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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
zum Besseren wird wieder ausgeschlossen wegen des Rechtes der
Gegenpartei, das dadurch beeinträchtigt würde23.

2. Es kann aber auch eine Änderung des rechtskräftig Bestimmten
stattfinden trotz des Rechtes der Partei, zu deren Gunsten die Rechts-
kraft besteht, und zu ihrem Nachteil. Denn dieses Recht hat selbst
gewisse Grenzen, wie auch das Vorbild des Civilprozesses sie aufweist.

Die Rechtskraft schliesst nicht aus der Geltendmachung eines
selbständigen Rechtsgrundes: was zwischen den Parteien
nicht Gegenstand des Prozesses gewesen ist, nicht in judicium deductum,
weil der Anspruch noch nicht begründet war oder weil kein Anlass
bestand, ihn einzubegreifen, kann nachträglich dazu dienen, die Wirkung
der Rechtskraft zu durchkreuzen. Das stellt sich in der zweiseitigen
Verwaltungsrechtspflege in der nämlichen Gestalt dar wie im Civil-
prozesse24.

Aber noch in ganz anderer Weise greift bei jeder Art von Ver-
waltungsrechtspflege der selbständige Rechtsgrund ein: der Staat
selbst, gegen den die Rechtskraft ja in erster Linie sich richtet, steht
diesem Recht des Unterthanen gegenüber nur wie allen anderen
Rechten; unter den gehörigen Formen und Voraussetzungen können
Eingriffe der Behörden auch in dem dadurch geschützten Interessen-
kreis vorgenommen werden, wie es eben der weitere Gang der Ver-
waltung mit sich führen mag. Das Gesetz selbst, das gar keiner

23 V.G.H. 13. Juni 1889 (Samml. XI S. 262) giebt zunächst wieder die be-
kannten Redensarten, dass die Rechtskraft von Urteilen, welche Konzessionsgesuche
abweisen "naturgemäss nur in begrenztem Masse" Anwendung finden könne; nach-
trägliche Bewilligungen stehen also frei. Aber: "Eine Rechtskraft in dem Sinne,
dass unabänderliches Recht geschaffen wird, könnte nur insoweit eintreten, als
durch den betreffenden Beschluss zugleich verwaltungsrechtlich über bestrittene
Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem Konzessionssucher und dessen Gegen-
interessenten entschieden wäre". V.G.H. 1. Mai 1883 (Samml. IV S. 459): Das
Bezirksamt hatte erkannt, dass gewissen Grundbesitzern ein selbständiges Jagd-
gebiet nicht zustehe. Neues Gesuch; die Gemeinde erhebt Widerspruch mit Be-
rufung auf die Rechtskraft. Sie war aber im ersten Verfahren gar nicht zugezogen
gewesen. Daher wird erkannt: es konnte ihr durch diesen Beschluss kein Recht
in Bezug auf die bestrittene Jagdausübung erwachsen, also ist die Einrede der
Rechtskraft unbegründet. Ebenso fragt O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 354)
bei Untersuchung der Rechtskraft der Abweisung eines Gesuches nur, ob
"Rechte einer am Streite beteiligten Privatperson" dem erneuten Gesuche im Wege
stehen.
24 O.V.G. 19. April 1879: Gesetzliche Beitragspflicht zu Verbandlasten rechts-
kräftig verneint, neue Klage auf Grund Vertrags oder Verjährung zulässig. Ähnlich
Bd.A. f. H.S. 5. Nov. 1881 (Reger, II S. 36) wegen einer neuen Klage auf Über-
nahme eines Hülssbedürftigen bei geänderten Verhältnissen.

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
zum Besseren wird wieder ausgeschlossen wegen des Rechtes der
Gegenpartei, das dadurch beeinträchtigt würde23.

2. Es kann aber auch eine Änderung des rechtskräftig Bestimmten
stattfinden trotz des Rechtes der Partei, zu deren Gunsten die Rechts-
kraft besteht, und zu ihrem Nachteil. Denn dieses Recht hat selbst
gewisse Grenzen, wie auch das Vorbild des Civilprozesses sie aufweist.

Die Rechtskraft schlieſst nicht aus der Geltendmachung eines
selbständigen Rechtsgrundes: was zwischen den Parteien
nicht Gegenstand des Prozesses gewesen ist, nicht in judicium deductum,
weil der Anspruch noch nicht begründet war oder weil kein Anlaſs
bestand, ihn einzubegreifen, kann nachträglich dazu dienen, die Wirkung
der Rechtskraft zu durchkreuzen. Das stellt sich in der zweiseitigen
Verwaltungsrechtspflege in der nämlichen Gestalt dar wie im Civil-
prozesse24.

Aber noch in ganz anderer Weise greift bei jeder Art von Ver-
waltungsrechtspflege der selbständige Rechtsgrund ein: der Staat
selbst, gegen den die Rechtskraft ja in erster Linie sich richtet, steht
diesem Recht des Unterthanen gegenüber nur wie allen anderen
Rechten; unter den gehörigen Formen und Voraussetzungen können
Eingriffe der Behörden auch in dem dadurch geschützten Interessen-
kreis vorgenommen werden, wie es eben der weitere Gang der Ver-
waltung mit sich führen mag. Das Gesetz selbst, das gar keiner

23 V.G.H. 13. Juni 1889 (Samml. XI S. 262) giebt zunächst wieder die be-
kannten Redensarten, daſs die Rechtskraft von Urteilen, welche Konzessionsgesuche
abweisen „naturgemäſs nur in begrenztem Maſse“ Anwendung finden könne; nach-
trägliche Bewilligungen stehen also frei. Aber: „Eine Rechtskraft in dem Sinne,
daſs unabänderliches Recht geschaffen wird, könnte nur insoweit eintreten, als
durch den betreffenden Beschluſs zugleich verwaltungsrechtlich über bestrittene
Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem Konzessionssucher und dessen Gegen-
interessenten entschieden wäre“. V.G.H. 1. Mai 1883 (Samml. IV S. 459): Das
Bezirksamt hatte erkannt, daſs gewissen Grundbesitzern ein selbständiges Jagd-
gebiet nicht zustehe. Neues Gesuch; die Gemeinde erhebt Widerspruch mit Be-
rufung auf die Rechtskraft. Sie war aber im ersten Verfahren gar nicht zugezogen
gewesen. Daher wird erkannt: es konnte ihr durch diesen Beschluſs kein Recht
in Bezug auf die bestrittene Jagdausübung erwachsen, also ist die Einrede der
Rechtskraft unbegründet. Ebenso fragt O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 354)
bei Untersuchung der Rechtskraft der Abweisung eines Gesuches nur, ob
„Rechte einer am Streite beteiligten Privatperson“ dem erneuten Gesuche im Wege
stehen.
24 O.V.G. 19. April 1879: Gesetzliche Beitragspflicht zu Verbandlasten rechts-
kräftig verneint, neue Klage auf Grund Vertrags oder Verjährung zulässig. Ähnlich
Bd.A. f. H.S. 5. Nov. 1881 (Reger, II S. 36) wegen einer neuen Klage auf Über-
nahme eines Hülſsbedürftigen bei geänderten Verhältnissen.
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[208/0228] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. zum Besseren wird wieder ausgeschlossen wegen des Rechtes der Gegenpartei, das dadurch beeinträchtigt würde 23. 2. Es kann aber auch eine Änderung des rechtskräftig Bestimmten stattfinden trotz des Rechtes der Partei, zu deren Gunsten die Rechts- kraft besteht, und zu ihrem Nachteil. Denn dieses Recht hat selbst gewisse Grenzen, wie auch das Vorbild des Civilprozesses sie aufweist. Die Rechtskraft schlieſst nicht aus der Geltendmachung eines selbständigen Rechtsgrundes: was zwischen den Parteien nicht Gegenstand des Prozesses gewesen ist, nicht in judicium deductum, weil der Anspruch noch nicht begründet war oder weil kein Anlaſs bestand, ihn einzubegreifen, kann nachträglich dazu dienen, die Wirkung der Rechtskraft zu durchkreuzen. Das stellt sich in der zweiseitigen Verwaltungsrechtspflege in der nämlichen Gestalt dar wie im Civil- prozesse 24. Aber noch in ganz anderer Weise greift bei jeder Art von Ver- waltungsrechtspflege der selbständige Rechtsgrund ein: der Staat selbst, gegen den die Rechtskraft ja in erster Linie sich richtet, steht diesem Recht des Unterthanen gegenüber nur wie allen anderen Rechten; unter den gehörigen Formen und Voraussetzungen können Eingriffe der Behörden auch in dem dadurch geschützten Interessen- kreis vorgenommen werden, wie es eben der weitere Gang der Ver- waltung mit sich führen mag. Das Gesetz selbst, das gar keiner 23 V.G.H. 13. Juni 1889 (Samml. XI S. 262) giebt zunächst wieder die be- kannten Redensarten, daſs die Rechtskraft von Urteilen, welche Konzessionsgesuche abweisen „naturgemäſs nur in begrenztem Maſse“ Anwendung finden könne; nach- trägliche Bewilligungen stehen also frei. Aber: „Eine Rechtskraft in dem Sinne, daſs unabänderliches Recht geschaffen wird, könnte nur insoweit eintreten, als durch den betreffenden Beschluſs zugleich verwaltungsrechtlich über bestrittene Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem Konzessionssucher und dessen Gegen- interessenten entschieden wäre“. V.G.H. 1. Mai 1883 (Samml. IV S. 459): Das Bezirksamt hatte erkannt, daſs gewissen Grundbesitzern ein selbständiges Jagd- gebiet nicht zustehe. Neues Gesuch; die Gemeinde erhebt Widerspruch mit Be- rufung auf die Rechtskraft. Sie war aber im ersten Verfahren gar nicht zugezogen gewesen. Daher wird erkannt: es konnte ihr durch diesen Beschluſs kein Recht in Bezug auf die bestrittene Jagdausübung erwachsen, also ist die Einrede der Rechtskraft unbegründet. Ebenso fragt O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 354) bei Untersuchung der Rechtskraft der Abweisung eines Gesuches nur, ob „Rechte einer am Streite beteiligten Privatperson“ dem erneuten Gesuche im Wege stehen. 24 O.V.G. 19. April 1879: Gesetzliche Beitragspflicht zu Verbandlasten rechts- kräftig verneint, neue Klage auf Grund Vertrags oder Verjährung zulässig. Ähnlich Bd.A. f. H.S. 5. Nov. 1881 (Reger, II S. 36) wegen einer neuen Klage auf Über- nahme eines Hülſsbedürftigen bei geänderten Verhältnissen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/228>, abgerufen am 22.12.2024.