
nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist.</p><lb/>
            <p>Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen-<lb/>
thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Marx</hi>, Kapital III. 2. 19</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0298] halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo- nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht — wir sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien — ist nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind. Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen- thums, wie Wakefield 35) richtig bemerkt, und schon lange vor ihm Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent- deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen. Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri- stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus, neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund- eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt, so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B. Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist. Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen- thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht, 35) Wakefield: England and America. London 1833. Vergleiche auch Buch I, Kap. XXV. Marx, Kapital III. 2. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/298
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/298>, abgerufen am 23.11.2024.