dann dem Bey und dem Melek, daß der Rais von Schohrd Boten gesandt hat in alle Orte auf- und abwärts von Lizan, um die Einwohner zum Kampfe aufzuwiegeln. Sie sollen sich während der Nacht an einem Orte versammeln, den ich leider nicht kenne, und dann wollen sie über die Berwari herfallen. Auch der Rais selbst reitet überall herum; und ich lasse dem Melek sagen, daß er ihn sofort festnehmen soll, sobald er ihn erwischen kann."
"Sihdi, ich wollte, ich träfe diesen Menschen jetzt unterwegs; ich habe ihn mir genau gemerkt und würde ihn unschädlich machen."
"Du allein? Das laß bleiben! Du bist ihm nicht gewachsen; er ist zu stark für dich."
Der kleine Mann erhob sich mit der Miene eines Beleidigten, reckte seine geschmeidigen Glieder und rief: "Zu stark für mich? Was denkst du, Sihdi, und wo ist dein weises Urteil auf einmal hingeraten! Habe ich nicht Abu Seif besiegt? Habe ich nicht noch viele andere große Thaten verrichtet? Was ist dieser Nedschir-Bey gegen den berühmten Hadschi Halef Omar? Ein blinder Frosch, eine lahme Kröte, die ich zertreten werde, sobald ich sie erblicke. Du bist Emir Kara Ben Nemsi, der Held aus Frankistan; soll ich, dein Freund und Beschützer, mich vor einem zerlumpten Chaldani fürchten? O Sihdi, wie wundere ich mich über dich!"
"Wundere dich meinetwegen, aber sei vorsichtig. Es kommt jetzt alles darauf an, daß du glücklich Lizan erreichst."
"Und wenn sie nun fragen, wann du mir nachfolgen wirst; was soll ich ihnen antworten?"
"Sage ihnen, daß ich wohl bis zum Morgen bei ihnen sein werde."
"So nimm hier die Pistolen und den Dolch, auch hier den Kugelsack, und Allah behüte dich!"
dann dem Bey und dem Melek, daß der Raïs von Schohrd Boten geſandt hat in alle Orte auf- und abwärts von Lizan, um die Einwohner zum Kampfe aufzuwiegeln. Sie ſollen ſich während der Nacht an einem Orte verſammeln, den ich leider nicht kenne, und dann wollen ſie über die Berwari herfallen. Auch der Raïs ſelbſt reitet überall herum; und ich laſſe dem Melek ſagen, daß er ihn ſofort feſtnehmen ſoll, ſobald er ihn erwiſchen kann.“
„Sihdi, ich wollte, ich träfe dieſen Menſchen jetzt unterwegs; ich habe ihn mir genau gemerkt und würde ihn unſchädlich machen.“
„Du allein? Das laß bleiben! Du biſt ihm nicht gewachſen; er iſt zu ſtark für dich.“
Der kleine Mann erhob ſich mit der Miene eines Beleidigten, reckte ſeine geſchmeidigen Glieder und rief: „Zu ſtark für mich? Was denkſt du, Sihdi, und wo iſt dein weiſes Urteil auf einmal hingeraten! Habe ich nicht Abu Seif beſiegt? Habe ich nicht noch viele andere große Thaten verrichtet? Was iſt dieſer Nedſchir-Bey gegen den berühmten Hadſchi Halef Omar? Ein blinder Froſch, eine lahme Kröte, die ich zertreten werde, ſobald ich ſie erblicke. Du biſt Emir Kara Ben Nemſi, der Held aus Frankiſtan; ſoll ich, dein Freund und Beſchützer, mich vor einem zerlumpten Chaldani fürchten? O Sihdi, wie wundere ich mich über dich!“
„Wundere dich meinetwegen, aber ſei vorſichtig. Es kommt jetzt alles darauf an, daß du glücklich Lizan erreichſt.“
„Und wenn ſie nun fragen, wann du mir nachfolgen wirſt; was ſoll ich ihnen antworten?“
„Sage ihnen, daß ich wohl bis zum Morgen bei ihnen ſein werde.“
„So nimm hier die Piſtolen und den Dolch, auch hier den Kugelſack, und Allah behüte dich!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0602"n="588"/>
dann dem Bey und dem Melek, daß der Raïs von Schohrd<lb/>
Boten geſandt hat in alle Orte auf- und abwärts von<lb/>
Lizan, um die Einwohner zum Kampfe aufzuwiegeln. Sie<lb/>ſollen ſich während der Nacht an einem Orte verſammeln,<lb/>
den ich leider nicht kenne, und dann wollen ſie über die<lb/>
Berwari herfallen. Auch der Raïs ſelbſt reitet überall<lb/>
herum; und ich laſſe dem Melek ſagen, daß er ihn ſofort<lb/>
feſtnehmen ſoll, ſobald er ihn erwiſchen kann.“</p><lb/><p>„Sihdi, ich wollte, ich träfe dieſen Menſchen jetzt<lb/>
unterwegs; ich habe ihn mir genau gemerkt und würde<lb/>
ihn unſchädlich machen.“</p><lb/><p>„Du allein? Das laß bleiben! Du biſt ihm nicht<lb/>
gewachſen; er iſt zu ſtark für dich.“</p><lb/><p>Der kleine Mann erhob ſich mit der Miene eines<lb/>
Beleidigten, reckte ſeine geſchmeidigen Glieder und rief:<lb/>„Zu ſtark für mich? Was denkſt du, Sihdi, und wo<lb/>
iſt dein weiſes Urteil auf einmal hingeraten! Habe ich<lb/>
nicht Abu Seif beſiegt? Habe ich nicht noch viele andere<lb/>
große Thaten verrichtet? Was iſt dieſer Nedſchir-Bey gegen<lb/>
den berühmten Hadſchi Halef Omar? Ein blinder Froſch,<lb/>
eine lahme Kröte, die ich zertreten werde, ſobald ich ſie<lb/>
erblicke. Du biſt Emir Kara Ben Nemſi, der Held aus<lb/>
Frankiſtan; ſoll ich, dein Freund und Beſchützer, mich<lb/>
vor einem zerlumpten Chaldani fürchten? O Sihdi, wie<lb/>
wundere ich mich über dich!“</p><lb/><p>„Wundere dich meinetwegen, aber ſei vorſichtig. Es<lb/>
kommt jetzt alles darauf an, daß du glücklich Lizan erreichſt.“</p><lb/><p>„Und wenn ſie nun fragen, wann du mir nachfolgen<lb/>
wirſt; was ſoll ich ihnen antworten?“</p><lb/><p>„Sage ihnen, daß ich wohl bis zum Morgen bei<lb/>
ihnen ſein werde.“</p><lb/><p>„So nimm hier die Piſtolen und den Dolch, auch<lb/>
hier den Kugelſack, und Allah behüte dich!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[588/0602]
dann dem Bey und dem Melek, daß der Raïs von Schohrd
Boten geſandt hat in alle Orte auf- und abwärts von
Lizan, um die Einwohner zum Kampfe aufzuwiegeln. Sie
ſollen ſich während der Nacht an einem Orte verſammeln,
den ich leider nicht kenne, und dann wollen ſie über die
Berwari herfallen. Auch der Raïs ſelbſt reitet überall
herum; und ich laſſe dem Melek ſagen, daß er ihn ſofort
feſtnehmen ſoll, ſobald er ihn erwiſchen kann.“
„Sihdi, ich wollte, ich träfe dieſen Menſchen jetzt
unterwegs; ich habe ihn mir genau gemerkt und würde
ihn unſchädlich machen.“
„Du allein? Das laß bleiben! Du biſt ihm nicht
gewachſen; er iſt zu ſtark für dich.“
Der kleine Mann erhob ſich mit der Miene eines
Beleidigten, reckte ſeine geſchmeidigen Glieder und rief:
„Zu ſtark für mich? Was denkſt du, Sihdi, und wo
iſt dein weiſes Urteil auf einmal hingeraten! Habe ich
nicht Abu Seif beſiegt? Habe ich nicht noch viele andere
große Thaten verrichtet? Was iſt dieſer Nedſchir-Bey gegen
den berühmten Hadſchi Halef Omar? Ein blinder Froſch,
eine lahme Kröte, die ich zertreten werde, ſobald ich ſie
erblicke. Du biſt Emir Kara Ben Nemſi, der Held aus
Frankiſtan; ſoll ich, dein Freund und Beſchützer, mich
vor einem zerlumpten Chaldani fürchten? O Sihdi, wie
wundere ich mich über dich!“
„Wundere dich meinetwegen, aber ſei vorſichtig. Es
kommt jetzt alles darauf an, daß du glücklich Lizan erreichſt.“
„Und wenn ſie nun fragen, wann du mir nachfolgen
wirſt; was ſoll ich ihnen antworten?“
„Sage ihnen, daß ich wohl bis zum Morgen bei
ihnen ſein werde.“
„So nimm hier die Piſtolen und den Dolch, auch
hier den Kugelſack, und Allah behüte dich!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/602>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.