"Der Bey hat ihm an unserer Stelle den Blutpreis bezahlt, und nun -- --"
"Wie? Der Bey?"
"Aus Gastlichkeit!"
"Nobel! Sehr nobel! Yes! Wie viel?"
"Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe."
"Wie viel ist dies an Geld?"
"Nicht mehr als fünf Pfund oder hundert Mark."
"Werde es ihm wiedergeben."
"Das wäre eine große Beleidigung, Sir. Wir müssen das durch ein Geschenk auszugleichen suchen."
"Gut! Schön! Was geben wir?"
"Darüber wollen wir uns den Kopf jetzt noch nicht zerbrechen."
"Und nun verlangt dieser Mensch noch ein Bakschisch? -- Master, was heißt auf Kurdisch ein Backenstreich, eine Ohrfeige oder eine Maulschelle?"
"Sileik."
"Well! Warum habt Ihr ihm nicht einige Sileiks gegeben?"
"Weil es nicht am Platze war. Ich habe ihm im Gegenteil ein Bakschisch versprochen, welches er erhalten soll, sobald wir von hier fortgehen."
"So erlaubt, daß ich es ihm gebe. Soll ihm zugleich zur Erinnerung und zur Besserung dienen!"
Als der Bey seine Amtsgeschäfte erledigt hatte, kam er, um uns hinab in den Hof zu führen, wo das Mahl eingenommen werden sollte. Es waren zu demselben wohl an die vierzig Personen geladen, und außerdem kamen noch viele andere, um sich nach orientalischer Sitte ganz ungeniert selbst zu Gaste zu bitten.
Gegen Ende des Mahles stellte es sich heraus, daß
„Was wollte der Kerl?“ fragte Lindſay.
„Der Bey hat ihm an unſerer Stelle den Blutpreis bezahlt, und nun — —“
„Wie? Der Bey?“
„Aus Gaſtlichkeit!“
„Nobel! Sehr nobel! Yes! Wie viel?“
„Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe.“
„Wie viel iſt dies an Geld?“
„Nicht mehr als fünf Pfund oder hundert Mark.“
„Werde es ihm wiedergeben.“
„Das wäre eine große Beleidigung, Sir. Wir müſſen das durch ein Geſchenk auszugleichen ſuchen.“
„Gut! Schön! Was geben wir?“
„Darüber wollen wir uns den Kopf jetzt noch nicht zerbrechen.“
„Und nun verlangt dieſer Menſch noch ein Bakſchiſch? — Maſter, was heißt auf Kurdiſch ein Backenſtreich, eine Ohrfeige oder eine Maulſchelle?“
„Sileik.“
„Well! Warum habt Ihr ihm nicht einige Sileiks gegeben?“
„Weil es nicht am Platze war. Ich habe ihm im Gegenteil ein Bakſchiſch verſprochen, welches er erhalten ſoll, ſobald wir von hier fortgehen.“
„So erlaubt, daß ich es ihm gebe. Soll ihm zugleich zur Erinnerung und zur Beſſerung dienen!“
Als der Bey ſeine Amtsgeſchäfte erledigt hatte, kam er, um uns hinab in den Hof zu führen, wo das Mahl eingenommen werden ſollte. Es waren zu demſelben wohl an die vierzig Perſonen geladen, und außerdem kamen noch viele andere, um ſich nach orientaliſcher Sitte ganz ungeniert ſelbſt zu Gaſte zu bitten.
Gegen Ende des Mahles ſtellte es ſich heraus, daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0450"n="436"/><p>„Was wollte der Kerl?“ fragte Lindſay.</p><lb/><p>„Der Bey hat ihm an unſerer Stelle den Blutpreis<lb/>
bezahlt, und nun ——“</p><lb/><p>„Wie? Der Bey?“</p><lb/><p>„Aus Gaſtlichkeit!“</p><lb/><p>„Nobel! Sehr nobel! <hirendition="#aq">Yes!</hi> Wie viel?“</p><lb/><p>„Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe.“</p><lb/><p>„Wie viel iſt dies an Geld?“</p><lb/><p>„Nicht mehr als fünf Pfund oder hundert Mark.“</p><lb/><p>„Werde es ihm wiedergeben.“</p><lb/><p>„Das wäre eine große Beleidigung, Sir. Wir müſſen<lb/>
das durch ein Geſchenk auszugleichen ſuchen.“</p><lb/><p>„Gut! Schön! Was geben wir?“</p><lb/><p>„Darüber wollen wir uns den Kopf jetzt noch nicht<lb/>
zerbrechen.“</p><lb/><p>„Und nun verlangt dieſer Menſch noch ein Bakſchiſch?<lb/>— Maſter, was heißt auf Kurdiſch ein Backenſtreich, eine<lb/>
Ohrfeige oder eine Maulſchelle?“</p><lb/><p>„Sileik.“</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">Well!</hi> Warum habt Ihr ihm nicht einige Sileiks<lb/>
gegeben?“</p><lb/><p>„Weil es nicht am Platze war. Ich habe ihm im<lb/>
Gegenteil ein Bakſchiſch verſprochen, welches er erhalten<lb/>ſoll, ſobald wir von hier fortgehen.“</p><lb/><p>„So erlaubt, daß ich es ihm gebe. Soll ihm zugleich<lb/>
zur Erinnerung und zur Beſſerung dienen!“</p><lb/><p>Als der Bey ſeine Amtsgeſchäfte erledigt hatte, kam<lb/>
er, um uns hinab in den Hof zu führen, wo das Mahl<lb/>
eingenommen werden ſollte. Es waren zu demſelben wohl<lb/>
an die vierzig Perſonen geladen, und außerdem kamen<lb/>
noch viele andere, um ſich nach orientaliſcher Sitte ganz<lb/>
ungeniert ſelbſt zu Gaſte zu bitten.</p><lb/><p>Gegen Ende des Mahles ſtellte es ſich heraus, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[436/0450]
„Was wollte der Kerl?“ fragte Lindſay.
„Der Bey hat ihm an unſerer Stelle den Blutpreis
bezahlt, und nun — —“
„Wie? Der Bey?“
„Aus Gaſtlichkeit!“
„Nobel! Sehr nobel! Yes! Wie viel?“
„Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe.“
„Wie viel iſt dies an Geld?“
„Nicht mehr als fünf Pfund oder hundert Mark.“
„Werde es ihm wiedergeben.“
„Das wäre eine große Beleidigung, Sir. Wir müſſen
das durch ein Geſchenk auszugleichen ſuchen.“
„Gut! Schön! Was geben wir?“
„Darüber wollen wir uns den Kopf jetzt noch nicht
zerbrechen.“
„Und nun verlangt dieſer Menſch noch ein Bakſchiſch?
— Maſter, was heißt auf Kurdiſch ein Backenſtreich, eine
Ohrfeige oder eine Maulſchelle?“
„Sileik.“
„Well! Warum habt Ihr ihm nicht einige Sileiks
gegeben?“
„Weil es nicht am Platze war. Ich habe ihm im
Gegenteil ein Bakſchiſch verſprochen, welches er erhalten
ſoll, ſobald wir von hier fortgehen.“
„So erlaubt, daß ich es ihm gebe. Soll ihm zugleich
zur Erinnerung und zur Beſſerung dienen!“
Als der Bey ſeine Amtsgeſchäfte erledigt hatte, kam
er, um uns hinab in den Hof zu führen, wo das Mahl
eingenommen werden ſollte. Es waren zu demſelben wohl
an die vierzig Perſonen geladen, und außerdem kamen
noch viele andere, um ſich nach orientaliſcher Sitte ganz
ungeniert ſelbſt zu Gaſte zu bitten.
Gegen Ende des Mahles ſtellte es ſich heraus, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/450>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.