in eine wilde Schlucht, welche in das Thal von Raola hinabzuführen schien. Hier kletterten wir eine Strecke weiter, bogen um einige Felsen und gelangten endlich an ein Bauwerk, das einem vier bis fünf Ellen hohen, kubischen Steinhaufen glich und nur eine einzige niedrige Oeffnung zeigte, welche zugleich als Thür und als Fenster zu dienen schien.
Vor diesem Steinwürfel stiegen sie ab.
"Madana!" rief der eine.
Sogleich ließ sich in dem Innern der Hütte ein hei- seres Grunzen vernehmen, und einige Augenblicke später trat ein altes Weib aus dem Loch hervor. Madana heißt auf deutsch: "Petersilie". Wie die Alte zu diesem wür- zigen Namen gekommen war, weiß ich nicht; aber als sie jetzt ganz nahe vor mir stand, duftete sie nicht nur nach Petersilie, sondern es entströmte ihr eine Atmosphäre, welche aus den Gerüchen von Knoblauch, faulen Fischen, toten Ratten, Seifenwasser und verbranntem Hering zu- sammengesetzt zu sein schien. Hätte mich die Fessel nicht an dem Pferde festgehalten, so wäre ich einige Schritte zurückgewichen. Gekleidet war diese schöne Bewohnerin des Zabthales in einen kurzen Rock, den man bei uns wohl kaum als Scheuerlappen hätte benutzen mögen; der Rand desselben reichte nur wenig bis über die Kniee herab und ließ ein Paar gespenstische Gehwerkzeuge sehen, deren Aussehen vermuten ließ, daß sie bereits seit langen Jahren nicht mehr gewaschen worden seien.
"Ist alles bereit?" erkundigte sich der Mann und stellte eine lange Reihe von kurzen Fragen, die alle mit "Ja" beantwortet wurden.
Jetzt wurde ich losgebunden und mit weit nieder- gebogenem Haupte in die Hütte geschoben. Es gab doch einige Ritzen in der Mauer, durch welche ein Lichtstrahl
in eine wilde Schlucht, welche in das Thal von Raola hinabzuführen ſchien. Hier kletterten wir eine Strecke weiter, bogen um einige Felſen und gelangten endlich an ein Bauwerk, das einem vier bis fünf Ellen hohen, kubiſchen Steinhaufen glich und nur eine einzige niedrige Oeffnung zeigte, welche zugleich als Thür und als Fenſter zu dienen ſchien.
Vor dieſem Steinwürfel ſtiegen ſie ab.
„Madana!“ rief der eine.
Sogleich ließ ſich in dem Innern der Hütte ein hei- ſeres Grunzen vernehmen, und einige Augenblicke ſpäter trat ein altes Weib aus dem Loch hervor. Madana heißt auf deutſch: „Peterſilie“. Wie die Alte zu dieſem wür- zigen Namen gekommen war, weiß ich nicht; aber als ſie jetzt ganz nahe vor mir ſtand, duftete ſie nicht nur nach Peterſilie, ſondern es entſtrömte ihr eine Atmoſphäre, welche aus den Gerüchen von Knoblauch, faulen Fiſchen, toten Ratten, Seifenwaſſer und verbranntem Hering zu- ſammengeſetzt zu ſein ſchien. Hätte mich die Feſſel nicht an dem Pferde feſtgehalten, ſo wäre ich einige Schritte zurückgewichen. Gekleidet war dieſe ſchöne Bewohnerin des Zabthales in einen kurzen Rock, den man bei uns wohl kaum als Scheuerlappen hätte benutzen mögen; der Rand desſelben reichte nur wenig bis über die Kniee herab und ließ ein Paar geſpenſtiſche Gehwerkzeuge ſehen, deren Ausſehen vermuten ließ, daß ſie bereits ſeit langen Jahren nicht mehr gewaſchen worden ſeien.
„Iſt alles bereit?“ erkundigte ſich der Mann und ſtellte eine lange Reihe von kurzen Fragen, die alle mit „Ja“ beantwortet wurden.
Jetzt wurde ich losgebunden und mit weit nieder- gebogenem Haupte in die Hütte geſchoben. Es gab doch einige Ritzen in der Mauer, durch welche ein Lichtſtrahl
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in eine wilde Schlucht, welche in das Thal von Raola
hinabzuführen ſchien. Hier kletterten wir eine Strecke
weiter, bogen um einige Felſen und gelangten endlich an
ein Bauwerk, das einem vier bis fünf Ellen hohen,
kubiſchen Steinhaufen glich und nur eine einzige niedrige
Oeffnung zeigte, welche zugleich als Thür und als Fenſter
zu dienen ſchien.
Vor dieſem Steinwürfel ſtiegen ſie ab.
„Madana!“ rief der eine.
Sogleich ließ ſich in dem Innern der Hütte ein hei-
ſeres Grunzen vernehmen, und einige Augenblicke ſpäter
trat ein altes Weib aus dem Loch hervor. Madana heißt
auf deutſch: „Peterſilie“. Wie die Alte zu dieſem wür-
zigen Namen gekommen war, weiß ich nicht; aber als ſie
jetzt ganz nahe vor mir ſtand, duftete ſie nicht nur nach
Peterſilie, ſondern es entſtrömte ihr eine Atmoſphäre,
welche aus den Gerüchen von Knoblauch, faulen Fiſchen,
toten Ratten, Seifenwaſſer und verbranntem Hering zu-
ſammengeſetzt zu ſein ſchien. Hätte mich die Feſſel nicht
an dem Pferde feſtgehalten, ſo wäre ich einige Schritte
zurückgewichen. Gekleidet war dieſe ſchöne Bewohnerin
des Zabthales in einen kurzen Rock, den man bei uns
wohl kaum als Scheuerlappen hätte benutzen mögen; der
Rand desſelben reichte nur wenig bis über die Kniee
herab und ließ ein Paar geſpenſtiſche Gehwerkzeuge ſehen,
deren Ausſehen vermuten ließ, daß ſie bereits ſeit langen
Jahren nicht mehr gewaſchen worden ſeien.
„Iſt alles bereit?“ erkundigte ſich der Mann und
ſtellte eine lange Reihe von kurzen Fragen, die alle mit
„Ja“ beantwortet wurden.
Jetzt wurde ich losgebunden und mit weit nieder-
gebogenem Haupte in die Hütte geſchoben. Es gab doch
einige Ritzen in der Mauer, durch welche ein Lichtſtrahl
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/571>, abgerufen am 23.12.2024.
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