"Das ist noch ein wenig ungewiß. Ich glaube, daß der Agha die Sache etwas zu ernst genommen hat."
"O, du träufelst Balsam in mein verwundetes Herz. Ist es nicht möglich, sie von Amadijah abzuhalten?"
"Wir wollen uns das überlegen. Hast du die Kaffee- sorten auseinander gelesen?"
"Ja, Herr. Es ist das eine sehr schlimme Arbeit gewesen; aber dieser böse Hadschi Halef Omar ließ mir keine Ruhe, bis ich fertig war. Willst du es sehen?"
"Zeige her!"
Sie brachte die Büchse und die Tüte herbei, und ich überzeugte mich, daß sie sich allerdings große Mühe ge- geben hatte.
"Und wie wird dein Urteil lauten, Emir?"
"Es lautet gut für dich. Da deine zarten Hände diese Bohnen so oft berühren mußten, so soll der Kaffee dein Eigentum sein. Auch das Geschirr, welches ich heute einkaufte, gehört dir; die Gläser aber schenke ich dem wackeren Selim Bey."
"O Effendi, du bist ein gerechter und weiser Richter. Du hast mehr Güte, als ich Töpfe hatte, und dieser duftende Kaffee ist ein Beweis deiner Herrlichkeit. Allah mag das Herz der Russen lenken, daß sie nicht kommen und dich nicht erschießen. Denkst du, daß ich heute noch ruhig schlafen kann?"
"Das kannst du; ich versichere es dir!"
"Ich danke dir, denn die Ruhe ist noch das einzige, an dem ein geplagtes Weib sich freuen kann!"
"Schläfst du hier unten, Mersinah?"
"Ja."
"Aber nicht in der Küche, sondern nach vorn hinaus?"
„Emir, iſt es wahr, daß die Ruſſen kommen?“
„Das iſt noch ein wenig ungewiß. Ich glaube, daß der Agha die Sache etwas zu ernſt genommen hat.“
„O, du träufelſt Balſam in mein verwundetes Herz. Iſt es nicht möglich, ſie von Amadijah abzuhalten?“
„Wir wollen uns das überlegen. Haſt du die Kaffee- ſorten auseinander geleſen?“
„Ja, Herr. Es iſt das eine ſehr ſchlimme Arbeit geweſen; aber dieſer böſe Hadſchi Halef Omar ließ mir keine Ruhe, bis ich fertig war. Willſt du es ſehen?“
„Zeige her!“
Sie brachte die Büchſe und die Tüte herbei, und ich überzeugte mich, daß ſie ſich allerdings große Mühe ge- geben hatte.
„Und wie wird dein Urteil lauten, Emir?“
„Es lautet gut für dich. Da deine zarten Hände dieſe Bohnen ſo oft berühren mußten, ſo ſoll der Kaffee dein Eigentum ſein. Auch das Geſchirr, welches ich heute einkaufte, gehört dir; die Gläſer aber ſchenke ich dem wackeren Selim Bey.“
„O Effendi, du biſt ein gerechter und weiſer Richter. Du haſt mehr Güte, als ich Töpfe hatte, und dieſer duftende Kaffee iſt ein Beweis deiner Herrlichkeit. Allah mag das Herz der Ruſſen lenken, daß ſie nicht kommen und dich nicht erſchießen. Denkſt du, daß ich heute noch ruhig ſchlafen kann?“
„Das kannſt du; ich verſichere es dir!“
„Ich danke dir, denn die Ruhe iſt noch das einzige, an dem ein geplagtes Weib ſich freuen kann!“
„Schläfſt du hier unten, Merſinah?“
„Ja.“
„Aber nicht in der Küche, ſondern nach vorn hinaus?“
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„Emir, iſt es wahr, daß die Ruſſen kommen?“
„Das iſt noch ein wenig ungewiß. Ich glaube, daß
der Agha die Sache etwas zu ernſt genommen hat.“
„O, du träufelſt Balſam in mein verwundetes Herz.
Iſt es nicht möglich, ſie von Amadijah abzuhalten?“
„Wir wollen uns das überlegen. Haſt du die Kaffee-
ſorten auseinander geleſen?“
„Ja, Herr. Es iſt das eine ſehr ſchlimme Arbeit
geweſen; aber dieſer böſe Hadſchi Halef Omar ließ mir
keine Ruhe, bis ich fertig war. Willſt du es ſehen?“
„Zeige her!“
Sie brachte die Büchſe und die Tüte herbei, und ich
überzeugte mich, daß ſie ſich allerdings große Mühe ge-
geben hatte.
„Und wie wird dein Urteil lauten, Emir?“
„Es lautet gut für dich. Da deine zarten Hände
dieſe Bohnen ſo oft berühren mußten, ſo ſoll der Kaffee
dein Eigentum ſein. Auch das Geſchirr, welches ich heute
einkaufte, gehört dir; die Gläſer aber ſchenke ich dem
wackeren Selim Bey.“
„O Effendi, du biſt ein gerechter und weiſer Richter.
Du haſt mehr Güte, als ich Töpfe hatte, und dieſer
duftende Kaffee iſt ein Beweis deiner Herrlichkeit. Allah
mag das Herz der Ruſſen lenken, daß ſie nicht kommen
und dich nicht erſchießen. Denkſt du, daß ich heute noch
ruhig ſchlafen kann?“
„Das kannſt du; ich verſichere es dir!“
„Ich danke dir, denn die Ruhe iſt noch das einzige,
an dem ein geplagtes Weib ſich freuen kann!“
„Schläfſt du hier unten, Merſinah?“
„Ja.“
„Aber nicht in der Küche, ſondern nach vorn
hinaus?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/263>, abgerufen am 23.12.2024.
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