für welches er da ist und das für ihn da ist, dessen Kräfte auch die seinigen sind; darum geht sie ihn an.
Diese Gesellschaft ist ein Gemeinwesen, um der Wechsel- beziehungen willen, welche sie zwischen den darin begriffenen Ein- zelnen vermittelt: Nützliches wie Schädliches, was dem Einzelnen darin widerfährt, ist das Ergebnis unzähliger, im besonderen nicht mehr verfolgbarer Zusammenhänge mit ihrem Gesamtzustand; und umgekehrt das Verhalten des Einzelnen hat über seine unmittelbare Wirkung hinaus bald mehr bald weniger zugleich eine Bedeutung für den Gesamtzustand1.
Auf das letztere kommt es hier allein an; es handelt sich um die gesellschaftlich bedeutsamen Äusserungen des Einzel- lebens. Diese Bedeutung kann eine nützliche und kann eine schäd- liche sein. Nützlich ist alles, was die in der Gesellschaft enthaltenen wirtschaftlichen, geistigen, sittlichen Kräfte zu steigern geeignet ist. Die alte Wohlfahrtspolizei hat eine Pflicht jedes Einzelnen, dazu bei- zutragen, in Anspruch genommen und geltend gemacht. Unser gegen- wärtiger Polizeibegriff hat es nur mit solchen Äusserungen des Einzel- lebens zu thun, die geeignet sind, gesellschaftliche Schädlich- keiten zu bedeuten, d. h. die in der Gesellschaft enthaltenen guten Kräfte zu beeinträchtigen.
Unter der guten Ordnung des Gemeinwesens, die aufrecht- erhalten werden soll, verstehen wir also einen allgemeinen Zustand der Gesellschaft, bei welchem die in ihr enthaltenen Kräfte durch Schädlichkeiten, die ihnen bereitet werden, möglichst wenig beein- trächtigt werden. Dieser Zustand kann zerlegt werden nach seinen einzelnen Seiten mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten von Schädlichkeiten, die ihm drohen; dadurch entstehen die Begriffe der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung im engeren Sinne u. s. w.
Störung der guten Ordnung ist jede vom Einzeldasein aus- gehende Lebensäusserung, welche geeignet ist, durch ihre gesellschaft- liche Wirkung die in der Gesellschaft enthaltenen Kräfte zu beein- trächtigen.
1 Der Begriff der Gesellschaft ist für das Verwaltungsrecht schon in ver- schiedener Weise verwertet worden: Gneist, Rechtsstaat S. 25, und neuerdings in: Die nationalen Rechtsideen von den Ständen; v. Stein, Begriff der Gesellschaft und die sociale Gesch. der franz. Rev. I Einl.; ders., Handb. S. 738 ff.; Roesler, V.R. I S. 2 ff. -- Den Zusammenhang zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Polizei hat immer noch am besten Hegel, Rechtsphilosophie § 182 ff., § 231 ff., aufgewiesen und durchgeführt.
Die Polizeigewalt.
für welches er da ist und das für ihn da ist, dessen Kräfte auch die seinigen sind; darum geht sie ihn an.
Diese Gesellschaft ist ein Gemeinwesen, um der Wechsel- beziehungen willen, welche sie zwischen den darin begriffenen Ein- zelnen vermittelt: Nützliches wie Schädliches, was dem Einzelnen darin widerfährt, ist das Ergebnis unzähliger, im besonderen nicht mehr verfolgbarer Zusammenhänge mit ihrem Gesamtzustand; und umgekehrt das Verhalten des Einzelnen hat über seine unmittelbare Wirkung hinaus bald mehr bald weniger zugleich eine Bedeutung für den Gesamtzustand1.
Auf das letztere kommt es hier allein an; es handelt sich um die gesellschaftlich bedeutsamen Äuſserungen des Einzel- lebens. Diese Bedeutung kann eine nützliche und kann eine schäd- liche sein. Nützlich ist alles, was die in der Gesellschaft enthaltenen wirtschaftlichen, geistigen, sittlichen Kräfte zu steigern geeignet ist. Die alte Wohlfahrtspolizei hat eine Pflicht jedes Einzelnen, dazu bei- zutragen, in Anspruch genommen und geltend gemacht. Unser gegen- wärtiger Polizeibegriff hat es nur mit solchen Äuſserungen des Einzel- lebens zu thun, die geeignet sind, gesellschaftliche Schädlich- keiten zu bedeuten, d. h. die in der Gesellschaft enthaltenen guten Kräfte zu beeinträchtigen.
Unter der guten Ordnung des Gemeinwesens, die aufrecht- erhalten werden soll, verstehen wir also einen allgemeinen Zustand der Gesellschaft, bei welchem die in ihr enthaltenen Kräfte durch Schädlichkeiten, die ihnen bereitet werden, möglichst wenig beein- trächtigt werden. Dieser Zustand kann zerlegt werden nach seinen einzelnen Seiten mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten von Schädlichkeiten, die ihm drohen; dadurch entstehen die Begriffe der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung im engeren Sinne u. s. w.
Störung der guten Ordnung ist jede vom Einzeldasein aus- gehende Lebensäuſserung, welche geeignet ist, durch ihre gesellschaft- liche Wirkung die in der Gesellschaft enthaltenen Kräfte zu beein- trächtigen.
1 Der Begriff der Gesellschaft ist für das Verwaltungsrecht schon in ver- schiedener Weise verwertet worden: Gneist, Rechtsstaat S. 25, und neuerdings in: Die nationalen Rechtsideen von den Ständen; v. Stein, Begriff der Gesellschaft und die sociale Gesch. der franz. Rev. I Einl.; ders., Handb. S. 738 ff.; Roesler, V.R. I S. 2 ff. — Den Zusammenhang zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Polizei hat immer noch am besten Hegel, Rechtsphilosophie § 182 ff., § 231 ff., aufgewiesen und durchgeführt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0278"n="258"/><fwplace="top"type="header">Die Polizeigewalt.</fw><lb/>
für welches er da ist und das für ihn da ist, dessen Kräfte auch die<lb/>
seinigen sind; darum geht sie ihn an.</p><lb/><p>Diese Gesellschaft ist ein Gemeinwesen, um der Wechsel-<lb/>
beziehungen willen, welche sie zwischen den darin begriffenen Ein-<lb/>
zelnen vermittelt: Nützliches wie Schädliches, was dem Einzelnen<lb/>
darin widerfährt, ist das Ergebnis unzähliger, im besonderen nicht<lb/>
mehr verfolgbarer Zusammenhänge mit ihrem Gesamtzustand; und<lb/>
umgekehrt das Verhalten des Einzelnen hat über seine unmittelbare<lb/>
Wirkung hinaus bald mehr bald weniger zugleich eine Bedeutung für<lb/>
den Gesamtzustand<noteplace="foot"n="1">Der Begriff der Gesellschaft ist für das Verwaltungsrecht schon in ver-<lb/>
schiedener Weise verwertet worden: <hirendition="#g">Gneist,</hi> Rechtsstaat S. 25, und neuerdings in:<lb/>
Die nationalen Rechtsideen von den Ständen; v. <hirendition="#g">Stein,</hi> Begriff der Gesellschaft<lb/>
und die sociale Gesch. der franz. Rev. I Einl.; ders., Handb. S. 738 ff.; <hirendition="#g">Roesler,</hi><lb/>
V.R. I S. 2 ff. — Den Zusammenhang zwischen bürgerlicher Gesellschaft und<lb/>
Polizei hat immer noch am besten <hirendition="#g">Hegel,</hi> Rechtsphilosophie § 182 ff., § 231 ff.,<lb/>
aufgewiesen und durchgeführt.</note>.</p><lb/><p>Auf das letztere kommt es hier allein an; es handelt sich um<lb/>
die <hirendition="#g">gesellschaftlich bedeutsamen Äuſserungen</hi> des Einzel-<lb/>
lebens. Diese Bedeutung kann eine nützliche und kann eine schäd-<lb/>
liche sein. Nützlich ist alles, was die in der Gesellschaft enthaltenen<lb/>
wirtschaftlichen, geistigen, sittlichen Kräfte zu steigern geeignet ist.<lb/>
Die alte Wohlfahrtspolizei hat eine Pflicht jedes Einzelnen, dazu bei-<lb/>
zutragen, in Anspruch genommen und geltend gemacht. Unser gegen-<lb/>
wärtiger Polizeibegriff hat es nur mit solchen Äuſserungen des Einzel-<lb/>
lebens zu thun, die geeignet sind, <hirendition="#g">gesellschaftliche Schädlich-<lb/>
keiten</hi> zu bedeuten, d. h. die in der Gesellschaft enthaltenen guten<lb/>
Kräfte zu beeinträchtigen.</p><lb/><p>Unter der <hirendition="#g">guten Ordnung</hi> des Gemeinwesens, die aufrecht-<lb/>
erhalten werden soll, verstehen wir also einen allgemeinen Zustand<lb/>
der Gesellschaft, bei welchem die in ihr enthaltenen Kräfte durch<lb/>
Schädlichkeiten, die ihnen bereitet werden, möglichst wenig beein-<lb/>
trächtigt werden. Dieser Zustand kann zerlegt werden nach seinen<lb/>
einzelnen Seiten mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten von<lb/>
Schädlichkeiten, die ihm drohen; dadurch entstehen die Begriffe der<lb/>
öffentlichen Ruhe, Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit, der öffentlichen<lb/>
Ordnung im engeren Sinne u. s. w.</p><lb/><p><hirendition="#g">Störung</hi> der guten Ordnung ist jede vom Einzeldasein aus-<lb/>
gehende Lebensäuſserung, welche geeignet ist, durch ihre gesellschaft-<lb/>
liche Wirkung die in der Gesellschaft enthaltenen Kräfte zu beein-<lb/>
trächtigen.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[258/0278]
Die Polizeigewalt.
für welches er da ist und das für ihn da ist, dessen Kräfte auch die
seinigen sind; darum geht sie ihn an.
Diese Gesellschaft ist ein Gemeinwesen, um der Wechsel-
beziehungen willen, welche sie zwischen den darin begriffenen Ein-
zelnen vermittelt: Nützliches wie Schädliches, was dem Einzelnen
darin widerfährt, ist das Ergebnis unzähliger, im besonderen nicht
mehr verfolgbarer Zusammenhänge mit ihrem Gesamtzustand; und
umgekehrt das Verhalten des Einzelnen hat über seine unmittelbare
Wirkung hinaus bald mehr bald weniger zugleich eine Bedeutung für
den Gesamtzustand 1.
Auf das letztere kommt es hier allein an; es handelt sich um
die gesellschaftlich bedeutsamen Äuſserungen des Einzel-
lebens. Diese Bedeutung kann eine nützliche und kann eine schäd-
liche sein. Nützlich ist alles, was die in der Gesellschaft enthaltenen
wirtschaftlichen, geistigen, sittlichen Kräfte zu steigern geeignet ist.
Die alte Wohlfahrtspolizei hat eine Pflicht jedes Einzelnen, dazu bei-
zutragen, in Anspruch genommen und geltend gemacht. Unser gegen-
wärtiger Polizeibegriff hat es nur mit solchen Äuſserungen des Einzel-
lebens zu thun, die geeignet sind, gesellschaftliche Schädlich-
keiten zu bedeuten, d. h. die in der Gesellschaft enthaltenen guten
Kräfte zu beeinträchtigen.
Unter der guten Ordnung des Gemeinwesens, die aufrecht-
erhalten werden soll, verstehen wir also einen allgemeinen Zustand
der Gesellschaft, bei welchem die in ihr enthaltenen Kräfte durch
Schädlichkeiten, die ihnen bereitet werden, möglichst wenig beein-
trächtigt werden. Dieser Zustand kann zerlegt werden nach seinen
einzelnen Seiten mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten von
Schädlichkeiten, die ihm drohen; dadurch entstehen die Begriffe der
öffentlichen Ruhe, Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit, der öffentlichen
Ordnung im engeren Sinne u. s. w.
Störung der guten Ordnung ist jede vom Einzeldasein aus-
gehende Lebensäuſserung, welche geeignet ist, durch ihre gesellschaft-
liche Wirkung die in der Gesellschaft enthaltenen Kräfte zu beein-
trächtigen.
1 Der Begriff der Gesellschaft ist für das Verwaltungsrecht schon in ver-
schiedener Weise verwertet worden: Gneist, Rechtsstaat S. 25, und neuerdings in:
Die nationalen Rechtsideen von den Ständen; v. Stein, Begriff der Gesellschaft
und die sociale Gesch. der franz. Rev. I Einl.; ders., Handb. S. 738 ff.; Roesler,
V.R. I S. 2 ff. — Den Zusammenhang zwischen bürgerlicher Gesellschaft und
Polizei hat immer noch am besten Hegel, Rechtsphilosophie § 182 ff., § 231 ff.,
aufgewiesen und durchgeführt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/278>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.