Ich ritt nun auf sie zu, nahm aber den Revolver in die Hand, um auf eine etwaige Hinterlist gefaßt zu sein. Aber der Melek reichte mir seine Hand entgegen und sagte:
"Emir, war das nicht entsetzlich?"
"Ja, in der That."
"Und du hast den Mut nicht verloren?"
"Dann wäre auch ich verloren gewesen. Gott hat mich beschützt!"
"Ich bin dein Freund!"
"Und ich der deinige."
"Aber dennoch mußt du mein Gefangener sein, denn du hast als Feind an mir gehandelt."
"Aber doch hoffentlich mit Offenheit! Was wirst du in Lizan mit mir thun? Mich einsperren?"
"Ja. Aber wenn du mir versprichst, nicht zu fliehen, so kannst du als mein Gast bei mir wohnen."
"Ich kann jetzt noch nichts versprechen. Erlaube, daß ich es mir noch überlege!"
"Du hast Zeit dazu!"
"Wo sind deine andern Krieger?"
Er lächelte überlegen und erwiderte:
"Chodih, die Gedanken deines Kopfes waren klug, aber ich habe sie dennoch erraten."
"Welche Gedanken?"
"Glaubst du, daß ich denken kann, der Bey von Gumri werde zu Pferde in diese Berge fliehen, die er ebenso gut kennt, wie ich? Er weiß, daß er hier nicht entkommen könnte."
"Was hat dies mit mir zu thun?"
"Du wolltest mich irre leiten. Ich folgte dir, weil
„Du ſollſt alles behalten.“
„Du ſchwörſt es mir?“
„Ich ſchwöre!“
Ich ritt nun auf ſie zu, nahm aber den Revolver in die Hand, um auf eine etwaige Hinterliſt gefaßt zu ſein. Aber der Melek reichte mir ſeine Hand entgegen und ſagte:
„Emir, war das nicht entſetzlich?“
„Ja, in der That.“
„Und du haſt den Mut nicht verloren?“
„Dann wäre auch ich verloren geweſen. Gott hat mich beſchützt!“
„Ich bin dein Freund!“
„Und ich der deinige.“
„Aber dennoch mußt du mein Gefangener ſein, denn du haſt als Feind an mir gehandelt.“
„Aber doch hoffentlich mit Offenheit! Was wirſt du in Lizan mit mir thun? Mich einſperren?“
„Ja. Aber wenn du mir verſprichſt, nicht zu fliehen, ſo kannſt du als mein Gaſt bei mir wohnen.“
„Ich kann jetzt noch nichts verſprechen. Erlaube, daß ich es mir noch überlege!“
„Du haſt Zeit dazu!“
„Wo ſind deine andern Krieger?“
Er lächelte überlegen und erwiderte:
„Chodih, die Gedanken deines Kopfes waren klug, aber ich habe ſie dennoch erraten.“
„Welche Gedanken?“
„Glaubſt du, daß ich denken kann, der Bey von Gumri werde zu Pferde in dieſe Berge fliehen, die er ebenſo gut kennt, wie ich? Er weiß, daß er hier nicht entkommen könnte.“
„Was hat dies mit mir zu thun?“
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„Du ſollſt alles behalten.“
„Du ſchwörſt es mir?“
„Ich ſchwöre!“
Ich ritt nun auf ſie zu, nahm aber den Revolver in
die Hand, um auf eine etwaige Hinterliſt gefaßt zu ſein.
Aber der Melek reichte mir ſeine Hand entgegen und ſagte:
„Emir, war das nicht entſetzlich?“
„Ja, in der That.“
„Und du haſt den Mut nicht verloren?“
„Dann wäre auch ich verloren geweſen. Gott hat
mich beſchützt!“
„Ich bin dein Freund!“
„Und ich der deinige.“
„Aber dennoch mußt du mein Gefangener ſein, denn
du haſt als Feind an mir gehandelt.“
„Aber doch hoffentlich mit Offenheit! Was wirſt du
in Lizan mit mir thun? Mich einſperren?“
„Ja. Aber wenn du mir verſprichſt, nicht zu fliehen,
ſo kannſt du als mein Gaſt bei mir wohnen.“
„Ich kann jetzt noch nichts verſprechen. Erlaube, daß
ich es mir noch überlege!“
„Du haſt Zeit dazu!“
„Wo ſind deine andern Krieger?“
Er lächelte überlegen und erwiderte:
„Chodih, die Gedanken deines Kopfes waren klug,
aber ich habe ſie dennoch erraten.“
„Welche Gedanken?“
„Glaubſt du, daß ich denken kann, der Bey von
Gumri werde zu Pferde in dieſe Berge fliehen, die er
ebenſo gut kennt, wie ich? Er weiß, daß er hier nicht
entkommen könnte.“
„Was hat dies mit mir zu thun?“
„Du wollteſt mich irre leiten. Ich folgte dir, weil
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/503>, abgerufen am 23.12.2024.
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