Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich nicht, Sihdi, aber die andern. Ich wußte, was
zu thun sei, und habe es später auch richtig gethan. Sie
jedoch hielten einen großen Rat, und es wurde beschlossen,
eine Gesandtschaft zu den Kurden zu schicken; sie sollten
dich oder deinen Leichnam herausgeben."

"Gott sei Dank! So weit war es nicht gekommen!"

"Herr, wärest du von ihnen getötet worden; -- bei
Allah, ich wäre nicht eher aus diesem Lande fortgegangen,
als bis ich alle Berwari nach und nach erschossen hätte!
Du weißt es, daß ich dich lieb habe!"

"Ich weiß es, mein braver Halef. Doch weiter!"

"Die Gesandtschaft wurde von den Kurden sehr
schlimm aufgenommen --"

"Wer war dabei?"

"Mohammed Emin, zwei Kurden, die mit uns
von den Nasarah gefangen wurden, der Schreiber des
Melek und ein Nasarah, der arabisch reden kann und den
Dolmetscher des Haddedihn machen sollte. Zuerst wollten
die Kurden nicht glauben, daß du überfallen worden seist;
sie hielten das für eine Hinterlist von dem Melek. Als
sie aber das tote Pferd sahen, glaubten sie es. Nun be-
haupteten sie, die Nasarah hätten dich beseitigt, weil sie
keinen Vermittler haben wollten. Es wurden Botschaften
hin und her gesandt. Dann kam auch Nedschir-Bey und
sagte, du seist von den Berwari-Kurden erschossen worden;
er habe es vom andern Ufer aus gesehen -- -- --"

"Der Schuft!"

"Das ist er, Sihdi. Aber er soll seinen Lohn er-
halten! So wäre es beinahe zum Kampf gekommen; da
aber ging ich zum Melek, der sich grad bei dem Bey
von Gumri befand, und bat ihn, sie sollten einen Waffen-
stillstand abschließen, und ich wolle während dieser Zeit
sehen, ob ich dich finden könne. Sie glaubten, das sei

„Ich nicht, Sihdi, aber die andern. Ich wußte, was
zu thun ſei, und habe es ſpäter auch richtig gethan. Sie
jedoch hielten einen großen Rat, und es wurde beſchloſſen,
eine Geſandtſchaft zu den Kurden zu ſchicken; ſie ſollten
dich oder deinen Leichnam herausgeben.“

„Gott ſei Dank! So weit war es nicht gekommen!“

„Herr, wäreſt du von ihnen getötet worden; — bei
Allah, ich wäre nicht eher aus dieſem Lande fortgegangen,
als bis ich alle Berwari nach und nach erſchoſſen hätte!
Du weißt es, daß ich dich lieb habe!“

„Ich weiß es, mein braver Halef. Doch weiter!“

„Die Geſandtſchaft wurde von den Kurden ſehr
ſchlimm aufgenommen —“

„Wer war dabei?“

„Mohammed Emin, zwei Kurden, die mit uns
von den Naſarah gefangen wurden, der Schreiber des
Melek und ein Naſarah, der arabiſch reden kann und den
Dolmetſcher des Haddedihn machen ſollte. Zuerſt wollten
die Kurden nicht glauben, daß du überfallen worden ſeiſt;
ſie hielten das für eine Hinterliſt von dem Melek. Als
ſie aber das tote Pferd ſahen, glaubten ſie es. Nun be-
haupteten ſie, die Naſarah hätten dich beſeitigt, weil ſie
keinen Vermittler haben wollten. Es wurden Botſchaften
hin und her geſandt. Dann kam auch Nedſchir-Bey und
ſagte, du ſeiſt von den Berwari-Kurden erſchoſſen worden;
er habe es vom andern Ufer aus geſehen — — —“

„Der Schuft!“

„Das iſt er, Sihdi. Aber er ſoll ſeinen Lohn er-
halten! So wäre es beinahe zum Kampf gekommen; da
aber ging ich zum Melek, der ſich grad bei dem Bey
von Gumri befand, und bat ihn, ſie ſollten einen Waffen-
ſtillſtand abſchließen, und ich wolle während dieſer Zeit
ſehen, ob ich dich finden könne. Sie glaubten, das ſei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0594" n="580"/>
        <p>&#x201E;Ich nicht, Sihdi, aber die andern. Ich wußte, was<lb/>
zu thun &#x017F;ei, und habe es &#x017F;päter auch richtig gethan. Sie<lb/>
jedoch hielten einen großen Rat, und es wurde be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
eine Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft zu den Kurden zu &#x017F;chicken; &#x017F;ie &#x017F;ollten<lb/>
dich oder deinen Leichnam herausgeben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gott &#x017F;ei Dank! So weit war es nicht gekommen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr, wäre&#x017F;t du von ihnen getötet worden; &#x2014; bei<lb/>
Allah, ich wäre nicht eher aus die&#x017F;em Lande fortgegangen,<lb/>
als bis ich alle Berwari nach und nach er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en hätte!<lb/>
Du weißt es, daß ich dich lieb habe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß es, mein braver Halef. Doch weiter!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft wurde von den Kurden &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chlimm aufgenommen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer war dabei?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mohammed Emin, zwei Kurden, die mit uns<lb/>
von den Na&#x017F;arah gefangen wurden, der Schreiber des<lb/>
Melek und ein Na&#x017F;arah, der arabi&#x017F;ch reden kann und den<lb/>
Dolmet&#x017F;cher des Haddedihn machen &#x017F;ollte. Zuer&#x017F;t wollten<lb/>
die Kurden nicht glauben, daß du überfallen worden &#x017F;ei&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;ie hielten das für eine Hinterli&#x017F;t von dem Melek. Als<lb/>
&#x017F;ie aber das tote Pferd &#x017F;ahen, glaubten &#x017F;ie es. Nun be-<lb/>
haupteten &#x017F;ie, die Na&#x017F;arah hätten dich be&#x017F;eitigt, weil &#x017F;ie<lb/>
keinen Vermittler haben wollten. Es wurden Bot&#x017F;chaften<lb/>
hin und her ge&#x017F;andt. Dann kam auch Ned&#x017F;chir-Bey und<lb/>
&#x017F;agte, du &#x017F;ei&#x017F;t von den Berwari-Kurden er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en worden;<lb/>
er habe es vom andern Ufer aus ge&#x017F;ehen &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Schuft!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t er, Sihdi. Aber er &#x017F;oll &#x017F;einen Lohn er-<lb/>
halten! So wäre es beinahe zum Kampf gekommen; da<lb/>
aber ging ich zum Melek, der &#x017F;ich grad bei dem Bey<lb/>
von Gumri befand, und bat ihn, &#x017F;ie &#x017F;ollten einen Waffen-<lb/>
&#x017F;till&#x017F;tand ab&#x017F;chließen, und ich wolle während die&#x017F;er Zeit<lb/>
&#x017F;ehen, ob ich dich finden könne. Sie glaubten, das &#x017F;ei<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[580/0594] „Ich nicht, Sihdi, aber die andern. Ich wußte, was zu thun ſei, und habe es ſpäter auch richtig gethan. Sie jedoch hielten einen großen Rat, und es wurde beſchloſſen, eine Geſandtſchaft zu den Kurden zu ſchicken; ſie ſollten dich oder deinen Leichnam herausgeben.“ „Gott ſei Dank! So weit war es nicht gekommen!“ „Herr, wäreſt du von ihnen getötet worden; — bei Allah, ich wäre nicht eher aus dieſem Lande fortgegangen, als bis ich alle Berwari nach und nach erſchoſſen hätte! Du weißt es, daß ich dich lieb habe!“ „Ich weiß es, mein braver Halef. Doch weiter!“ „Die Geſandtſchaft wurde von den Kurden ſehr ſchlimm aufgenommen —“ „Wer war dabei?“ „Mohammed Emin, zwei Kurden, die mit uns von den Naſarah gefangen wurden, der Schreiber des Melek und ein Naſarah, der arabiſch reden kann und den Dolmetſcher des Haddedihn machen ſollte. Zuerſt wollten die Kurden nicht glauben, daß du überfallen worden ſeiſt; ſie hielten das für eine Hinterliſt von dem Melek. Als ſie aber das tote Pferd ſahen, glaubten ſie es. Nun be- haupteten ſie, die Naſarah hätten dich beſeitigt, weil ſie keinen Vermittler haben wollten. Es wurden Botſchaften hin und her geſandt. Dann kam auch Nedſchir-Bey und ſagte, du ſeiſt von den Berwari-Kurden erſchoſſen worden; er habe es vom andern Ufer aus geſehen — — —“ „Der Schuft!“ „Das iſt er, Sihdi. Aber er ſoll ſeinen Lohn er- halten! So wäre es beinahe zum Kampf gekommen; da aber ging ich zum Melek, der ſich grad bei dem Bey von Gumri befand, und bat ihn, ſie ſollten einen Waffen- ſtillſtand abſchließen, und ich wolle während dieſer Zeit ſehen, ob ich dich finden könne. Sie glaubten, das ſei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/594
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/594>, abgerufen am 23.12.2024.