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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 10. Quellen des Verwaltungsrechts.
Rechtes, einem Selbstverwaltungskörper, zugeteilt ist, um es eignen
Namens zu führen. Es ist vom Staate abgezweigte öffentliche Ver-
waltung. Die Gegenstände derselben bilden die eignen Angelegen-
heiten des Selbstverwaltungskörpers.

Damit ist nicht von selbst die Fähigkeit verbunden, in dem zuge-
wiesenen Kreis von Angelegenheiten auch mit allgemein bindenden
Regeln zu wirken. Denn dieses ist eine dem Gesetz eigentümliche
Kraft, die mit einem andern Ausgangspunkte nur verbunden werden
kann durch eine Machtübertragung von seiten des Gesetzes.

Das Gesetz giebt aber mannigfach den Selbstverwaltungskörpern
solche Ermächtigungen für einen bestimmten Umfang, um sie für die
Besorgung ihrer Angelegenheiten damit auszustatten. Soweit das der
Fall ist, besitzt der Selbstverwaltungskörper das Recht der Autonomie,
der Selbstgesetzgebung, d. h. die Fähigkeit, allgemein bindende
Regeln eignen Namens zu erlassen, Rechtssätze aufzustellen. Diese
Rechtssätze nennen wir autonomische Rechtssätze. Die Akte,
in welchen dieses Selbstgesetzgebungsrecht ausgeübt wird, heissen
Statuten. Insofern in ihnen diese rechtssatzerzeugende Kraft des
Selbstverwaltungskörpers erscheint, sind die Statuten Rechtsquellen.
Insofern die aus ihnen fliessenden Rechtssätze Verhältnisse der öffent-
lichen Gewalt in der den Selbstverwaltungskörpern zustehenden Ver-
waltung bestimmen, sind sie Quellen des Verwaltungsrechts.

Die Autonomie entspricht also dem Verordnungsrecht, das Statut
der Verordnung.

Der Unterschied liegt darin, dass die Verordnung ihre Rechts-
sätze aufstellt im Namen des Staates, staatliches Recht schafft;
die autonomische Satzung dagegen ergeht im Namen der da-
zwischen geschobenen juristischen Person,
ist dem-
gemäss auch in ihrer Entstehung, Änderung und Aufhebung, statt
durch Verfassungsrecht und Behördenordnung, bestimmt nach den
Regeln der Selbstverwaltung13.

Beide Arten von Rechtssetzung erscheinen möglicher Weise hart
neben einander. Den Vorständen der Gemeinden, welchen die Ver-
waltung der Gemeindeangelegenheiten und die Ausübung der dazu

13 Laband, St.R. I S. 104. G. Meyer, St.R. I S. 8 zählt unter den Quellen
des Verwaltungsrechts als "Autonomische Festsetzungen" auch auf: "die Geschäfts-
ordnungen der kollegialisch organisierten Verwaltungsbehörden und Verwaltungs-
gerichte". Allein erstens sind das keine Rechtssätze und wären es Rechtssätze,
so wären es keine autonomischen, weil das "eigne Recht" fehlt; es könnten nur
Verordnungen sein. -- Ungenügend abgegrenzt ist unsere Rechtsquelle bei Roesler,
V.R. I S. 18; v. Stengel, V.R. S. 24.

§ 10. Quellen des Verwaltungsrechts.
Rechtes, einem Selbstverwaltungskörper, zugeteilt ist, um es eignen
Namens zu führen. Es ist vom Staate abgezweigte öffentliche Ver-
waltung. Die Gegenstände derselben bilden die eignen Angelegen-
heiten des Selbstverwaltungskörpers.

Damit ist nicht von selbst die Fähigkeit verbunden, in dem zuge-
wiesenen Kreis von Angelegenheiten auch mit allgemein bindenden
Regeln zu wirken. Denn dieses ist eine dem Gesetz eigentümliche
Kraft, die mit einem andern Ausgangspunkte nur verbunden werden
kann durch eine Machtübertragung von seiten des Gesetzes.

Das Gesetz giebt aber mannigfach den Selbstverwaltungskörpern
solche Ermächtigungen für einen bestimmten Umfang, um sie für die
Besorgung ihrer Angelegenheiten damit auszustatten. Soweit das der
Fall ist, besitzt der Selbstverwaltungskörper das Recht der Autonomie,
der Selbstgesetzgebung, d. h. die Fähigkeit, allgemein bindende
Regeln eignen Namens zu erlassen, Rechtssätze aufzustellen. Diese
Rechtssätze nennen wir autonomische Rechtssätze. Die Akte,
in welchen dieses Selbstgesetzgebungsrecht ausgeübt wird, heiſsen
Statuten. Insofern in ihnen diese rechtssatzerzeugende Kraft des
Selbstverwaltungskörpers erscheint, sind die Statuten Rechtsquellen.
Insofern die aus ihnen flieſsenden Rechtssätze Verhältnisse der öffent-
lichen Gewalt in der den Selbstverwaltungskörpern zustehenden Ver-
waltung bestimmen, sind sie Quellen des Verwaltungsrechts.

Die Autonomie entspricht also dem Verordnungsrecht, das Statut
der Verordnung.

Der Unterschied liegt darin, daſs die Verordnung ihre Rechts-
sätze aufstellt im Namen des Staates, staatliches Recht schafft;
die autonomische Satzung dagegen ergeht im Namen der da-
zwischen geschobenen juristischen Person,
ist dem-
gemäſs auch in ihrer Entstehung, Änderung und Aufhebung, statt
durch Verfassungsrecht und Behördenordnung, bestimmt nach den
Regeln der Selbstverwaltung13.

Beide Arten von Rechtssetzung erscheinen möglicher Weise hart
neben einander. Den Vorständen der Gemeinden, welchen die Ver-
waltung der Gemeindeangelegenheiten und die Ausübung der dazu

13 Laband, St.R. I S. 104. G. Meyer, St.R. I S. 8 zählt unter den Quellen
des Verwaltungsrechts als „Autonomische Festsetzungen“ auch auf: „die Geschäfts-
ordnungen der kollegialisch organisierten Verwaltungsbehörden und Verwaltungs-
gerichte“. Allein erstens sind das keine Rechtssätze und wären es Rechtssätze,
so wären es keine autonomischen, weil das „eigne Recht“ fehlt; es könnten nur
Verordnungen sein. — Ungenügend abgegrenzt ist unsere Rechtsquelle bei Roesler,
V.R. I S. 18; v. Stengel, V.R. S. 24.
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[127/0147] § 10. Quellen des Verwaltungsrechts. Rechtes, einem Selbstverwaltungskörper, zugeteilt ist, um es eignen Namens zu führen. Es ist vom Staate abgezweigte öffentliche Ver- waltung. Die Gegenstände derselben bilden die eignen Angelegen- heiten des Selbstverwaltungskörpers. Damit ist nicht von selbst die Fähigkeit verbunden, in dem zuge- wiesenen Kreis von Angelegenheiten auch mit allgemein bindenden Regeln zu wirken. Denn dieses ist eine dem Gesetz eigentümliche Kraft, die mit einem andern Ausgangspunkte nur verbunden werden kann durch eine Machtübertragung von seiten des Gesetzes. Das Gesetz giebt aber mannigfach den Selbstverwaltungskörpern solche Ermächtigungen für einen bestimmten Umfang, um sie für die Besorgung ihrer Angelegenheiten damit auszustatten. Soweit das der Fall ist, besitzt der Selbstverwaltungskörper das Recht der Autonomie, der Selbstgesetzgebung, d. h. die Fähigkeit, allgemein bindende Regeln eignen Namens zu erlassen, Rechtssätze aufzustellen. Diese Rechtssätze nennen wir autonomische Rechtssätze. Die Akte, in welchen dieses Selbstgesetzgebungsrecht ausgeübt wird, heiſsen Statuten. Insofern in ihnen diese rechtssatzerzeugende Kraft des Selbstverwaltungskörpers erscheint, sind die Statuten Rechtsquellen. Insofern die aus ihnen flieſsenden Rechtssätze Verhältnisse der öffent- lichen Gewalt in der den Selbstverwaltungskörpern zustehenden Ver- waltung bestimmen, sind sie Quellen des Verwaltungsrechts. Die Autonomie entspricht also dem Verordnungsrecht, das Statut der Verordnung. Der Unterschied liegt darin, daſs die Verordnung ihre Rechts- sätze aufstellt im Namen des Staates, staatliches Recht schafft; die autonomische Satzung dagegen ergeht im Namen der da- zwischen geschobenen juristischen Person, ist dem- gemäſs auch in ihrer Entstehung, Änderung und Aufhebung, statt durch Verfassungsrecht und Behördenordnung, bestimmt nach den Regeln der Selbstverwaltung 13. Beide Arten von Rechtssetzung erscheinen möglicher Weise hart neben einander. Den Vorständen der Gemeinden, welchen die Ver- waltung der Gemeindeangelegenheiten und die Ausübung der dazu 13 Laband, St.R. I S. 104. G. Meyer, St.R. I S. 8 zählt unter den Quellen des Verwaltungsrechts als „Autonomische Festsetzungen“ auch auf: „die Geschäfts- ordnungen der kollegialisch organisierten Verwaltungsbehörden und Verwaltungs- gerichte“. Allein erstens sind das keine Rechtssätze und wären es Rechtssätze, so wären es keine autonomischen, weil das „eigne Recht“ fehlt; es könnten nur Verordnungen sein. — Ungenügend abgegrenzt ist unsere Rechtsquelle bei Roesler, V.R. I S. 18; v. Stengel, V.R. S. 24.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/147>, abgerufen am 22.12.2024.