"Ich mag von ihrem Glauben nichts wissen, weil ich von ihnen selbst nichts wissen mag."
Mit diesen wenigen Worten hatte dieser einfache Mann alles gesagt, was sich überhaupt über diese Leute sagen läßt.
"Bist du mit einem von ihnen zusammengetroffen?" fragte ich.
"Mit mehreren; aber ich habe den Staub von meinen Füßen geschüttelt und bin wieder fortgegangen. Kennst du die Lehren unsers Glaubens?"
"Nicht genau."
"Du möchtest sie wohl auch nicht kennen lernen?"
"O doch, sehr gern. Habt ihr ein Glaubensbe- kenntnis?"
"Jawohl, und ein jeder Chaldani muß es täglich zweimal beten."
"Bitte, sage es mir!"
"Wir glauben an einen einzigen Gott, den allmäch- tigen Schöpfer und Vater aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Wir glauben an den Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der da der einzig geborene Sohn seines Vaters ist vor aller Welt, der nicht geschaffen wurde, sondern der da ist der wahre Gott des wahren Gottes; der da ist von demselben Wesen mit dem Vater, durch dessen Hände die Welt gemacht und alle Dinge geschaffen wurden; der für uns Menschen und zu unserer Seligkeit vom Himmel herabgestiegen ist, durch den heiligen Geist Fleisch ward und Mensch wurde, empfangen und geboren von der Jungfrau Maria; der da litt und gekreuzigt wurde zur Zeit des Pontius Pilatus, und starb und wurde begraben; der da am dritten Tage wieder aufer-
„Das freut mich ſehr, Herr!“
„Warum?“ fragte ich.
„Ich mag von ihrem Glauben nichts wiſſen, weil ich von ihnen ſelbſt nichts wiſſen mag.“
Mit dieſen wenigen Worten hatte dieſer einfache Mann alles geſagt, was ſich überhaupt über dieſe Leute ſagen läßt.
„Biſt du mit einem von ihnen zuſammengetroffen?“ fragte ich.
„Mit mehreren; aber ich habe den Staub von meinen Füßen geſchüttelt und bin wieder fortgegangen. Kennſt du die Lehren unſers Glaubens?“
„Nicht genau.“
„Du möchteſt ſie wohl auch nicht kennen lernen?“
„O doch, ſehr gern. Habt ihr ein Glaubensbe- kenntnis?“
„Jawohl, und ein jeder Chaldani muß es täglich zweimal beten.“
„Bitte, ſage es mir!“
„Wir glauben an einen einzigen Gott, den allmäch- tigen Schöpfer und Vater aller ſichtbaren und unſichtbaren Dinge. Wir glauben an den Herrn Jeſus Chriſtus, den Sohn Gottes, der da der einzig geborene Sohn ſeines Vaters iſt vor aller Welt, der nicht geſchaffen wurde, ſondern der da iſt der wahre Gott des wahren Gottes; der da iſt von demſelben Weſen mit dem Vater, durch deſſen Hände die Welt gemacht und alle Dinge geſchaffen wurden; der für uns Menſchen und zu unſerer Seligkeit vom Himmel herabgeſtiegen iſt, durch den heiligen Geiſt Fleiſch ward und Menſch wurde, empfangen und geboren von der Jungfrau Maria; der da litt und gekreuzigt wurde zur Zeit des Pontius Pilatus, und ſtarb und wurde begraben; der da am dritten Tage wieder aufer-
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„Das freut mich ſehr, Herr!“
„Warum?“ fragte ich.
„Ich mag von ihrem Glauben nichts wiſſen, weil
ich von ihnen ſelbſt nichts wiſſen mag.“
Mit dieſen wenigen Worten hatte dieſer einfache
Mann alles geſagt, was ſich überhaupt über dieſe Leute
ſagen läßt.
„Biſt du mit einem von ihnen zuſammengetroffen?“
fragte ich.
„Mit mehreren; aber ich habe den Staub von meinen
Füßen geſchüttelt und bin wieder fortgegangen. Kennſt
du die Lehren unſers Glaubens?“
„Nicht genau.“
„Du möchteſt ſie wohl auch nicht kennen lernen?“
„O doch, ſehr gern. Habt ihr ein Glaubensbe-
kenntnis?“
„Jawohl, und ein jeder Chaldani muß es täglich
zweimal beten.“
„Bitte, ſage es mir!“
„Wir glauben an einen einzigen Gott, den allmäch-
tigen Schöpfer und Vater aller ſichtbaren und unſichtbaren
Dinge. Wir glauben an den Herrn Jeſus Chriſtus, den
Sohn Gottes, der da der einzig geborene Sohn ſeines
Vaters iſt vor aller Welt, der nicht geſchaffen wurde,
ſondern der da iſt der wahre Gott des wahren Gottes;
der da iſt von demſelben Weſen mit dem Vater, durch
deſſen Hände die Welt gemacht und alle Dinge geſchaffen
wurden; der für uns Menſchen und zu unſerer Seligkeit
vom Himmel herabgeſtiegen iſt, durch den heiligen Geiſt
Fleiſch ward und Menſch wurde, empfangen und geboren
von der Jungfrau Maria; der da litt und gekreuzigt
wurde zur Zeit des Pontius Pilatus, und ſtarb und
wurde begraben; der da am dritten Tage wieder aufer-
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/538>, abgerufen am 23.12.2024.
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