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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
geschweigen -- war also in diesem Falle nicht weiter als der
eines Geschäftsmannes, welcher glaubt für die Gesellschaft am
meisten Nutzen zu stiften, wenn er es versteht, eine möglichst
große Anzahl von blanken Thalern in seinen privatwirth-
schaftlichen Säckel zu leiten.

Daß die thatsächlichen Verhältnisse an den deutschen Hoch-
schulen den entwickelten durchaus entsprechen, wird Keiner
leugnen, dem ein unbefangenes Auge und einiger Einblick in
die bestehenden Zustände gewährt ist. Die Belegstellen sind
so dutzendweise vorhanden, daß wir nur blindlings zuzugreifen
brauchen. -- Aus einer mittelgroßen Universität wird ein
Naturforscher von europäischem Namen wegberufen. Obgleich
das Fach noch von verdienten Extraordinarien vertreten ist,
entscheidet man sich für eine Berufung von auswärts, zum
Theil aus den bekannten Gründen, welche auch nach der Auf-
fassung des Verfassers gegen allzu häufiges Avancement an
der selben Anstalt sprechen. Der Erwählte ist eine noch sehr
junge aber ausgezeichnete Kraft, in einer speziellen Richtung,
die er vertritt, sogar eine Koryphäe; er rückt sogleich in sehr
günstige Gehaltsverhältnisse ein, da die Bedingungen der ver-
lassenen Stellung überboten werden mußten, und hierfür auch
die Position des Vorgängers einigermaßen bestimmend ist.
Eine relativ hohe Rangklasse wird zu gleicher Zeit gewährt.
Er wird Director des erst vor einem Dezennium nach den
Wünschen des berühmten Vorgängers erbauten Jnstituts, wel-
ches für mittlere Ansprüche auf lange hinaus genügen konnte.

An Alledem war nichts Uebertriebenes herauszufinden.
Höchstens sagte man, der Mann hat bei viel Verdienst auch
viel Glück gehabt. -- Nur im Vergleich mit seinen Mitbe-
werbern tritt schon eine gewisse Unbilligkeit hervor. Einer der-
selben, ein langjähriges Mitglied der fraglichen Hochschule,


Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
geſchweigen — war alſo in dieſem Falle nicht weiter als der
eines Geſchäftsmannes, welcher glaubt für die Geſellſchaft am
meiſten Nutzen zu ſtiften, wenn er es verſteht, eine möglichſt
große Anzahl von blanken Thalern in ſeinen privatwirth-
ſchaftlichen Säckel zu leiten.

Daß die thatſächlichen Verhältniſſe an den deutſchen Hoch-
ſchulen den entwickelten durchaus entſprechen, wird Keiner
leugnen, dem ein unbefangenes Auge und einiger Einblick in
die beſtehenden Zuſtände gewährt iſt. Die Belegſtellen ſind
ſo dutzendweiſe vorhanden, daß wir nur blindlings zuzugreifen
brauchen. — Aus einer mittelgroßen Univerſität wird ein
Naturforſcher von europäiſchem Namen wegberufen. Obgleich
das Fach noch von verdienten Extraordinarien vertreten iſt,
entſcheidet man ſich für eine Berufung von auswärts, zum
Theil aus den bekannten Gründen, welche auch nach der Auf-
faſſung des Verfaſſers gegen allzu häufiges Avancement an
der ſelben Anſtalt ſprechen. Der Erwählte iſt eine noch ſehr
junge aber ausgezeichnete Kraft, in einer ſpeziellen Richtung,
die er vertritt, ſogar eine Koryphäe; er rückt ſogleich in ſehr
günſtige Gehaltsverhältniſſe ein, da die Bedingungen der ver-
laſſenen Stellung überboten werden mußten, und hierfür auch
die Poſition des Vorgängers einigermaßen beſtimmend iſt.
Eine relativ hohe Rangklaſſe wird zu gleicher Zeit gewährt.
Er wird Director des erſt vor einem Dezennium nach den
Wünſchen des berühmten Vorgängers erbauten Jnſtituts, wel-
ches für mittlere Anſprüche auf lange hinaus genügen konnte.

An Alledem war nichts Uebertriebenes herauszufinden.
Höchſtens ſagte man, der Mann hat bei viel Verdienſt auch
viel Glück gehabt. — Nur im Vergleich mit ſeinen Mitbe-
werbern tritt ſchon eine gewiſſe Unbilligkeit hervor. Einer der-
ſelben, ein langjähriges Mitglied der fraglichen Hochſchule,

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[187 [27]/0029] Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. geſchweigen — war alſo in dieſem Falle nicht weiter als der eines Geſchäftsmannes, welcher glaubt für die Geſellſchaft am meiſten Nutzen zu ſtiften, wenn er es verſteht, eine möglichſt große Anzahl von blanken Thalern in ſeinen privatwirth- ſchaftlichen Säckel zu leiten. Daß die thatſächlichen Verhältniſſe an den deutſchen Hoch- ſchulen den entwickelten durchaus entſprechen, wird Keiner leugnen, dem ein unbefangenes Auge und einiger Einblick in die beſtehenden Zuſtände gewährt iſt. Die Belegſtellen ſind ſo dutzendweiſe vorhanden, daß wir nur blindlings zuzugreifen brauchen. — Aus einer mittelgroßen Univerſität wird ein Naturforſcher von europäiſchem Namen wegberufen. Obgleich das Fach noch von verdienten Extraordinarien vertreten iſt, entſcheidet man ſich für eine Berufung von auswärts, zum Theil aus den bekannten Gründen, welche auch nach der Auf- faſſung des Verfaſſers gegen allzu häufiges Avancement an der ſelben Anſtalt ſprechen. Der Erwählte iſt eine noch ſehr junge aber ausgezeichnete Kraft, in einer ſpeziellen Richtung, die er vertritt, ſogar eine Koryphäe; er rückt ſogleich in ſehr günſtige Gehaltsverhältniſſe ein, da die Bedingungen der ver- laſſenen Stellung überboten werden mußten, und hierfür auch die Poſition des Vorgängers einigermaßen beſtimmend iſt. Eine relativ hohe Rangklaſſe wird zu gleicher Zeit gewährt. Er wird Director des erſt vor einem Dezennium nach den Wünſchen des berühmten Vorgängers erbauten Jnſtituts, wel- ches für mittlere Anſprüche auf lange hinaus genügen konnte. An Alledem war nichts Uebertriebenes herauszufinden. Höchſtens ſagte man, der Mann hat bei viel Verdienſt auch viel Glück gehabt. — Nur im Vergleich mit ſeinen Mitbe- werbern tritt ſchon eine gewiſſe Unbilligkeit hervor. Einer der- ſelben, ein langjähriges Mitglied der fraglichen Hochſchule,

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 187 [27]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/29>, abgerufen am 21.11.2024.