Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte. und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten- punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts- entscheidung auf der Klage besteht, muss er abgewiesen werden wegen Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er- neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig- keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen Prozess nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich fügen27. Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die 27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un- zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un- zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816. 28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien- klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, dass zunächst über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht: jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er- kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. -- Noch deut- licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch hier nicht weiter angeht. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 15
§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte. und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten- punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts- entscheidung auf der Klage besteht, muſs er abgewiesen werden wegen Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er- neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig- keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen Prozeſs nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich fügen27. Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die 27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un- zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un- zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816. 28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien- klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, daſs zunächst über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht: jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er- kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. — Noch deut- licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch hier nicht weiter angeht. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 15
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§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-
schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können
noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten-
punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts-
entscheidung auf der Klage besteht, muſs er abgewiesen werden wegen
Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren
ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er-
neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so
stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig-
keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen
Prozeſs nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht
des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich
fügen 27.
Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die
Formel lautet, der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenz-
konflikt für unbegründet erklärt worden, so hat das nur die Bedeutung
der Verweigerung eines solchen Einschreitens durch Verbot und
Nichtigerklärung. Die Unterbrechung des Verfahrens hört auf. Das
Gericht ist wieder in die Lage gesetzt, über die Zulässigkeit des
Rechtsweges zu entscheiden der Art, daſs auch die Verwaltungs-
behörden dadurch gebunden sind. Das etwa schon ergangene Urteil
aber behält einfach diese Kraft. Dabei wird sich wieder das Ansehen
der Meinungsäuſserung des Kompetenzkonfliktshofes thatsächlich ge-
nügend erweisen, um die Partei auf die etwa erhobene Unzuständig-
keitseinrede verzichten zu machen oder das Gericht zur Abweisung
derselben zu bestimmen 28.
27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un-
zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un-
zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816.
28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien-
klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg
und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig
erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, daſs zunächst
über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht:
jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den
Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch
noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er-
kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. — Noch deut-
licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor
in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch
hier nicht weiter angeht.
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