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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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bis auf QVINTILII VARI Niederlage.
Unglück, so er in seinem Hause, eben in diesem Jahre, an seiner Enckelin, Iulia,
erlebet, machete ihn noch verwirreter, und da sich überdieß der Aberglaube darein
mischete, und ihn durch allerhand angegebene Wunder quälete, so glaubete er, es
arbeite irgend im Himmel selbst eine wiedrige Gottheit, sein bisheriges Glück zu
stürtzen. Alles dieses beugete den grossen Muth dieses Printzens dergestalt, daß,
wenn alles wahr ist, was die Geschicht-Schreiber von seinem Bezeugen erzehlen,
man sich wundern muß, wie ein einiger unvermutheter Schlag die Römische Macht
dergestalt erschüttern können5.

XXIX. Es war in der That ein Glück, daß Tiberius eben mit den Fein-Tiberius ge-
het nach
Teutschland.

den im Illyrico fertig, denn sonst hätten sich die Teutschen vielleicht verleiten lassen,
sothanen Aufstand zu unterstützen1 Er eilete, so bald er die Nachricht erhalten,
nach Rom, und ob er wohl mehr als einen Triumph im Illyrico verdienet, so mu-
ste ietzo seine eigene Ehre, dem allgemeinen Trauren des Vaterlandes, nachstehen.
Ungeachtet nun die gute Zeitung eingelauffen, daß Asprenas zwey Legionen geret-
tet, daß Gallien und Germanien ruhig, und daß die Teutschen selbst, sich nicht ge-
trauet, über den Rhein zu setzen, wollten doch die Werbungen nicht recht von stat-
ten gehen: so daß die Veterani, und freygelassenen, aufgebothen werden musten2.
Tiberius brach mit diesen Truppen nach Gallien auf, und ging im folgenden
Jahre + darauf über den Rhein3. Weil Varus durch seine Weichmüthigkeit haupt-+ A. Ch. 10.
sächlich sein Unglück befördert hatte, so suchte Tiberius ietzt die strenge Disciplin der
alten Zeiten wieder herfür. Jm übrigen wollte er sich nicht eben tieff ins Land wagen,
und wie die Teutschen sich auch nicht im Felde blicken liessen, war er schon zu frieden,
daß er die Armee ohne Verlust in die Winter-Quartiere führen konnte4. Das folgen-
de Jahr, zog Tiberius wieder über den Rhein, und mit ihm Germanicus, Drusi
ältester Sohn, den Tiberius, auf Augusti Befehl an Sohnes statt aufgenommen,
Als sie gegen den Winter nach Rom zurücke gekommen, hielte Tiberius
einen prächtigen Triumph wegen der Pannonier, und Dalmatier5, und ward von

Augu-
[Beginn Spaltensatz] Arserunt toto passim minitantia mundo
Lumina, & ipsa tulit bellum natura per ignes,
Opposuitque suas uires, finemque minata est.
5 svetonivs in Aug. c. 23. Adeo namque
consternatum ferunt, ut per continuos menses, barba,
capilloque summisso, caput interdum foribus illideret,
uociferans: Quintili Vare, legiones redde.
1 §. XXIX. 1. svetonivs in Tiberio c. 17.
Sub idem fere tempus Quinctilius Varus, cum tribus
legionibus, in Germania periit, nemine dubitante,
quin uictores Germani, iuncturi se Pannoniis fue-
rint, nisi debellatum prius Illyricum esset.
2 svetonivs in Augusto 23. Libertino
milite, praeterquam Romae incendiorum caussa, &
si tumultus in grauiore annona metueretur, bis usus
est: semel ad praesidium coloniarum, Illyricum con-
tingentium: iterum ad tutelam ripae Rheni, fluminis.
3 svetonivs c. 17. Proximo anno repeti-
ta Germania.
Nach dionis Rechnung ist dieses ge-
schehen a. u. c. 763. ovidivs scheinet diesen Feldzug
[Spaltenumbruch] für Augen gehabt zu haben, wenn er Tristium L. III.
el. 12. v. 45. &c.
schreibet:
Is, precor, auditos possit narrare triumphos
Caesaris, & Latio reddita vota Ioui.
Teque rebellatrix tandem Germania magni
Triste caput pedibus supposuisse ducis.
4 patercvlvs. L. II. c. 120. Mittitur ad
Germaniam, Gallias confirmat, disponit exercitus,
praesidia munit; se magnitudine sua, non fiducia ho-
stium, metiens, qui Cimbricam, Teutonicamque mili-
tiam, Italiae minabantur; ultro Rhenum, cum exer-
citu, transgreditur. Arminio territo, quem arcuisse
pater, & patria, contenti erant, penetrat interius,
aperit limites, uastat agros, urit domos, fundit
obuios; maximaque cum gloria, incolumi omnium,
quos transduxerat, numero, in hiberna reuertitur.
5 bvcherivs meinet, Tiberius habe auch
noch a. u. c. 765. in Germanien commandiret, und setzet
also diesen Triumph ein Jahr weiter hinaus. Es ist
aber nicht wohl zu erweisen.
[Ende Spaltensatz]
6. sve-
L

bis auf QVINTILII VARI Niederlage.
Ungluͤck, ſo er in ſeinem Hauſe, eben in dieſem Jahre, an ſeiner Enckelin, Iulia,
erlebet, machete ihn noch verwirreter, und da ſich uͤberdieß der Aberglaube darein
miſchete, und ihn durch allerhand angegebene Wunder quaͤlete, ſo glaubete er, es
arbeite irgend im Himmel ſelbſt eine wiedrige Gottheit, ſein bisheriges Gluͤck zu
ſtuͤrtzen. Alles dieſes beugete den groſſen Muth dieſes Printzens dergeſtalt, daß,
wenn alles wahr iſt, was die Geſchicht-Schreiber von ſeinem Bezeugen erzehlen,
man ſich wundern muß, wie ein einiger unvermutheter Schlag die Roͤmiſche Macht
dergeſtalt erſchuͤttern koͤnnen5.

XXIX. Es war in der That ein Gluͤck, daß Tiberius eben mit den Fein-Tiberius ge-
het nach
Teutſchland.

den im Illyrico fertig, denn ſonſt haͤtten ſich die Teutſchen vielleicht verleiten laſſen,
ſothanen Aufſtand zu unterſtuͤtzen1 Er eilete, ſo bald er die Nachricht erhalten,
nach Rom, und ob er wohl mehr als einen Triumph im Illyrico verdienet, ſo mu-
ſte ietzo ſeine eigene Ehre, dem allgemeinen Trauren des Vaterlandes, nachſtehen.
Ungeachtet nun die gute Zeitung eingelauffen, daß Aſprenas zwey Legionen geret-
tet, daß Gallien und Germanien ruhig, und daß die Teutſchen ſelbſt, ſich nicht ge-
trauet, uͤber den Rhein zu ſetzen, wollten doch die Werbungen nicht recht von ſtat-
ten gehen: ſo daß die Veterani, und freygelaſſenen, aufgebothen werden muſten2.
Tiberius brach mit dieſen Truppen nach Gallien auf, und ging im folgenden
Jahre † darauf uͤber den Rhein3. Weil Varus durch ſeine Weichmuͤthigkeit haupt-A. Ch. 10.
ſaͤchlich ſein Ungluͤck befoͤrdert hatte, ſo ſuchte Tiberius ietzt die ſtrenge Diſciplin der
alten Zeiten wieder herfuͤr. Jm uͤbrigen wollte er ſich nicht eben tieff ins Land wagen,
und wie die Teutſchen ſich auch nicht im Felde blicken lieſſen, war er ſchon zu frieden,
daß er die Armee ohne Verluſt in die Winter-Quartiere fuͤhren koñte4. Das folgen-
de Jahr, zog Tiberius wieder uͤber den Rhein, und mit ihm Germanicus, Druſi
aͤlteſter Sohn, den Tiberius, auf Auguſti Befehl an Sohnes ſtatt aufgenommen,
Als ſie gegen den Winter nach Rom zuruͤcke gekommen, hielte Tiberius
einen praͤchtigen Triumph wegen der Pannonier, und Dalmatier5, und ward von

Augu-
[Beginn Spaltensatz] Arſerunt toto paſſim minitantia mundo
Lumina, & ipſa tulit bellum natura per ignes,
Oppoſuitque ſuas uires, finemque minata eſt.
5 svetonivs in Aug. c. 23. Adeo namque
conſternatum ferunt, ut per continuos menſes, barba,
capilloque ſummiſſo, caput interdum foribus illideret,
uociferans: Quintili Vare, legiones redde.
1 §. XXIX. 1. svetonivs in Tiberio c. 17.
Sub idem fere tempus Quinctilius Varus, cum tribus
legionibus, in Germania periit, nemine dubitante,
quin uictores Germani, iuncturi ſe Pannoniis fue-
rint, niſi debellatum prius Illyricum eſſet.
2 svetonivs in Auguſto 23. Libertino
milite, praeterquam Romae incendiorum cauſſa, &
ſi tumultus in grauiore annona metueretur, bis uſus
eſt: ſemel ad praeſidium coloniarum, Illyricum con-
tingentium: iterum ad tutelam ripae Rheni, fluminis.
3 svetonivs c. 17. Proximo anno repeti-
ta Germania.
Nach dionis Rechnung iſt dieſes ge-
ſchehen a. u. c. 763. ovidivs ſcheinet dieſen Feldzug
[Spaltenumbruch] fuͤr Augen gehabt zu haben, wenn er Triſtium L. III.
el. 12. v. 45. &c.
ſchreibet:
Is, precor, auditos poſſit narrare triumphos
Caeſaris, & Latio reddita vota Ioui.
Teque rebellatrix tandem Germania magni
Triſte caput pedibus ſuppoſuiſſe ducis.
4 patercvlvs. L. II. c. 120. Mittitur ad
Germaniam, Gallias confirmat, diſponit exercitus,
praeſidia munit; ſe magnitudine ſua, non fiducia ho-
ſtium, metiens, qui Cimbricam, Teutonicamque mili-
tiam, Italiae minabantur; ultro Rhenum, cum exer-
citu, transgreditur. Arminio territo, quem arcuiſſe
pater, & patria, contenti erant, penetrat interius,
aperit limites, uaſtat agros, urit domos, fundit
obuios; maximaque cum gloria, incolumi omnium,
quos tranſduxerat, numero, in hiberna reuertitur.
5 bvcherivs meinet, Tiberius habe auch
noch a. u. c. 765. in Germanien commandiret, und ſetzet
alſo dieſen Triumph ein Jahr weiter hinaus. Es iſt
aber nicht wohl zu erweiſen.
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6. sve-
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[81/0115] bis auf QVINTILII VARI Niederlage. Ungluͤck, ſo er in ſeinem Hauſe, eben in dieſem Jahre, an ſeiner Enckelin, Iulia, erlebet, machete ihn noch verwirreter, und da ſich uͤberdieß der Aberglaube darein miſchete, und ihn durch allerhand angegebene Wunder quaͤlete, ſo glaubete er, es arbeite irgend im Himmel ſelbſt eine wiedrige Gottheit, ſein bisheriges Gluͤck zu ſtuͤrtzen. 4 Alles dieſes beugete den groſſen Muth dieſes Printzens dergeſtalt, daß, wenn alles wahr iſt, was die Geſchicht-Schreiber von ſeinem Bezeugen erzehlen, man ſich wundern muß, wie ein einiger unvermutheter Schlag die Roͤmiſche Macht dergeſtalt erſchuͤttern koͤnnen 5. XXIX. Es war in der That ein Gluͤck, daß Tiberius eben mit den Fein- den im Illyrico fertig, denn ſonſt haͤtten ſich die Teutſchen vielleicht verleiten laſſen, ſothanen Aufſtand zu unterſtuͤtzen 1 Er eilete, ſo bald er die Nachricht erhalten, nach Rom, und ob er wohl mehr als einen Triumph im Illyrico verdienet, ſo mu- ſte ietzo ſeine eigene Ehre, dem allgemeinen Trauren des Vaterlandes, nachſtehen. Ungeachtet nun die gute Zeitung eingelauffen, daß Aſprenas zwey Legionen geret- tet, daß Gallien und Germanien ruhig, und daß die Teutſchen ſelbſt, ſich nicht ge- trauet, uͤber den Rhein zu ſetzen, wollten doch die Werbungen nicht recht von ſtat- ten gehen: ſo daß die Veterani, und freygelaſſenen, aufgebothen werden muſten 2. Tiberius brach mit dieſen Truppen nach Gallien auf, und ging im folgenden Jahre † darauf uͤber den Rhein 3. Weil Varus durch ſeine Weichmuͤthigkeit haupt- ſaͤchlich ſein Ungluͤck befoͤrdert hatte, ſo ſuchte Tiberius ietzt die ſtrenge Diſciplin der alten Zeiten wieder herfuͤr. Jm uͤbrigen wollte er ſich nicht eben tieff ins Land wagen, und wie die Teutſchen ſich auch nicht im Felde blicken lieſſen, war er ſchon zu frieden, daß er die Armee ohne Verluſt in die Winter-Quartiere fuͤhren koñte 4. Das folgen- de Jahr, zog Tiberius wieder uͤber den Rhein, und mit ihm Germanicus, Druſi aͤlteſter Sohn, den Tiberius, auf Auguſti Befehl an Sohnes ſtatt aufgenommen, Als ſie gegen den Winter nach Rom zuruͤcke gekommen, hielte Tiberius einen praͤchtigen Triumph wegen der Pannonier, und Dalmatier 5, und ward von Augu- Tiberius ge- het nach Teutſchland. † A. Ch. 10. 4 Arſerunt toto paſſim minitantia mundo Lumina, & ipſa tulit bellum natura per ignes, Oppoſuitque ſuas uires, finemque minata eſt. 5 svetonivs in Aug. c. 23. Adeo namque conſternatum ferunt, ut per continuos menſes, barba, capilloque ſummiſſo, caput interdum foribus illideret, uociferans: Quintili Vare, legiones redde. 1 §. XXIX. 1. svetonivs in Tiberio c. 17. Sub idem fere tempus Quinctilius Varus, cum tribus legionibus, in Germania periit, nemine dubitante, quin uictores Germani, iuncturi ſe Pannoniis fue- rint, niſi debellatum prius Illyricum eſſet. 2 svetonivs in Auguſto 23. Libertino milite, praeterquam Romae incendiorum cauſſa, & ſi tumultus in grauiore annona metueretur, bis uſus eſt: ſemel ad praeſidium coloniarum, Illyricum con- tingentium: iterum ad tutelam ripae Rheni, fluminis. 3 svetonivs c. 17. Proximo anno repeti- ta Germania. Nach dionis Rechnung iſt dieſes ge- ſchehen a. u. c. 763. ovidivs ſcheinet dieſen Feldzug fuͤr Augen gehabt zu haben, wenn er Triſtium L. III. el. 12. v. 45. &c. ſchreibet: Is, precor, auditos poſſit narrare triumphos Caeſaris, & Latio reddita vota Ioui. Teque rebellatrix tandem Germania magni Triſte caput pedibus ſuppoſuiſſe ducis. 4 patercvlvs. L. II. c. 120. Mittitur ad Germaniam, Gallias confirmat, diſponit exercitus, praeſidia munit; ſe magnitudine ſua, non fiducia ho- ſtium, metiens, qui Cimbricam, Teutonicamque mili- tiam, Italiae minabantur; ultro Rhenum, cum exer- citu, transgreditur. Arminio territo, quem arcuiſſe pater, & patria, contenti erant, penetrat interius, aperit limites, uaſtat agros, urit domos, fundit obuios; maximaque cum gloria, incolumi omnium, quos tranſduxerat, numero, in hiberna reuertitur. 5 bvcherivs meinet, Tiberius habe auch noch a. u. c. 765. in Germanien commandiret, und ſetzet alſo dieſen Triumph ein Jahr weiter hinaus. Es iſt aber nicht wohl zu erweiſen. 6. sve- L

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/115>, abgerufen am 21.11.2024.