Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.

Die einfachsten Fälle solcher Rückbeziehung bieten natürlich die
fiskalischen Verwaltungen; aber auch gegenüber der öffentlichen Ver-
waltung findet sie statt überall, wo die Gleichartigkeit der Lebens-
äusserung mit der, welche bei einem Privaten getroffen werden soll,
zum Vorschein kommt und nicht auf dieser Seite ein gleichwertiges
oder höheres öffentliches Interesse vertreten wird. Ist das letztere
der Fall, so sagt man: es sei gar nicht der Fiskus, den man vor
sich hat, sondern die Polizeibehörde, ein Hoheitsrecht, der Staat12.

Es lässt sich nicht verkennen, dass auf diese Weise der Begriff
des Fiskus, ganz abgesehen davon, dass man die verschiedenen Ge-
sichtspunkte natürlich immer durcheinander wirft, keinen sehr be-
friedigenden Eindruck macht. In dem zuerst angegebenen Sinne hätte
er wohl noch eine gewisse Geschlossenheit. Dem Staate, wie die
anderen Ausdrucksweisen thun, jeweils einen besonderen Namen zu
geben, wenn man zu dem Schlusse gekommen ist, dass ein bestimmtes
Rechtsverhältnis für ihn besteht, hat eigentlich keinen rechten Zweck.
Man wäre auch nie darauf gekommen, wenn es nicht vom Polizei-
staat her so Gebrauch wäre. Aber der alte Fiskus, jener gewöhn-
liche Privatmann im Gegensatz zum Staate, der da immer gleich-
mässig dahinter stand, gab der ganzen Auffassung einen festen Halt,
den sie jetzt verloren hat.

stitut der Fabrikinspektoren gilt auch für den Staat. -- R.G. 12. Dez. 1882 (Reger,
IV S. 111): Stf.G.B. 367 n. 14 legt auch dem Fiskus als Bauherrn Verpflichtungen
auf. Löbe, Zoll.Stf.R. S. 134: die Zollordnungen gelten auch für Marinenieder-
lagen; S. 109: in den gerichtlichen Strafurteilen ist der Ausspruch der subsidiarischen
Haftung (für die Zollbussen) nicht gegen die Direktionen, sondern gegen die fiskalische
Eisenbahnverwaltung oder den Fiskus zu richten. Vgl. auch F. F. Mayer,
Grunds. S. 17; Bornhak, Preuss. St.R. III S. 139.
12 O.V.G. 5. Sept. 1878 (Samml. V S. 332): Polizeibehörde gegen Polizei-
behörde, also nicht Fiskus. O.VG. 5. Mai 1877 (Samml. II S. 400 ff.): polizeiliches
Verbot eines Militärschiessplatzes; nicht der "Fiskus als solcher", sondern "Aus-
übung der Staats- (Militär-) Hoheit, wie die Polizeigewalt". O.V.G. 25. Juni 1879
(Samml. V S. 398): Ansiedelungsgenehmigung für ein Bahnwärterhäuschen nicht
nötig, weil nicht im "eisenbahnfiskalichen Interesse", sondern im Interesse des
Bahnbetriebes gebaut wird. O.V.G. 2. Nov. 1885 (Samml. 12 S. 246): Amts-
vorsteher befiehlt dem Stromfiskus, eine Brücke zu bauen; es handelt sich nicht um
den Fiskus, sondern um einen "Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates". O.Tr.
1. Mai 1877 (Str. 97 S. 204) kennt sogar einen Polizeifiskus; das ist der Staat,
wenn er bei Anfechtung einer polizeilichen Verfügung vor den Civilgerichten Recht
nehmen muss. Der Zusammenhang mit dem Vermögenssubjekt ist hier ganz auf-
gegeben, die Rückbeziehung des Civilprozessrechts auf den Staat rechtfertigt den
Namen Fiskus allein.
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.

Die einfachsten Fälle solcher Rückbeziehung bieten natürlich die
fiskalischen Verwaltungen; aber auch gegenüber der öffentlichen Ver-
waltung findet sie statt überall, wo die Gleichartigkeit der Lebens-
äuſserung mit der, welche bei einem Privaten getroffen werden soll,
zum Vorschein kommt und nicht auf dieser Seite ein gleichwertiges
oder höheres öffentliches Interesse vertreten wird. Ist das letztere
der Fall, so sagt man: es sei gar nicht der Fiskus, den man vor
sich hat, sondern die Polizeibehörde, ein Hoheitsrecht, der Staat12.

Es läſst sich nicht verkennen, daſs auf diese Weise der Begriff
des Fiskus, ganz abgesehen davon, daſs man die verschiedenen Ge-
sichtspunkte natürlich immer durcheinander wirft, keinen sehr be-
friedigenden Eindruck macht. In dem zuerst angegebenen Sinne hätte
er wohl noch eine gewisse Geschlossenheit. Dem Staate, wie die
anderen Ausdrucksweisen thun, jeweils einen besonderen Namen zu
geben, wenn man zu dem Schlusse gekommen ist, daſs ein bestimmtes
Rechtsverhältnis für ihn besteht, hat eigentlich keinen rechten Zweck.
Man wäre auch nie darauf gekommen, wenn es nicht vom Polizei-
staat her so Gebrauch wäre. Aber der alte Fiskus, jener gewöhn-
liche Privatmann im Gegensatz zum Staate, der da immer gleich-
mäſsig dahinter stand, gab der ganzen Auffassung einen festen Halt,
den sie jetzt verloren hat.

stitut der Fabrikinspektoren gilt auch für den Staat. — R.G. 12. Dez. 1882 (Reger,
IV S. 111): Stf.G.B. 367 n. 14 legt auch dem Fiskus als Bauherrn Verpflichtungen
auf. Löbe, Zoll.Stf.R. S. 134: die Zollordnungen gelten auch für Marinenieder-
lagen; S. 109: in den gerichtlichen Strafurteilen ist der Ausspruch der subsidiarischen
Haftung (für die Zollbuſsen) nicht gegen die Direktionen, sondern gegen die fiskalische
Eisenbahnverwaltung oder den Fiskus zu richten. Vgl. auch F. F. Mayer,
Grunds. S. 17; Bornhak, Preuſs. St.R. III S. 139.
12 O.V.G. 5. Sept. 1878 (Samml. V S. 332): Polizeibehörde gegen Polizei-
behörde, also nicht Fiskus. O.VG. 5. Mai 1877 (Samml. II S. 400 ff.): polizeiliches
Verbot eines Militärschieſsplatzes; nicht der „Fiskus als solcher“, sondern „Aus-
übung der Staats- (Militär-) Hoheit, wie die Polizeigewalt“. O.V.G. 25. Juni 1879
(Samml. V S. 398): Ansiedelungsgenehmigung für ein Bahnwärterhäuschen nicht
nötig, weil nicht im „eisenbahnfiskalichen Interesse“, sondern im Interesse des
Bahnbetriebes gebaut wird. O.V.G. 2. Nov. 1885 (Samml. 12 S. 246): Amts-
vorsteher befiehlt dem Stromfiskus, eine Brücke zu bauen; es handelt sich nicht um
den Fiskus, sondern um einen „Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates“. O.Tr.
1. Mai 1877 (Str. 97 S. 204) kennt sogar einen Polizeifiskus; das ist der Staat,
wenn er bei Anfechtung einer polizeilichen Verfügung vor den Civilgerichten Recht
nehmen muſs. Der Zusammenhang mit dem Vermögenssubjekt ist hier ganz auf-
gegeben, die Rückbeziehung des Civilprozeſsrechts auf den Staat rechtfertigt den
Namen Fiskus allein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0164" n="144"/>
            <fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/>
            <p>Die einfachsten Fälle solcher Rückbeziehung bieten natürlich die<lb/>
fiskalischen Verwaltungen; aber auch gegenüber der öffentlichen Ver-<lb/>
waltung findet sie statt überall, wo die Gleichartigkeit der Lebens-<lb/>
äu&#x017F;serung mit der, welche bei einem Privaten getroffen werden soll,<lb/>
zum Vorschein kommt und nicht auf dieser Seite ein gleichwertiges<lb/>
oder höheres öffentliches Interesse vertreten wird. Ist das letztere<lb/>
der Fall, so sagt man: es sei gar nicht der Fiskus, den man vor<lb/>
sich hat, sondern die Polizeibehörde, ein Hoheitsrecht, der Staat<note place="foot" n="12">O.V.G. 5. Sept. 1878 (Samml. V S. 332): Polizeibehörde gegen Polizei-<lb/>
behörde, also nicht Fiskus. O.VG. 5. Mai 1877 (Samml. II S. 400 ff.): polizeiliches<lb/>
Verbot eines Militärschie&#x017F;splatzes; nicht der &#x201E;Fiskus als solcher&#x201C;, sondern &#x201E;Aus-<lb/>
übung der Staats- (Militär-) Hoheit, wie die Polizeigewalt&#x201C;. O.V.G. 25. Juni 1879<lb/>
(Samml. V S. 398): Ansiedelungsgenehmigung für ein Bahnwärterhäuschen nicht<lb/>
nötig, weil nicht im &#x201E;eisenbahnfiskalichen Interesse&#x201C;, sondern im Interesse des<lb/>
Bahnbetriebes gebaut wird. O.V.G. 2. Nov. 1885 (Samml. 12 S. 246): Amts-<lb/>
vorsteher befiehlt dem Stromfiskus, eine Brücke zu bauen; es handelt sich nicht um<lb/>
den Fiskus, sondern um einen &#x201E;Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates&#x201C;. O.Tr.<lb/>
1. Mai 1877 (Str. 97 S. 204) kennt sogar einen Polizeifiskus; das ist der Staat,<lb/>
wenn er bei Anfechtung einer polizeilichen Verfügung vor den Civilgerichten Recht<lb/>
nehmen mu&#x017F;s. Der Zusammenhang mit dem Vermögenssubjekt ist hier ganz auf-<lb/>
gegeben, die Rückbeziehung des Civilproze&#x017F;srechts auf den Staat rechtfertigt den<lb/>
Namen Fiskus allein.</note>.</p><lb/>
            <p>Es lä&#x017F;st sich nicht verkennen, da&#x017F;s auf diese Weise der Begriff<lb/>
des Fiskus, ganz abgesehen davon, da&#x017F;s man die verschiedenen Ge-<lb/>
sichtspunkte natürlich immer durcheinander wirft, keinen sehr be-<lb/>
friedigenden Eindruck macht. In dem zuerst angegebenen Sinne hätte<lb/>
er wohl noch eine gewisse Geschlossenheit. Dem Staate, wie die<lb/>
anderen Ausdrucksweisen thun, jeweils einen besonderen Namen zu<lb/>
geben, wenn man zu dem Schlusse gekommen ist, da&#x017F;s ein bestimmtes<lb/>
Rechtsverhältnis für ihn besteht, hat eigentlich keinen rechten Zweck.<lb/>
Man wäre auch nie darauf gekommen, wenn es nicht vom Polizei-<lb/>
staat her so Gebrauch wäre. Aber der alte Fiskus, jener gewöhn-<lb/>
liche Privatmann im Gegensatz zum Staate, der da immer gleich-<lb/>&#x017F;sig dahinter stand, gab der ganzen Auffassung einen festen Halt,<lb/>
den sie jetzt verloren hat.</p><lb/>
            <p>
              <note xml:id="seg2pn_28_2" prev="#seg2pn_28_1" place="foot" n="11">stitut der Fabrikinspektoren gilt auch für den Staat. &#x2014; R.G. 12. Dez. 1882 (<hi rendition="#g">Reger,</hi><lb/>
IV S. 111): Stf.G.B. 367 n. 14 legt auch dem Fiskus als Bauherrn Verpflichtungen<lb/>
auf. <hi rendition="#g">Löbe,</hi> Zoll.Stf.R. S. 134: die Zollordnungen gelten auch für Marinenieder-<lb/>
lagen; S. 109: in den gerichtlichen Strafurteilen ist der Ausspruch der subsidiarischen<lb/>
Haftung (für die Zollbu&#x017F;sen) nicht gegen die Direktionen, sondern gegen die fiskalische<lb/>
Eisenbahnverwaltung oder den Fiskus zu richten. Vgl. auch F. F. <hi rendition="#g">Mayer,</hi><lb/>
Grunds. S. 17; <hi rendition="#g">Bornhak,</hi> Preu&#x017F;s. St.R. III S. 139.</note>
            </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0164] Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. Die einfachsten Fälle solcher Rückbeziehung bieten natürlich die fiskalischen Verwaltungen; aber auch gegenüber der öffentlichen Ver- waltung findet sie statt überall, wo die Gleichartigkeit der Lebens- äuſserung mit der, welche bei einem Privaten getroffen werden soll, zum Vorschein kommt und nicht auf dieser Seite ein gleichwertiges oder höheres öffentliches Interesse vertreten wird. Ist das letztere der Fall, so sagt man: es sei gar nicht der Fiskus, den man vor sich hat, sondern die Polizeibehörde, ein Hoheitsrecht, der Staat 12. Es läſst sich nicht verkennen, daſs auf diese Weise der Begriff des Fiskus, ganz abgesehen davon, daſs man die verschiedenen Ge- sichtspunkte natürlich immer durcheinander wirft, keinen sehr be- friedigenden Eindruck macht. In dem zuerst angegebenen Sinne hätte er wohl noch eine gewisse Geschlossenheit. Dem Staate, wie die anderen Ausdrucksweisen thun, jeweils einen besonderen Namen zu geben, wenn man zu dem Schlusse gekommen ist, daſs ein bestimmtes Rechtsverhältnis für ihn besteht, hat eigentlich keinen rechten Zweck. Man wäre auch nie darauf gekommen, wenn es nicht vom Polizei- staat her so Gebrauch wäre. Aber der alte Fiskus, jener gewöhn- liche Privatmann im Gegensatz zum Staate, der da immer gleich- mäſsig dahinter stand, gab der ganzen Auffassung einen festen Halt, den sie jetzt verloren hat. 11 12 O.V.G. 5. Sept. 1878 (Samml. V S. 332): Polizeibehörde gegen Polizei- behörde, also nicht Fiskus. O.VG. 5. Mai 1877 (Samml. II S. 400 ff.): polizeiliches Verbot eines Militärschieſsplatzes; nicht der „Fiskus als solcher“, sondern „Aus- übung der Staats- (Militär-) Hoheit, wie die Polizeigewalt“. O.V.G. 25. Juni 1879 (Samml. V S. 398): Ansiedelungsgenehmigung für ein Bahnwärterhäuschen nicht nötig, weil nicht im „eisenbahnfiskalichen Interesse“, sondern im Interesse des Bahnbetriebes gebaut wird. O.V.G. 2. Nov. 1885 (Samml. 12 S. 246): Amts- vorsteher befiehlt dem Stromfiskus, eine Brücke zu bauen; es handelt sich nicht um den Fiskus, sondern um einen „Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates“. O.Tr. 1. Mai 1877 (Str. 97 S. 204) kennt sogar einen Polizeifiskus; das ist der Staat, wenn er bei Anfechtung einer polizeilichen Verfügung vor den Civilgerichten Recht nehmen muſs. Der Zusammenhang mit dem Vermögenssubjekt ist hier ganz auf- gegeben, die Rückbeziehung des Civilprozeſsrechts auf den Staat rechtfertigt den Namen Fiskus allein. 11 stitut der Fabrikinspektoren gilt auch für den Staat. — R.G. 12. Dez. 1882 (Reger, IV S. 111): Stf.G.B. 367 n. 14 legt auch dem Fiskus als Bauherrn Verpflichtungen auf. Löbe, Zoll.Stf.R. S. 134: die Zollordnungen gelten auch für Marinenieder- lagen; S. 109: in den gerichtlichen Strafurteilen ist der Ausspruch der subsidiarischen Haftung (für die Zollbuſsen) nicht gegen die Direktionen, sondern gegen die fiskalische Eisenbahnverwaltung oder den Fiskus zu richten. Vgl. auch F. F. Mayer, Grunds. S. 17; Bornhak, Preuſs. St.R. III S. 139.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/164
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/164>, abgerufen am 22.12.2024.