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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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genug von ihnen zu Gebote. Laß uns beraten, welche
Gestalt wir dem Baue geben!"

Da ich hierbei unbeteiligt war, suchte ich meinen Dol-
metscher auf, um mir das Manuskript des Verstorbenen
geben zu lassen. Er hatte es in das Innere eines hohlen
Thinarbaumes versteckt, und wir ließen uns in der Nähe
desselben nieder, wo ich meinen Sprachübungen ungestört
obliegen konnte.

Darüber verging der Tag, und der Abend kam heran.
Auf den Höhen, welche das Thal von Scheik Adi um-
gaben, leuchtete ein Wachtfeuer neben dem andern auf.
Es war den Türken unmöglich, zu entkommen, selbst wenn
der Kaimakam gegen sein Versprechen die Nacht zu einem
Durchbruche hätte benutzen wollen. Die Zeit der Dunkel-
heit verging ohne alle Störung, und am Morgen kehrte
Pali zurück. Die Schnelligkeit und Ausdauer seines guten
Pferdes hatte die Entfernung zwischen Scheik Adi und
Mossul bedeutend abgekürzt. Ich hatte in dem Zelte des
Bey geschlafen und befand mich noch dort, als der Bote
eintrat.

"Hast du den Mutessarif getroffen?" fragte ihn Ali.

"Ja, Herr; noch spät am Abend."

"Was sagte er?"

"Erst wütete er und wollte mich tot peitschen lassen.
Dann ließ er viele Offiziere und seinen Diwan effendisi *)
kommen, mit denen er sich lange Zeit beraten hat. Dann
durfte ich zurückkehren."

"Bei dieser Beratung warest du nicht zugegen?"

"Nein."

"Welche Antwort hast du erhalten?"

"Einen Brief an dich."

"Zeige ihn!"

*) Versammlung der Räte.

genug von ihnen zu Gebote. Laß uns beraten, welche
Geſtalt wir dem Baue geben!“

Da ich hierbei unbeteiligt war, ſuchte ich meinen Dol-
metſcher auf, um mir das Manuſkript des Verſtorbenen
geben zu laſſen. Er hatte es in das Innere eines hohlen
Thinarbaumes verſteckt, und wir ließen uns in der Nähe
desſelben nieder, wo ich meinen Sprachübungen ungeſtört
obliegen konnte.

Darüber verging der Tag, und der Abend kam heran.
Auf den Höhen, welche das Thal von Scheik Adi um-
gaben, leuchtete ein Wachtfeuer neben dem andern auf.
Es war den Türken unmöglich, zu entkommen, ſelbſt wenn
der Kaimakam gegen ſein Verſprechen die Nacht zu einem
Durchbruche hätte benutzen wollen. Die Zeit der Dunkel-
heit verging ohne alle Störung, und am Morgen kehrte
Pali zurück. Die Schnelligkeit und Ausdauer ſeines guten
Pferdes hatte die Entfernung zwiſchen Scheik Adi und
Moſſul bedeutend abgekürzt. Ich hatte in dem Zelte des
Bey geſchlafen und befand mich noch dort, als der Bote
eintrat.

„Haſt du den Muteſſarif getroffen?“ fragte ihn Ali.

„Ja, Herr; noch ſpät am Abend.“

„Was ſagte er?“

„Erſt wütete er und wollte mich tot peitſchen laſſen.
Dann ließ er viele Offiziere und ſeinen Diwan effendiſi *)
kommen, mit denen er ſich lange Zeit beraten hat. Dann
durfte ich zurückkehren.“

„Bei dieſer Beratung wareſt du nicht zugegen?“

„Nein.“

„Welche Antwort haſt du erhalten?“

„Einen Brief an dich.“

„Zeige ihn!“

*) Verſammlung der Räte.
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[88/0102] genug von ihnen zu Gebote. Laß uns beraten, welche Geſtalt wir dem Baue geben!“ Da ich hierbei unbeteiligt war, ſuchte ich meinen Dol- metſcher auf, um mir das Manuſkript des Verſtorbenen geben zu laſſen. Er hatte es in das Innere eines hohlen Thinarbaumes verſteckt, und wir ließen uns in der Nähe desſelben nieder, wo ich meinen Sprachübungen ungeſtört obliegen konnte. Darüber verging der Tag, und der Abend kam heran. Auf den Höhen, welche das Thal von Scheik Adi um- gaben, leuchtete ein Wachtfeuer neben dem andern auf. Es war den Türken unmöglich, zu entkommen, ſelbſt wenn der Kaimakam gegen ſein Verſprechen die Nacht zu einem Durchbruche hätte benutzen wollen. Die Zeit der Dunkel- heit verging ohne alle Störung, und am Morgen kehrte Pali zurück. Die Schnelligkeit und Ausdauer ſeines guten Pferdes hatte die Entfernung zwiſchen Scheik Adi und Moſſul bedeutend abgekürzt. Ich hatte in dem Zelte des Bey geſchlafen und befand mich noch dort, als der Bote eintrat. „Haſt du den Muteſſarif getroffen?“ fragte ihn Ali. „Ja, Herr; noch ſpät am Abend.“ „Was ſagte er?“ „Erſt wütete er und wollte mich tot peitſchen laſſen. Dann ließ er viele Offiziere und ſeinen Diwan effendiſi *) kommen, mit denen er ſich lange Zeit beraten hat. Dann durfte ich zurückkehren.“ „Bei dieſer Beratung wareſt du nicht zugegen?“ „Nein.“ „Welche Antwort haſt du erhalten?“ „Einen Brief an dich.“ „Zeige ihn!“ *) Verſammlung der Räte.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/102>, abgerufen am 22.12.2024.