Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Katera Chodeh!" rief ich. "Um Gottes willen die
Flinten weg, sonst erwürgt er ihn!"

Eine Kugel, welche den Hund nicht augenblicklich
tötete, wäre der Tod des Kurden gewesen. Die Krieger
sahen das ein, und da keiner von ihnen seines Schusses
ganz sicher sein mochte, so senkten sie die Gewehre.

"Rufe den Hund weg!" gebot mir einer.

"Diese Bestie war es, die meinen Nachbar tötete!"
rief eine andere Stimme. Dieselbe gehörte dem Nezanum
an, der hinter einem Strauch hervortrat. Er hatte die
weise Vorsicht gebraucht, sich bis jetzt in gehöriger Ent-
fernung zu halten.

"Du hast recht, Nezanum," antwortete ich. "Und er
wird auch das Genick dieses Mannes zermalmen, wenn
ich es ihm gebiete."

"Rufe ihn weg!" wiederholte der vorige Sprecher.

"Sage mir zuvor, ob dieser Mann da der Rächer ist!"

"Er ist es, der den Heif *) hat."

"So will ich euch zeigen, daß ich ihn nicht fürchte.
-- Dojan, geri -- zurück!"

Der Hund ließ von dem Kurden ab. Dieser erhob
sich. Der Schmerz seiner Hand war so groß, daß er ihn
kaum verwinden konnte; noch größer aber war seine Wut.
Er trat hart zu mir heran und schüttelte drohend das
verwundete Glied.

"Dein Hund hat mir die Kraft meines Armes ge-
nommen," knirschte er. "Aber glaube ja nicht, daß ich
nun die Rache einem andern überlassen werde. Ez heifi
cho-e desti cho-e bigerim tera -- ich werde mit eigner Hand
an dir Rache nehmen!"

"Du redest wie ein Bak **), vor dessen Quaken sich

*) Rache.
**) Frosch.

„Katera Chodeh!“ rief ich. „Um Gottes willen die
Flinten weg, ſonſt erwürgt er ihn!“

Eine Kugel, welche den Hund nicht augenblicklich
tötete, wäre der Tod des Kurden geweſen. Die Krieger
ſahen das ein, und da keiner von ihnen ſeines Schuſſes
ganz ſicher ſein mochte, ſo ſenkten ſie die Gewehre.

„Rufe den Hund weg!“ gebot mir einer.

„Dieſe Beſtie war es, die meinen Nachbar tötete!“
rief eine andere Stimme. Dieſelbe gehörte dem Nezanum
an, der hinter einem Strauch hervortrat. Er hatte die
weiſe Vorſicht gebraucht, ſich bis jetzt in gehöriger Ent-
fernung zu halten.

„Du haſt recht, Nezanum,“ antwortete ich. „Und er
wird auch das Genick dieſes Mannes zermalmen, wenn
ich es ihm gebiete.“

„Rufe ihn weg!“ wiederholte der vorige Sprecher.

„Sage mir zuvor, ob dieſer Mann da der Rächer iſt!“

„Er iſt es, der den Heif *) hat.“

„So will ich euch zeigen, daß ich ihn nicht fürchte.
— Dojan, geri — zurück!“

Der Hund ließ von dem Kurden ab. Dieſer erhob
ſich. Der Schmerz ſeiner Hand war ſo groß, daß er ihn
kaum verwinden konnte; noch größer aber war ſeine Wut.
Er trat hart zu mir heran und ſchüttelte drohend das
verwundete Glied.

„Dein Hund hat mir die Kraft meines Armes ge-
nommen,“ knirſchte er. „Aber glaube ja nicht, daß ich
nun die Rache einem andern überlaſſen werde. Ez heïfi
cho-e deſti cho-e bigerim tera — ich werde mit eigner Hand
an dir Rache nehmen!“

„Du redeſt wie ein Bak **), vor deſſen Quaken ſich

*) Rache.
**) Froſch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0434" n="420"/>
        <p>&#x201E;Katera Chodeh!&#x201C; rief ich. &#x201E;Um Gottes willen die<lb/>
Flinten weg, &#x017F;on&#x017F;t erwürgt er ihn!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Eine Kugel, welche den Hund nicht augenblicklich<lb/>
tötete, wäre der Tod des Kurden gewe&#x017F;en. Die Krieger<lb/>
&#x017F;ahen das ein, und da keiner von ihnen &#x017F;eines Schu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
ganz &#x017F;icher &#x017F;ein mochte, &#x017F;o &#x017F;enkten &#x017F;ie die Gewehre.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Rufe den Hund weg!&#x201C; gebot mir einer.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die&#x017F;e Be&#x017F;tie war es, die meinen Nachbar tötete!&#x201C;<lb/>
rief eine andere Stimme. Die&#x017F;elbe gehörte dem Nezanum<lb/>
an, der hinter einem Strauch hervortrat. Er hatte die<lb/>
wei&#x017F;e Vor&#x017F;icht gebraucht, &#x017F;ich bis jetzt in gehöriger Ent-<lb/>
fernung zu halten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t recht, Nezanum,&#x201C; antwortete ich. &#x201E;Und er<lb/>
wird auch das Genick die&#x017F;es Mannes zermalmen, wenn<lb/>
ich es ihm gebiete.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Rufe ihn weg!&#x201C; wiederholte der vorige Sprecher.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sage mir zuvor, ob die&#x017F;er Mann da der Rächer i&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er i&#x017F;t es, der den Heif <note place="foot" n="*)">Rache.</note> hat.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So will ich euch zeigen, daß ich ihn nicht fürchte.<lb/>
&#x2014; Dojan, geri &#x2014; zurück!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Hund ließ von dem Kurden ab. Die&#x017F;er erhob<lb/>
&#x017F;ich. Der Schmerz &#x017F;einer Hand war &#x017F;o groß, daß er ihn<lb/>
kaum verwinden konnte; noch größer aber war &#x017F;eine Wut.<lb/>
Er trat hart zu mir heran und &#x017F;chüttelte drohend das<lb/>
verwundete Glied.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dein Hund hat mir die Kraft meines Armes ge-<lb/>
nommen,&#x201C; knir&#x017F;chte er. &#x201E;Aber glaube ja nicht, daß ich<lb/>
nun die Rache einem andern überla&#x017F;&#x017F;en werde. Ez heïfi<lb/>
cho-e de&#x017F;ti cho-e bigerim tera &#x2014; ich werde mit eigner Hand<lb/>
an dir Rache nehmen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du rede&#x017F;t wie ein Bak <note place="foot" n="**)">Fro&#x017F;ch.</note>, vor de&#x017F;&#x017F;en Quaken &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0434] „Katera Chodeh!“ rief ich. „Um Gottes willen die Flinten weg, ſonſt erwürgt er ihn!“ Eine Kugel, welche den Hund nicht augenblicklich tötete, wäre der Tod des Kurden geweſen. Die Krieger ſahen das ein, und da keiner von ihnen ſeines Schuſſes ganz ſicher ſein mochte, ſo ſenkten ſie die Gewehre. „Rufe den Hund weg!“ gebot mir einer. „Dieſe Beſtie war es, die meinen Nachbar tötete!“ rief eine andere Stimme. Dieſelbe gehörte dem Nezanum an, der hinter einem Strauch hervortrat. Er hatte die weiſe Vorſicht gebraucht, ſich bis jetzt in gehöriger Ent- fernung zu halten. „Du haſt recht, Nezanum,“ antwortete ich. „Und er wird auch das Genick dieſes Mannes zermalmen, wenn ich es ihm gebiete.“ „Rufe ihn weg!“ wiederholte der vorige Sprecher. „Sage mir zuvor, ob dieſer Mann da der Rächer iſt!“ „Er iſt es, der den Heif *) hat.“ „So will ich euch zeigen, daß ich ihn nicht fürchte. — Dojan, geri — zurück!“ Der Hund ließ von dem Kurden ab. Dieſer erhob ſich. Der Schmerz ſeiner Hand war ſo groß, daß er ihn kaum verwinden konnte; noch größer aber war ſeine Wut. Er trat hart zu mir heran und ſchüttelte drohend das verwundete Glied. „Dein Hund hat mir die Kraft meines Armes ge- nommen,“ knirſchte er. „Aber glaube ja nicht, daß ich nun die Rache einem andern überlaſſen werde. Ez heïfi cho-e deſti cho-e bigerim tera — ich werde mit eigner Hand an dir Rache nehmen!“ „Du redeſt wie ein Bak **), vor deſſen Quaken ſich *) Rache. **) Froſch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/434
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/434>, abgerufen am 23.12.2024.