Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. der etwa dafür eingetretenen Rechtskraft. Beispiele geben vor allemdie polizeilichen Anordnungen, Verbot, Gebot und Versagung von Erlaubnissen. Die Rechtskraft kommt dabei nach dem soeben n. 1 Ausgeführten ohnehin nur insoweit in Frage, als eine Gegenpartei da ist, zu deren Gunsten die verhängte Massregel gebunden wäre. Die Verwaltungsbehörde, von der die Neubehandlung der Sache wieder ausgeht, wird aber auch hier gleichwohl nach freiem Ermessen des öffentlichen Interesses den Befehl zurücknehmen, die Erlaubnis nach- träglich erteilen dürfen. Das will nicht sagen, dass die Änderung im freien Belieben der Behörde stünde, insbesondere nicht, dass es ge- nügt, dass sie zu anderen Auffassungen sich bekehrt habe, um die Massregel zurückzunehmen. Das wäre sonst allerdings eine Verneinung der Rechtskraft überhaupt. Neuerungen an den äusser- lichen Umständen, an den thatsächlichen Voraussetzungen müssen seit jenem Ausspruche stattgefunden haben und nur die Tragweite, die ausreichende Bedeutung derselben würdigt das freie Ermessen27. 27 Dieser Gedanke kommt bei Parey, V.R. I S. 231, in nicht ganz fertiger
Weise zum Ausdruck: "die materielle Rechtskraft ist in Verwaltungsangelegenheiten überhaupt schwer nachzuweisen, weil die das öffentliche Interesse berührenden Umstände jeder Zeit Änderungen unterworfen sind und deshalb die Stellung wieder- holter Anträge nicht verkümmert werden darf". Wenn eine Gegenpartei nicht da ist, bedarf es der Berufung auf das wechselnde öffentliche Interesse ohnehin nicht (oben Note 22). -- O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 353) behandelt die Frage. Ein Gesuch um Erlaubnis zur Gründung einer neuen Ansiedlung war aus Gründen des öffentlichen Interesses durch verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen worden. Dem erneuten Gesuch kann nicht einfach die Rechtskraft der Abweisung entgegen gehalten werden. Das Ansiedlungsrecht des Klägers ist "nur zur Zeit und in der Art, wie er es geltend machte", verneint worden -- rebus sic stantibus. Dazu kommt nun die Betrachtung: "Von einem durch Klageverbrauch wohl- erworbenen Rechte im civilprozessrechtlichen Sinne kann sonach selbst nicht ein- mal auf seiten einer am Streite beteiligten Privatperson die Rede sein, weil die Befugnis der Privatperson zum Einspruch ebenfalls ausschliesslich in dem öffent- lichen Rechte wurzelt und demzufolge, falls sie richterlicherseits zur Anerkennung gelangt ist, ihre rechtliche Wirkung nicht weiter äussern kann, als die der polizei- lichen Disposition selbst reicht". Die Gegenpartei hat also doch ein Recht darauf, dass die polizeiliche Disposition in dem Sinne aufrechterhalten werde, dass sie das Gesuch "zu der Zeit und in der Art", d. h. rebus sic stantibus abweist. Das ist eine geringe Sicherheit gegenüber dem freien Ermessen der Behörde, ob die Um- stände in hinreichendem Masse verändert sind; aber es ist doch etwas, was be- achtet werden muss. Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. der etwa dafür eingetretenen Rechtskraft. Beispiele geben vor allemdie polizeilichen Anordnungen, Verbot, Gebot und Versagung von Erlaubnissen. Die Rechtskraft kommt dabei nach dem soeben n. 1 Ausgeführten ohnehin nur insoweit in Frage, als eine Gegenpartei da ist, zu deren Gunsten die verhängte Maſsregel gebunden wäre. Die Verwaltungsbehörde, von der die Neubehandlung der Sache wieder ausgeht, wird aber auch hier gleichwohl nach freiem Ermessen des öffentlichen Interesses den Befehl zurücknehmen, die Erlaubnis nach- träglich erteilen dürfen. Das will nicht sagen, daſs die Änderung im freien Belieben der Behörde stünde, insbesondere nicht, daſs es ge- nügt, daſs sie zu anderen Auffassungen sich bekehrt habe, um die Maſsregel zurückzunehmen. Das wäre sonst allerdings eine Verneinung der Rechtskraft überhaupt. Neuerungen an den äuſser- lichen Umständen, an den thatsächlichen Voraussetzungen müssen seit jenem Ausspruche stattgefunden haben und nur die Tragweite, die ausreichende Bedeutung derselben würdigt das freie Ermessen27. 27 Dieser Gedanke kommt bei Parey, V.R. I S. 231, in nicht ganz fertiger
Weise zum Ausdruck: „die materielle Rechtskraft ist in Verwaltungsangelegenheiten überhaupt schwer nachzuweisen, weil die das öffentliche Interesse berührenden Umstände jeder Zeit Änderungen unterworfen sind und deshalb die Stellung wieder- holter Anträge nicht verkümmert werden darf“. Wenn eine Gegenpartei nicht da ist, bedarf es der Berufung auf das wechselnde öffentliche Interesse ohnehin nicht (oben Note 22). — O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 353) behandelt die Frage. Ein Gesuch um Erlaubnis zur Gründung einer neuen Ansiedlung war aus Gründen des öffentlichen Interesses durch verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen worden. Dem erneuten Gesuch kann nicht einfach die Rechtskraft der Abweisung entgegen gehalten werden. Das Ansiedlungsrecht des Klägers ist „nur zur Zeit und in der Art, wie er es geltend machte“, verneint worden — rebus sic stantibus. Dazu kommt nun die Betrachtung: „Von einem durch Klageverbrauch wohl- erworbenen Rechte im civilprozeſsrechtlichen Sinne kann sonach selbst nicht ein- mal auf seiten einer am Streite beteiligten Privatperson die Rede sein, weil die Befugnis der Privatperson zum Einspruch ebenfalls ausschlieſslich in dem öffent- lichen Rechte wurzelt und demzufolge, falls sie richterlicherseits zur Anerkennung gelangt ist, ihre rechtliche Wirkung nicht weiter äuſsern kann, als die der polizei- lichen Disposition selbst reicht“. Die Gegenpartei hat also doch ein Recht darauf, daſs die polizeiliche Disposition in dem Sinne aufrechterhalten werde, daſs sie das Gesuch „zu der Zeit und in der Art“, d. h. rebus sic stantibus abweist. 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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
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die polizeilichen Anordnungen, Verbot, Gebot und Versagung von
Erlaubnissen. Die Rechtskraft kommt dabei nach dem soeben n. 1
Ausgeführten ohnehin nur insoweit in Frage, als eine Gegenpartei
da ist, zu deren Gunsten die verhängte Maſsregel gebunden wäre.
Die Verwaltungsbehörde, von der die Neubehandlung der Sache wieder
ausgeht, wird aber auch hier gleichwohl nach freiem Ermessen des
öffentlichen Interesses den Befehl zurücknehmen, die Erlaubnis nach-
träglich erteilen dürfen. Das will nicht sagen, daſs die Änderung im
freien Belieben der Behörde stünde, insbesondere nicht, daſs es ge-
nügt, daſs sie zu anderen Auffassungen sich bekehrt habe, um
die Maſsregel zurückzunehmen. Das wäre sonst allerdings eine
Verneinung der Rechtskraft überhaupt. Neuerungen an den äuſser-
lichen Umständen, an den thatsächlichen Voraussetzungen müssen seit
jenem Ausspruche stattgefunden haben und nur die Tragweite, die
ausreichende Bedeutung derselben würdigt das freie Ermessen 27.
27 Dieser Gedanke kommt bei Parey, V.R. I S. 231, in nicht ganz fertiger
Weise zum Ausdruck: „die materielle Rechtskraft ist in Verwaltungsangelegenheiten
überhaupt schwer nachzuweisen, weil die das öffentliche Interesse berührenden
Umstände jeder Zeit Änderungen unterworfen sind und deshalb die Stellung wieder-
holter Anträge nicht verkümmert werden darf“. Wenn eine Gegenpartei nicht da
ist, bedarf es der Berufung auf das wechselnde öffentliche Interesse ohnehin nicht
(oben Note 22). — O.V.G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 353) behandelt die Frage.
Ein Gesuch um Erlaubnis zur Gründung einer neuen Ansiedlung war aus Gründen
des öffentlichen Interesses durch verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen
worden. Dem erneuten Gesuch kann nicht einfach die Rechtskraft der Abweisung
entgegen gehalten werden. Das Ansiedlungsrecht des Klägers ist „nur zur Zeit
und in der Art, wie er es geltend machte“, verneint worden — rebus sic stantibus.
Dazu kommt nun die Betrachtung: „Von einem durch Klageverbrauch wohl-
erworbenen Rechte im civilprozeſsrechtlichen Sinne kann sonach selbst nicht ein-
mal auf seiten einer am Streite beteiligten Privatperson die Rede sein, weil die
Befugnis der Privatperson zum Einspruch ebenfalls ausschlieſslich in dem öffent-
lichen Rechte wurzelt und demzufolge, falls sie richterlicherseits zur Anerkennung
gelangt ist, ihre rechtliche Wirkung nicht weiter äuſsern kann, als die der polizei-
lichen Disposition selbst reicht“. Die Gegenpartei hat also doch ein Recht darauf,
daſs die polizeiliche Disposition in dem Sinne aufrechterhalten werde, daſs sie das
Gesuch „zu der Zeit und in der Art“, d. h. rebus sic stantibus abweist. Das ist
eine geringe Sicherheit gegenüber dem freien Ermessen der Behörde, ob die Um-
stände in hinreichendem Maſse verändert sind; aber es ist doch etwas, was be-
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