Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Also ein Handkuß nur! Aber trotzdem eine Helden-
that meines wackern Halef, zu der ihm jedenfalls nur
seine Liebe zu mir die Ueberwindung gegeben hatte.

"Du kannst stolz darauf sein," antwortete ich. "Das
Herz des Hadschi Halef Omar schlägt dir voll Dankbar-
keit entgegen, weil du dich so freundlich meiner angenommen
hast. Auch ich werde dir dankbar sein, Madana" -- hier-
bei machte sie unwillkürlich eine Bewegung, als wolle sie
mir die Finger zum Handkusse entgegenstrecken, und da-
her fügte ich sehr eilig hinzu: -- "nur mußt du warten,
bis ich wieder in Lizan bin."

"Ich werde warten, Herr!"

"Jetzt werde ich mit Ingdscha zur Höhle gehen. Was
wirst du thun, wenn jemand unterdessen kommt, um
nach mir zu sehen?"

"Emir, rate mir!"

"Bleibst du hier, so trifft dich der Zorn des Be-
treffenden. Daher ist es besser, du versteckst dich, bis wir
zurückkehren."

"Ich werde deinen Rat befolgen und an einen Ort
gehen, wo ich die Hütte beobachten und auch eure Rück-
kehr bemerken kann."

"So wollen wir aufbrechen, Ingdscha."

Ich steckte die Waffen zu mir und nahm den Hund
an die Leine.

Die Jungfrau schritt voran, und ich folgte ihr.

Wir gingen eine Strecke weit den Weg zurück, auf
dem ich zur Hütte gebracht worden war; dann stiegen
wir rechts aufwärts und verfolgten diese Richtung, bis
wir die Höhe erklommen hatten. Dieselbe war mit Laub-
wald bestanden, so daß wir eng nebeneinander gehen
mußten, um uns nicht zu verlieren.

Nach einiger Zeit lichtete sich die Holzung wieder,

Alſo ein Handkuß nur! Aber trotzdem eine Helden-
that meines wackern Halef, zu der ihm jedenfalls nur
ſeine Liebe zu mir die Ueberwindung gegeben hatte.

„Du kannſt ſtolz darauf ſein,“ antwortete ich. „Das
Herz des Hadſchi Halef Omar ſchlägt dir voll Dankbar-
keit entgegen, weil du dich ſo freundlich meiner angenommen
haſt. Auch ich werde dir dankbar ſein, Madana“ — hier-
bei machte ſie unwillkürlich eine Bewegung, als wolle ſie
mir die Finger zum Handkuſſe entgegenſtrecken, und da-
her fügte ich ſehr eilig hinzu: — „nur mußt du warten,
bis ich wieder in Lizan bin.“

„Ich werde warten, Herr!“

„Jetzt werde ich mit Ingdſcha zur Höhle gehen. Was
wirſt du thun, wenn jemand unterdeſſen kommt, um
nach mir zu ſehen?“

„Emir, rate mir!“

„Bleibſt du hier, ſo trifft dich der Zorn des Be-
treffenden. Daher iſt es beſſer, du verſteckſt dich, bis wir
zurückkehren.“

„Ich werde deinen Rat befolgen und an einen Ort
gehen, wo ich die Hütte beobachten und auch eure Rück-
kehr bemerken kann.“

„So wollen wir aufbrechen, Ingdſcha.“

Ich ſteckte die Waffen zu mir und nahm den Hund
an die Leine.

Die Jungfrau ſchritt voran, und ich folgte ihr.

Wir gingen eine Strecke weit den Weg zurück, auf
dem ich zur Hütte gebracht worden war; dann ſtiegen
wir rechts aufwärts und verfolgten dieſe Richtung, bis
wir die Höhe erklommen hatten. Dieſelbe war mit Laub-
wald beſtanden, ſo daß wir eng nebeneinander gehen
mußten, um uns nicht zu verlieren.

Nach einiger Zeit lichtete ſich die Holzung wieder,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0605" n="591"/>
        <p>Al&#x017F;o ein Handkuß nur! Aber trotzdem eine Helden-<lb/>
that meines wackern Halef, zu der ihm jedenfalls nur<lb/>
&#x017F;eine Liebe zu mir die Ueberwindung gegeben hatte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du kann&#x017F;t &#x017F;tolz darauf &#x017F;ein,&#x201C; antwortete ich. &#x201E;Das<lb/>
Herz des Had&#x017F;chi Halef Omar &#x017F;chlägt dir voll Dankbar-<lb/>
keit entgegen, weil du dich &#x017F;o freundlich meiner angenommen<lb/>
ha&#x017F;t. Auch ich werde dir dankbar &#x017F;ein, Madana&#x201C; &#x2014; hier-<lb/>
bei machte &#x017F;ie unwillkürlich eine Bewegung, als wolle &#x017F;ie<lb/>
mir die Finger zum Handku&#x017F;&#x017F;e entgegen&#x017F;trecken, und da-<lb/>
her fügte ich &#x017F;ehr eilig hinzu: &#x2014; &#x201E;nur mußt du warten,<lb/>
bis ich wieder in Lizan bin.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich werde warten, Herr!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jetzt werde ich mit Ingd&#x017F;cha zur Höhle gehen. Was<lb/>
wir&#x017F;t du thun, wenn jemand unterde&#x017F;&#x017F;en kommt, um<lb/>
nach mir zu &#x017F;ehen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Emir, rate mir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bleib&#x017F;t du hier, &#x017F;o trifft dich der Zorn des Be-<lb/>
treffenden. Daher i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, du ver&#x017F;teck&#x017F;t dich, bis wir<lb/>
zurückkehren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich werde deinen Rat befolgen und an einen Ort<lb/>
gehen, wo ich die Hütte beobachten und auch eure Rück-<lb/>
kehr bemerken kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So wollen wir aufbrechen, Ingd&#x017F;cha.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;teckte die Waffen zu mir und nahm den Hund<lb/>
an die Leine.</p><lb/>
        <p>Die Jungfrau &#x017F;chritt voran, und ich folgte ihr.</p><lb/>
        <p>Wir gingen eine Strecke weit den Weg zurück, auf<lb/>
dem ich zur Hütte gebracht worden war; dann &#x017F;tiegen<lb/>
wir rechts aufwärts und verfolgten die&#x017F;e Richtung, bis<lb/>
wir die Höhe erklommen hatten. Die&#x017F;elbe war mit Laub-<lb/>
wald be&#x017F;tanden, &#x017F;o daß wir eng nebeneinander gehen<lb/>
mußten, um uns nicht zu verlieren.</p><lb/>
        <p>Nach einiger Zeit lichtete &#x017F;ich die Holzung wieder,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[591/0605] Alſo ein Handkuß nur! Aber trotzdem eine Helden- that meines wackern Halef, zu der ihm jedenfalls nur ſeine Liebe zu mir die Ueberwindung gegeben hatte. „Du kannſt ſtolz darauf ſein,“ antwortete ich. „Das Herz des Hadſchi Halef Omar ſchlägt dir voll Dankbar- keit entgegen, weil du dich ſo freundlich meiner angenommen haſt. Auch ich werde dir dankbar ſein, Madana“ — hier- bei machte ſie unwillkürlich eine Bewegung, als wolle ſie mir die Finger zum Handkuſſe entgegenſtrecken, und da- her fügte ich ſehr eilig hinzu: — „nur mußt du warten, bis ich wieder in Lizan bin.“ „Ich werde warten, Herr!“ „Jetzt werde ich mit Ingdſcha zur Höhle gehen. Was wirſt du thun, wenn jemand unterdeſſen kommt, um nach mir zu ſehen?“ „Emir, rate mir!“ „Bleibſt du hier, ſo trifft dich der Zorn des Be- treffenden. Daher iſt es beſſer, du verſteckſt dich, bis wir zurückkehren.“ „Ich werde deinen Rat befolgen und an einen Ort gehen, wo ich die Hütte beobachten und auch eure Rück- kehr bemerken kann.“ „So wollen wir aufbrechen, Ingdſcha.“ Ich ſteckte die Waffen zu mir und nahm den Hund an die Leine. Die Jungfrau ſchritt voran, und ich folgte ihr. Wir gingen eine Strecke weit den Weg zurück, auf dem ich zur Hütte gebracht worden war; dann ſtiegen wir rechts aufwärts und verfolgten dieſe Richtung, bis wir die Höhe erklommen hatten. Dieſelbe war mit Laub- wald beſtanden, ſo daß wir eng nebeneinander gehen mußten, um uns nicht zu verlieren. Nach einiger Zeit lichtete ſich die Holzung wieder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/605
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/605>, abgerufen am 23.12.2024.