Seine Stimme klang wie Donner in dem langen, schmalen Raum.
"Vom Kawedschi," antwortete der Sergeant nach einigem Zögern.
"Vom Kawedschi! Während ihr hier wachen sollt! Wer hat euch die Erlaubnis erteilt, fortzugehen?"
"Niemand!"
Die Leute zitterten vor Angst; sie dauerten mich. Ihre Nachlässigkeit war mir ja von so großem Vorteile gewesen. Trotz des kleinen Flämmchens sah ich, wie schrecklich der Agha seine Augen rollen ließ. Die Spitzen seines Bartes bebten, und seine Hand ballte sich vor Wut. Aber er mochte bemerken, daß er denn doch noch nicht ganz fest auf den Füßen stehe, und daher besann er sich eines Besseren.
"Morgen erhaltet ihr eure Strafe!"
Er setzte die Lampe auf eine der Treppenstufen und wandte sich zu mir:
"Oder meinst du vielleicht, Emir, daß ich gleich jetzt das Urteil fälle? Willst du haben, daß ich den einen durch die andern auspeitschen lasse?"
"Verschiebe ihre Züchtigung bis morgen, Selim Agha! Sie kann ihnen ja nicht entgehen."
"Ich thue deinen Willen. Komm!"
Er öffnete die Thüre und verschloß sie von draußen wieder.
Wir gingen nach Hause, wo uns die ,Myrte' er- wartete.
"Warest du so lange beim Mutesselim?" fragte sie ihn argwöhnisch.
"Mersinah," antwortete er, "ich sage dir, daß wir eingeladen wurden, bis zum frühen Morgen zu bleiben;
„Wo kommt ihr her, ihr Hunde?“ fuhr er ſie an.
Seine Stimme klang wie Donner in dem langen, ſchmalen Raum.
„Vom Kawedſchi,“ antwortete der Sergeant nach einigem Zögern.
„Vom Kawedſchi! Während ihr hier wachen ſollt! Wer hat euch die Erlaubnis erteilt, fortzugehen?“
„Niemand!“
Die Leute zitterten vor Angſt; ſie dauerten mich. Ihre Nachläſſigkeit war mir ja von ſo großem Vorteile geweſen. Trotz des kleinen Flämmchens ſah ich, wie ſchrecklich der Agha ſeine Augen rollen ließ. Die Spitzen ſeines Bartes bebten, und ſeine Hand ballte ſich vor Wut. Aber er mochte bemerken, daß er denn doch noch nicht ganz feſt auf den Füßen ſtehe, und daher beſann er ſich eines Beſſeren.
„Morgen erhaltet ihr eure Strafe!“
Er ſetzte die Lampe auf eine der Treppenſtufen und wandte ſich zu mir:
„Oder meinſt du vielleicht, Emir, daß ich gleich jetzt das Urteil fälle? Willſt du haben, daß ich den einen durch die andern auspeitſchen laſſe?“
„Verſchiebe ihre Züchtigung bis morgen, Selim Agha! Sie kann ihnen ja nicht entgehen.“
„Ich thue deinen Willen. Komm!“
Er öffnete die Thüre und verſchloß ſie von draußen wieder.
Wir gingen nach Hauſe, wo uns die ‚Myrte‘ er- wartete.
„Wareſt du ſo lange beim Muteſſelim?“ fragte ſie ihn argwöhniſch.
„Merſinah,“ antwortete er, „ich ſage dir, daß wir eingeladen wurden, bis zum frühen Morgen zu bleiben;
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0261"n="247"/><p>„Wo kommt ihr her, ihr Hunde?“ fuhr er ſie an.</p><lb/><p>Seine Stimme klang wie Donner in dem langen,<lb/>ſchmalen Raum.</p><lb/><p>„Vom Kawedſchi,“ antwortete der Sergeant nach<lb/>
einigem Zögern.</p><lb/><p>„Vom Kawedſchi! Während ihr hier wachen ſollt!<lb/>
Wer hat euch die Erlaubnis erteilt, fortzugehen?“</p><lb/><p>„Niemand!“</p><lb/><p>Die Leute zitterten vor Angſt; ſie dauerten mich.<lb/>
Ihre Nachläſſigkeit war mir ja von ſo großem Vorteile<lb/>
geweſen. Trotz des kleinen Flämmchens ſah ich, wie<lb/>ſchrecklich der Agha ſeine Augen rollen ließ. Die Spitzen<lb/>ſeines Bartes bebten, und ſeine Hand ballte ſich vor<lb/>
Wut. Aber er mochte bemerken, daß er denn doch noch<lb/>
nicht ganz feſt auf den Füßen ſtehe, und daher beſann er<lb/>ſich eines Beſſeren.</p><lb/><p>„Morgen erhaltet ihr eure Strafe!“</p><lb/><p>Er ſetzte die Lampe auf eine der Treppenſtufen und<lb/>
wandte ſich zu mir:</p><lb/><p>„Oder meinſt du vielleicht, Emir, daß ich gleich jetzt<lb/>
das Urteil fälle? Willſt du haben, daß ich den einen<lb/>
durch die andern auspeitſchen laſſe?“</p><lb/><p>„Verſchiebe ihre Züchtigung bis morgen, Selim Agha!<lb/>
Sie kann ihnen ja nicht entgehen.“</p><lb/><p>„Ich thue deinen Willen. Komm!“</p><lb/><p>Er öffnete die Thüre und verſchloß ſie von draußen<lb/>
wieder.</p><lb/><p>Wir gingen nach Hauſe, wo uns die ‚Myrte‘ er-<lb/>
wartete.</p><lb/><p>„Wareſt du ſo lange beim Muteſſelim?“ fragte ſie<lb/>
ihn argwöhniſch.</p><lb/><p>„Merſinah,“ antwortete er, „ich ſage dir, daß wir<lb/>
eingeladen wurden, bis zum frühen Morgen zu bleiben;<lb/></p></div></body></text></TEI>
[247/0261]
„Wo kommt ihr her, ihr Hunde?“ fuhr er ſie an.
Seine Stimme klang wie Donner in dem langen,
ſchmalen Raum.
„Vom Kawedſchi,“ antwortete der Sergeant nach
einigem Zögern.
„Vom Kawedſchi! Während ihr hier wachen ſollt!
Wer hat euch die Erlaubnis erteilt, fortzugehen?“
„Niemand!“
Die Leute zitterten vor Angſt; ſie dauerten mich.
Ihre Nachläſſigkeit war mir ja von ſo großem Vorteile
geweſen. Trotz des kleinen Flämmchens ſah ich, wie
ſchrecklich der Agha ſeine Augen rollen ließ. Die Spitzen
ſeines Bartes bebten, und ſeine Hand ballte ſich vor
Wut. Aber er mochte bemerken, daß er denn doch noch
nicht ganz feſt auf den Füßen ſtehe, und daher beſann er
ſich eines Beſſeren.
„Morgen erhaltet ihr eure Strafe!“
Er ſetzte die Lampe auf eine der Treppenſtufen und
wandte ſich zu mir:
„Oder meinſt du vielleicht, Emir, daß ich gleich jetzt
das Urteil fälle? Willſt du haben, daß ich den einen
durch die andern auspeitſchen laſſe?“
„Verſchiebe ihre Züchtigung bis morgen, Selim Agha!
Sie kann ihnen ja nicht entgehen.“
„Ich thue deinen Willen. Komm!“
Er öffnete die Thüre und verſchloß ſie von draußen
wieder.
Wir gingen nach Hauſe, wo uns die ‚Myrte‘ er-
wartete.
„Wareſt du ſo lange beim Muteſſelim?“ fragte ſie
ihn argwöhniſch.
„Merſinah,“ antwortete er, „ich ſage dir, daß wir
eingeladen wurden, bis zum frühen Morgen zu bleiben;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/261>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.