In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprocesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch baare Zahlung gilt, muss augen- scheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der That handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentiren der Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfniss weit überschreitende Ausdehnung schliesslich der ganzen Krisis zu Grunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse dieser Wechsel blosse Schwindelgeschäfte vor, die jetzt an's Tages- licht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Waarenkapitale, die ent- werthet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprocesses kann natürlich nicht da- durch kurirt werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämmtlichen entwertheten Waaren zu ihren alten Nominalwerthen kauft. Uebrigens erscheint hier alles ver- dreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld, Noten, Wechsel, Werthpapiere. Namentlich in den Centren, wo das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London, erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich; weniger schon in den Centren der Produktion.
Uebrigens ist mit Bezug auf die in den Krisen zu Tage tretende Ueberreichlichkeit des industriellen Kapitals zu bemerken: Das Waarenkapital ist an sich zugleich Geldkapital, d. h. bestimmte Werthsumme, ausgedrückt im Preis der Waare. Als Gebrauchs- werth ist es bestimmtes Quantum bestimmter Gebrauchsgegenstände, und dies ist im Moment der Krise im Ueberfluss vorhanden. Aber als Geldkapital an sich, als potentielles Geldkapital, ist es be- ständiger Expansion und Kontraktion unterworfen. Am Vorabend der Krise und innerhalb derselben ist das Waarenkapital in seiner Eigenschaft als potentielles Geldkapital kontrahirt. Es stellt für seinen Besitzer und dessen Gläubiger (wie auch als Sicherheit für Wechsel und Anleihen) weniger Geldkapital vor, als zur Zeit, wo es eingekauft und wo die auf es begründeten Diskontirungen und Pfandgeschäfte abgeschlossen wurden. Soll dies der Sinn der Be-
In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprocesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch baare Zahlung gilt, muss augen- scheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der That handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentiren der Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfniss weit überschreitende Ausdehnung schliesslich der ganzen Krisis zu Grunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse dieser Wechsel blosse Schwindelgeschäfte vor, die jetzt an’s Tages- licht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Waarenkapitale, die ent- werthet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprocesses kann natürlich nicht da- durch kurirt werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämmtlichen entwertheten Waaren zu ihren alten Nominalwerthen kauft. Uebrigens erscheint hier alles ver- dreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld, Noten, Wechsel, Werthpapiere. Namentlich in den Centren, wo das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London, erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich; weniger schon in den Centren der Produktion.
Uebrigens ist mit Bezug auf die in den Krisen zu Tage tretende Ueberreichlichkeit des industriellen Kapitals zu bemerken: Das Waarenkapital ist an sich zugleich Geldkapital, d. h. bestimmte Werthsumme, ausgedrückt im Preis der Waare. Als Gebrauchs- werth ist es bestimmtes Quantum bestimmter Gebrauchsgegenstände, und dies ist im Moment der Krise im Ueberfluss vorhanden. Aber als Geldkapital an sich, als potentielles Geldkapital, ist es be- ständiger Expansion und Kontraktion unterworfen. Am Vorabend der Krise und innerhalb derselben ist das Waarenkapital in seiner Eigenschaft als potentielles Geldkapital kontrahirt. Es stellt für seinen Besitzer und dessen Gläubiger (wie auch als Sicherheit für Wechsel und Anleihen) weniger Geldkapital vor, als zur Zeit, wo es eingekauft und wo die auf es begründeten Diskontirungen und Pfandgeschäfte abgeschlossen wurden. Soll dies der Sinn der Be-
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In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des
Reproduktionsprocesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit
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scheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach
Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze
Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der That
handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld.
Aber diese Wechsel repräsentiren der Mehrzahl nach wirkliche
Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfniss weit
überschreitende Ausdehnung schliesslich der ganzen Krisis zu
Grunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse
dieser Wechsel blosse Schwindelgeschäfte vor, die jetzt an’s Tages-
licht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne,
aber verunglückte Spekulationen; endlich Waarenkapitale, die ent-
werthet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr
einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer
Ausdehnung des Reproduktionsprocesses kann natürlich nicht da-
durch kurirt werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank
von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende
Kapital gibt und die sämmtlichen entwertheten Waaren zu ihren
alten Nominalwerthen kauft. Uebrigens erscheint hier alles ver-
dreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und
seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld,
Noten, Wechsel, Werthpapiere. Namentlich in den Centren, wo
das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London,
erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich;
weniger schon in den Centren der Produktion.
Uebrigens ist mit Bezug auf die in den Krisen zu Tage tretende
Ueberreichlichkeit des industriellen Kapitals zu bemerken: Das
Waarenkapital ist an sich zugleich Geldkapital, d. h. bestimmte
Werthsumme, ausgedrückt im Preis der Waare. Als Gebrauchs-
werth ist es bestimmtes Quantum bestimmter Gebrauchsgegenstände,
und dies ist im Moment der Krise im Ueberfluss vorhanden. Aber
als Geldkapital an sich, als potentielles Geldkapital, ist es be-
ständiger Expansion und Kontraktion unterworfen. Am Vorabend
der Krise und innerhalb derselben ist das Waarenkapital in seiner
Eigenschaft als potentielles Geldkapital kontrahirt. Es stellt für
seinen Besitzer und dessen Gläubiger (wie auch als Sicherheit für
Wechsel und Anleihen) weniger Geldkapital vor, als zur Zeit, wo
es eingekauft und wo die auf es begründeten Diskontirungen und
Pfandgeschäfte abgeschlossen wurden. Soll dies der Sinn der Be-
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/37>, abgerufen am 29.01.2025.
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