"Nein. Aber er bekommt als Kommandant neben freier Wohnung monatlich sechstausendsiebenhundertachtzig Piaster, und es geht ihm, wie uns allen: er hat seit elf Monaten nichts erhalten und weiß nicht, was er essen und trinken soll. Kann er sich da freuen, wenn er wich- tige Besuche erhält?"
"Ich will ihn sehen und sprechen, aber nicht bei ihm essen!"
"Das geht nicht. Er muß dich standesgemäß und würdig empfangen, und darum hat er die -- die -- -- --"
Er wurde verlegen.
"Was? Die -- die -- -- --?"
"Die hiesigen Juden zu sich kommen lassen, um fünf- hundert Piaster von ihnen zu leihen. Das braucht er, um zu kaufen, was er zu deinem Empfange nötig hat."
"Sie haben es ihm gegeben?"
"Alla illa Allah; sie hatten selbst nichts mehr, denn sie haben ihm bereits alles geben müssen. Nun hat er sich einen Hammel geborgt und noch vieles dazu. Das ist sehr schlimm, besonders für mich, Emir!"
"Warum für dich?"
"Weil ich ihm diese fünfhundert Piaster leihen oder -- oder -- -- --"
"Nun, oder -- -- --"
"Oder dich fragen muß, ob du -- du -- -- --"
"Sprich doch weiter, Agha!"
"Ob du reich bist. Oh, Emir, ich hätte ja selbst auch keinen einzigen Para, wenn du mir heute nichts gegeben hättest! Und davon habe ich an Mersinah fünfunddreißig Piaster geben müssen!"
Zu meinem Empfange dem Mutesselim fünfhundert Piaster borgen, das heißt so viel wie schenken! Das waren
„Iſt er ein Einſiedler?“
„Nein. Aber er bekommt als Kommandant neben freier Wohnung monatlich ſechstauſendſiebenhundertachtzig Piaſter, und es geht ihm, wie uns allen: er hat ſeit elf Monaten nichts erhalten und weiß nicht, was er eſſen und trinken ſoll. Kann er ſich da freuen, wenn er wich- tige Beſuche erhält?“
„Ich will ihn ſehen und ſprechen, aber nicht bei ihm eſſen!“
„Das geht nicht. Er muß dich ſtandesgemäß und würdig empfangen, und darum hat er die — die — — —“
Er wurde verlegen.
„Was? Die — die — — —?“
„Die hieſigen Juden zu ſich kommen laſſen, um fünf- hundert Piaſter von ihnen zu leihen. Das braucht er, um zu kaufen, was er zu deinem Empfange nötig hat.“
„Sie haben es ihm gegeben?“
„Alla illa Allah; ſie hatten ſelbſt nichts mehr, denn ſie haben ihm bereits alles geben müſſen. Nun hat er ſich einen Hammel geborgt und noch vieles dazu. Das iſt ſehr ſchlimm, beſonders für mich, Emir!“
„Warum für dich?“
„Weil ich ihm dieſe fünfhundert Piaſter leihen oder — oder — — —“
„Nun, oder — — —“
„Oder dich fragen muß, ob du — du — — —“
„Sprich doch weiter, Agha!“
„Ob du reich biſt. Oh, Emir, ich hätte ja ſelbſt auch keinen einzigen Para, wenn du mir heute nichts gegeben hätteſt! Und davon habe ich an Merſinah fünfunddreißig Piaſter geben müſſen!“
Zu meinem Empfange dem Muteſſelim fünfhundert Piaſter borgen, das heißt ſo viel wie ſchenken! Das waren
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0190"n="176"/><p>„Iſt er ein Einſiedler?“</p><lb/><p>„Nein. Aber er bekommt als Kommandant neben<lb/>
freier Wohnung monatlich ſechstauſendſiebenhundertachtzig<lb/>
Piaſter, und es geht ihm, wie uns allen: er hat ſeit elf<lb/>
Monaten nichts erhalten und weiß nicht, was er eſſen<lb/>
und trinken ſoll. Kann er ſich da freuen, wenn er wich-<lb/>
tige Beſuche erhält?“</p><lb/><p>„Ich will ihn ſehen und ſprechen, aber nicht bei ihm<lb/>
eſſen!“</p><lb/><p>„Das geht nicht. Er muß dich ſtandesgemäß und<lb/>
würdig empfangen, und darum hat er die — die ———“</p><lb/><p>Er wurde verlegen.</p><lb/><p>„Was? Die — die ———?“</p><lb/><p>„Die hieſigen Juden zu ſich kommen laſſen, um fünf-<lb/>
hundert Piaſter von ihnen zu leihen. Das braucht er,<lb/>
um zu kaufen, was er zu deinem Empfange nötig hat.“</p><lb/><p>„Sie haben es ihm gegeben?“</p><lb/><p>„Alla illa Allah; ſie hatten ſelbſt nichts mehr, denn<lb/>ſie haben ihm bereits alles geben müſſen. Nun hat er<lb/>ſich einen Hammel geborgt und noch vieles dazu. Das<lb/>
iſt ſehr ſchlimm, beſonders für mich, Emir!“</p><lb/><p>„Warum für dich?“</p><lb/><p>„Weil ich ihm dieſe fünfhundert Piaſter leihen oder<lb/>— oder ———“</p><lb/><p>„Nun, oder ———“</p><lb/><p>„Oder dich fragen muß, ob du — du ———“</p><lb/><p>„Sprich doch weiter, Agha!“</p><lb/><p>„Ob du reich biſt. Oh, Emir, ich hätte ja ſelbſt auch<lb/>
keinen einzigen Para, wenn du mir heute nichts gegeben<lb/>
hätteſt! Und davon habe ich an Merſinah fünfunddreißig<lb/>
Piaſter geben müſſen!“</p><lb/><p>Zu meinem Empfange dem Muteſſelim fünfhundert<lb/>
Piaſter borgen, das heißt ſo viel wie ſchenken! Das waren<lb/></p></div></body></text></TEI>
[176/0190]
„Iſt er ein Einſiedler?“
„Nein. Aber er bekommt als Kommandant neben
freier Wohnung monatlich ſechstauſendſiebenhundertachtzig
Piaſter, und es geht ihm, wie uns allen: er hat ſeit elf
Monaten nichts erhalten und weiß nicht, was er eſſen
und trinken ſoll. Kann er ſich da freuen, wenn er wich-
tige Beſuche erhält?“
„Ich will ihn ſehen und ſprechen, aber nicht bei ihm
eſſen!“
„Das geht nicht. Er muß dich ſtandesgemäß und
würdig empfangen, und darum hat er die — die — — —“
Er wurde verlegen.
„Was? Die — die — — —?“
„Die hieſigen Juden zu ſich kommen laſſen, um fünf-
hundert Piaſter von ihnen zu leihen. Das braucht er,
um zu kaufen, was er zu deinem Empfange nötig hat.“
„Sie haben es ihm gegeben?“
„Alla illa Allah; ſie hatten ſelbſt nichts mehr, denn
ſie haben ihm bereits alles geben müſſen. Nun hat er
ſich einen Hammel geborgt und noch vieles dazu. Das
iſt ſehr ſchlimm, beſonders für mich, Emir!“
„Warum für dich?“
„Weil ich ihm dieſe fünfhundert Piaſter leihen oder
— oder — — —“
„Nun, oder — — —“
„Oder dich fragen muß, ob du — du — — —“
„Sprich doch weiter, Agha!“
„Ob du reich biſt. Oh, Emir, ich hätte ja ſelbſt auch
keinen einzigen Para, wenn du mir heute nichts gegeben
hätteſt! Und davon habe ich an Merſinah fünfunddreißig
Piaſter geben müſſen!“
Zu meinem Empfange dem Muteſſelim fünfhundert
Piaſter borgen, das heißt ſo viel wie ſchenken! Das waren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/190>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.